In Zwenkau liegen die Nerven blank. Bis zum 9. Mai, bis zur Einweihung des Sees unter Beteiligung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, konnten die Akteure in der kleinen Stadt im Leipziger Südraum so tun, als wäre die Entwicklung des Sees ihre eigene Sache und sie bräuchten auf andere Akteure im Neuseenland keine Rücksicht zu nehmen. Man könnte auch einfach mal eine Mastergenehmigung für 320 Motorboote ausreichen.

Seit dem 12. Juni geht der Katzenjammer um, denn der Leipziger Ökolöwe hat gegen die Mastergenehmigung Widerspruch eingereicht. Mit erstaunlich heftigen Wirkungen binnen weniger Tage, wenn man der LVZ vom 18. Juni glauben darf: “Inzwischen haben etliche Eigner ihre Motor- und Segelboote aus dem Hafen genommen und werden wohl an andere Seen wechseln. Darunter auch Bootsvermieter Günter Bauer von der Leipziger Logistik & Lagerhaus”, steht da zu lesen. Der Bootsvermieter hatte gleich mal am 9. Mai für Aufsehen gesorgt, als er seine Verleihmotorboote über den See düsen ließ.

Und das, obwohl alle drei Umfragen zum Leipziger Neuseenland – die in Leipzig, die im Landkreis Nordsachsen und die im Landkreis Leipzig – eine deutliche Mehrheit ergeben hatten für eine sanfte Entwicklung der Seen im Leipziger Südraum. Und so manches deutet darauf hin, dass das Zögern, Zaudern und Nichtentscheiden in der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland einen gewaltigen Beitrag geleistet hat zu einer Situation, in der alle Beteiligten glauben, recht zu haben und nichts zueinander passt.

Oder war die Diskussion um die Charta doch genau das, was die Kanuten und Umweltschützer kritisieren: eine Schauveranstaltung, um die Gemüter zu beruhigen? Ein potjemkinsches Dorf für die Befürworter einer sanften und umweltschonenden Seenentwicklung?

Zuletzt auch von Landrat Dr. Gerhard Gey immer wieder abwägend so befürwortet. Elektroboote könnte man sich gut vorstellen, Motorboote, solange die Wasserqualität nicht gefährdet sei. Aber entschieden sei nichts. Als die fertig formulierte Charta dann im April vorgestellt wurde, hatte man den Streitpunkt Motorboote versus sanften Bootstourismus ganz rausgenommen. Vertagt auf einen späteren Tag.

Denn das Wichtigste ist im Neuseenland bis heute nicht geklärt. Während Bootssportler und Umweltverbände seit Jahren mit immer neuen Anläufen versuchen, das Thema Motorboote geklärt zu bekommen, haben die Akteure im Leipziger Südraum alles getan, um das Gewässersystem für Motorbootbesitzer frei zu schießen. Der wichtigste Vorstoß dazu war die Änderung des Sächsischen Wassergesetzes mit der Einführung der Schiffbarkeit auf allen vier Seen im Leipziger Südraum. Besonders engagiert war damals der FDP-Wirtschaftsminister Sven Morlok.

Und es war jetzt auch die FDP, die am 17. Juni so richtig das Schwert aus der Scheide zog und wild gegen die Umweltaktivisten dreinfocht. FDP-Landeschef Holger Zastrow: „Es ist doch klar, dass sogenannte Umweltaktivisten alles, was nach Spiel, Spaß und Freude aussieht, bekämpfen. Deswegen frage ich mich, wieso mögliche Kritikpunkte nicht im Vorfeld vom Landkreis und den zuständigen Behörden geprüft und ausgeräumt worden sind. Es ist nicht sehr ehrenvoll, in Wahlkampfzeiten mit mächtigem Tamtam Bänder durchzuschneiden, großzügige Mastergenehmigungen für den Wassersport auszureichen und Radwege einzuweihen. Doch sobald der Wahlkampf vorbei ist, sind alle Probleme wieder da.”

Womit er zumindest das Grundproblem beim Namen nennt: Im Neuseenland ist gar nichts geklärt. Auch weil einige Seengemeinden völlig andere Vorstellungen von der Seennutzung haben als die anderen. Und statt die Sache einvernehmlich zu klären – was natürlich Kompromisse erfordert hätte – hat Zwenkau “sein Ding gemacht”, Genehmigungen für den Bau von 184 Liegeplätzen im Hafen ausgereicht, “zwei Drittel davon für Motorboote”, berichtet die LVZ.

