Sie wollen ja gern wachsen. Und sie könnten es auch, wenn sich die Strukturen im Netzwerk der Metropolregion Leipzig endlich stabilisieren. Dann profitieren auch die kleineren Städte im verkehrstechnisch gut erschlossenen Umfeld der Halbmillionenstadt von deren Bevölkerungswachstum. Dann sind 15 oder 30 Minuten mit der S-Bahn nicht mehr das Problem. Wenn man S-Bahn-Anschluss hat.

Grimma will wachsen

Die meisten Städte, die seit Dezember 2013 im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz ihren Platz gefunden haben, stabilisieren sich oder haben auch wieder leichte Bevölkerungsgewinne. Schwieriger ist es, wenn die Bahnanbindung noch nicht einmal elektrifiziert ist und die Bahn sogar Verbindungen reduziert. Grimma macht gerade diese Erfahrung. Auch wenn man sich dort nach einem Blick ins Melderegister zum Jahresanfang erst einmal freute.

“Die Standesamtsakten aus dem Jahr 2015 wandern nach und nach ins Archiv. Ein letzter Blick in die Bücher zeigt, dass die zweitgrößte Stadt nach Leipzig in Westsachsen weiter wächst. Grimma marschiert auf die 30.000-Einwohner-Marke zu”, jubelte die Grimmaer Stadtverwaltung zum Jahresauftakt. Aber auch in Grimma gilt: Die Zahlen aus dem Melderegister stimmen nicht mit denen aus dem Landesamt für Statistik überein. Das hat ja gerade erst die Zahlen für Juli 2015 veröffentlicht. Und danach hätte Grimma sogar Bevölkerung verloren im ersten Halbjahr 2015, wäre von 28.411 auf 28.225 abgeschmolzen.

Natürlich hat die Bundesrepublik ein statistisches Problem. Wie wohl die ganze EU. Was ja auch in der aktuellen Flüchtlingsdiskussion sichtbar wird. Wenn ein Land oder eine Ländergemeinschaft es nicht fertig bringen, alle Menschen im Gebiet auch offiziell zu registrieren und mit eindeutigen Erkennungskarten auszustatten, dann sind natürlich diversen Wanderbewegungen von Leuten, die die Flüchtlingsbewegungen als Tarnung benutzen, Tür und Tor geöffnet. Und wenn die Bewohner einer Region nicht alle eindeutig gemeldet sind und Statistiken nicht abgleichbar sind, werden alle Hochrechnungen zur reinen Kaffeesatzleserei, bekommt man bestenfalls eine Grauzone, in der sich die realen Zahlen wahrscheinlich bewegen.

In Leipzig war das im Juli irgendwo zwischen 548.456 (amtliche Zahl) und 556.017 (Melderegister). Und in Grimma wird es ganz ähnlich sein. Am 1.1.2016 verzeichnete das Einwohnermeldeamt 28.992 Einwohner, ein Prozent mehr als im Vorjahr, meldet die Grimmaer Stadtverwaltung. Vor allem durch Zuzüge stieg die Zahl der Einwohner. 1.622 Menschen zogen im Jahr 2015 nach Grimma und 1.230 Personen wieder weg. Innerhalb der Stadt zogen 1.511 Einwohner um.

Das Städtchen an der Mulde ist kämpferisch und lässt sich nicht einfach so abhängen. Und natürlich macht man mit so einer Meldung auch Werbung für sich. Bloß weil die Landesregierung die Strecke nicht elektrifiziert bekommt, muss man ja nicht den Kopf in den Sand stecken. Zum Heiraten fahren auch Nicht-Grimmaer gern in das Muldestädtchen. Das jetzt melden kann: “Besonders erfreulich ist, dass der positive Trend in Grimma zu heiraten nicht abreißt. Die Zahl der Trauungen nahm im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent zu. Das liegt unter anderem daran, dass das Standesamt am Markt wieder nutzbar ist. Insgesamt verzeichnete das Standesamt 210 Eheschließungen und drei Lebenspartnerschaften. Besonders beliebt sind nach wie vor die Sommermonate zwischen Mai und September.”

“Dass Grimma ein beliebter Trauort ist, ist kein Geheimnis mehr”, weiß Standesbeamtin Liane Schwarm. “Es heiraten viele Paare hier, die von weiter weg kommen. Die romantische Stadt bietet optimale Bedingungen, um eine Hochzeit auszugestalten.”

221 Neugeborene, die 2015 das Licht der Welt erblickten, haben auf ihrem Pass den Geburtsort Grimma stehen. Davon sind 109 Mädchen und 112 Jungen. Im Vergleich zu 2014 ist die Rate leicht gesunken. Die