Auch die Sächsische Seebad Zwenkau GmbH hat sich auf das Zwenkauer Selbstverständnis verlassen, dass hier die Motorboote kommen wie bestellt. Und da auch die in der Region erscheinende Zeitung die Haltung immer bestärkte, kamen gar keine Zweifel mehr auf, dass die Sache gar nicht geklärt sein könnte. Aber geklärt werden muss.

Das machte der Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung für die künftige Schiffbarkeit der Seen sichtbar, die die Landesdirektion Leipzig in diesem Frühjahr durchführt. Denn per Gesetz sollen zwar alle vier Seen und ihre Verbindundungsgewässer für schiffbar erklärt werden, was dann Motorbooten freie Fahrt gewähren würde. Aber die konkreten Bedingungen muss erst eine Schiffbarkeitserklärung festlegen. Die ist noch nicht fertig. Denn als die Landesdirektion die beteiligten Kommunen abfragte, stellte sich ziemlich schnell heraus, dass die Erwartungen völlig auseinander gehen und keineswegs auf einen Nenner zu bringen sind.

Da half dann auch das Lächeln des scheidenden Landrats Gerhard Gey nicht mehr. Er hatte all die Jahre versucht, die Gemüter zu beruhigen, indem er allen alles für machbar erscheinen ließ. Motorboote hier, keine Motorboote da. Jeder sollte glücklich werden.

Doch wenn es eine Schiffbarkeitserklärung gibt für die Seen, dann wird es nur eine sein – eine, die für alle gleichermaßen gilt. Und ziemlich sicher ist auch, dass es die von den Umweltverbänden geforderten Schutzgebiete an den Seen geben wird. Die sich nicht die Umweltaktivisten ausgedacht haben, sondern die von Anfang an in den Planungen für die Seen so vorgesehen waren. Auch am Zwenkauer See.

Keineswegs verwunderlich ist nun freilich, dass den Umweltverbänden nun genau die Millionen um die Ohren gehauen werden, die man zum Ausbau der für Motorboote notwendigen Infrastruktur an den Seen schon verbaut hat. Frei nach dem Motto: Wenn man schon Steuergelder genutzt hat, dann müssen auch die geforderten Motorboote kommen.

Holger Zastrow: “In die Rekultivierung der ehemaligen Tagebaue sind immerhin bereits Millionenbeträge geflossen.” Oder Andreas Schmidt, Geschäftsführer der Sächsischen Seebad Zwenkau (SSZ), in der LVZ: „Eigentlich müssen die Bauarbeiten für den Harthkanal sofort gestoppt werden. Aktuell ist das eine Verschwendung von Steuergeldern. Ohne Boote macht der ganze Gewässerverbund keinen Sinn.“

Er erwähnt 154 Millionen Euro, die schon in den Zwenkauer See geflossen seien an Steuermitteln.

Nur waren es nicht die Umweltverbände, die den Bootseignern das Versprechen gemacht haben, sie würden am Zwenkauer See freie Fahrt bekommen. Das waren just jene Verantwortlichen im tief uneinigen Gewässerverbund, die lieber alles im Vagen gelassen haben, um nur ja nicht frühzeitig erfahren zu müssen, dass es die versprochene Freiheit für Motorbootbesitzer so nicht geben kann. Nicht ohne eine echte Einigung mit allen anderen Beteiligten im Neuseenland. Man hat lieber Extra-Würste gebraten und so getan, als würden die Anderen einfach folgen, wenn man in Zwenkau einfach mal zeigt, wie es geht. Und so war nichts geklärt, als man einfach mal die Mastergenehmigung für 320 Motorboote raus ließ.

Noch einmal kurz Anja Werner vom Ökolöwen zitiert: “Normal wäre eine demokratische Beteiligung aller Akteure, die ein Interesse am See haben. Das geschieht im Schiffbarkeitsverfahren der Landesdirektion. Da es dort von vielen Beteiligten Hinweise zu notwendigen Prüfungen gab, dauert das Verfahren an. Der Weg über die Mastergenehmigung ist eine Abkürzung, die das demokratische Prinzip umgeht und zum Ziel hat, schnellstmöglich aus dem See Profit zu schlagen. Sie zeigt mangelnden Respekt den Bürgern gegenüber. Wir mussten im Interesse der Naherholungssuchenden und des Naturschutzes den einzigen uns bei diesem Verfahren möglichen Weg gehen, um überhaupt Einsicht in die Unterlagen zu erhalten.”

Sollte die Landesdirektion gar auf den Zwenkauer Kurs einschwenken, ist ein bestimmtes Papier viel schneller Makulatur, als es seine drei Unterzeichner je gedacht haben: die “Charta Leipziger Neuseenland 2030”.

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Es gibt 5 Kommentare

Ich bitte um Entschuldigung, dass ich nicht alles bzw. manches vielleicht zu oberflächlich lese.

Sie schreiben “zur Überraschung aller”. Für mich keine Überraschung, da es dazu Gesetze gibt. Wer sind denn nach Ihre Ansicht “aller”?

Aber schließen wir die Thematik lieber ab, denn die Entscheidung ist doch längst gefallen. Selbst ein Widerspruch wird keinen Erfolg haben. Zumindest bin ich davon fest überzeugt.

Lieber Klaus,

wegen Ihres letzten Satzes: Und diese hat zur Überraschung aller zugestimmt. Steht auf der L-IZ seit Tagen zu lesen 😉

Ihr M.F.

Herr Beyer, Ihren Kommentar finde ich gut. Leider haben Sie aus der Stadt Zwenkau eine Gemeinde gemacht, was dort nicht gut ankommen wird.

Trotzdem ein kleiner Hinweis, meines Wissens darf eine derartige Genehmigung nicht von der jeweiligen Kommune (hier also von der Stadt Zwenkau) erteilt werden, Das erfolgt antragsgemäß durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde.

“Ohne Boote macht der ganze Gewässerverbund keinen Sinn.“ Dieser Satz ist und das schreibe ich nicht in meiner Rolle als Redakteur dieser Zeitung, sondern als Leipziger Bürger, Schwachsinn. Der Gewässerverbund hat das Potential für Kanuwanderer so attraktiv zu werden, wie die Mecklenburgische Seenplatte, wenn endlich einmal vernünftig auf die Einwände von Kanuverband und Umweltverbänden eingegangen würde. Was in keinem Konzept, dass ich kenne bedacht ist, ist dass die Attraktivität für Wasserwanderungen erst gegeben ist, wenn es auch ein paar Zeltplätze gibt. Abhängig vom Wetter und der Tagesform kann man im Kanu schlecht planen, ob man ein bestimmtes Kilometerpensum erreicht und dann in einem schon wieder recht teuren Ferienhaus nächtigt. Wir werden in Deutschland nie so traumhafte Verhältnisse erreichen, wie in Schweden mit dem so genannten “Jedermannsrecht” das das Zelten an jedem allgemein zugänglichen Ort erlaubt, sofern kein Müll hinterlassen wird. Das heißt natürlich auch, dass Schutzgebiete ausgenommen sind.
Aber auch der Gewässerverbund Neuseenland hätte viel Schönes zu bieten, die recht starke Frequentierung mit Motorbooten wäre ein Gräuel. Aus einem anderen Grund würde ich Herrn Schmidt daher sogar zustimmen: Man sollte den Harth-Kanal tatsächlich nicht bauen, damit die von der Gemeinde Zwenkau genehmigten Boote keine Gelegenheit haben, den Zwenkauer See zu verlassen. Viel Spaß dann damit.

Zu dieser Thematik habe ich bereits einige Bemerkungen gemacht. Recht machen kann man es sowieso nie jemanden – bei so einer Thematik gleich gar nicht.

Ohne darauf einzugehen, hatte ich in meiner Tätigkeit im Rechnungsprüfungsamt der Stadt Leipzig auch mit den erheblichen finanzielle Investitionen in diesem Bereich zu tun.

Für solche Äußerungen wie
„Eigentlich müssen die Bauarbeiten für den Harthkanal sofort gestoppt werden. Aktuell ist das eine Verschwendung von Steuergeldern. Ohne Boote macht der ganze Gewässerverbund keinen Sinn.“, kann ich kein Verständnis aufbringen. Das ist Polemik pur.

Dadurch wird versucht zu vermitteln, dass diese Gelder in erheblicher Höhe vorwiegend wegen der Schiffbarkeit bereit gestellt wurde, was Unsinn ist. Für die Beantragung und Bereitstellung der Fördermittel war bzw. ist ein bestimmtes Verfahren festgelegt (z. B. Fördermittelanträge, Fördermittelbescheide). Würde man diese einsehen, was sicher auch für die L-IZ (!!!) möglich wäre, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass die Bereitstellung der Fördermittel nie mit der Bedingung verbunden war, dort Boote (welche auch immer) zu genehmigen.

Mit diesen Bemerkungen ergreife ich keine Partei für irgend eine Seite, sondern diese sollen zum sachlichen Umgang mit dieser Thematik beitragen.

Auch diese Thematik zeigt, wie von Politikern/Parteien vor Wahlen meist um den heißen Brei herum geredet wird bzw. wurde.

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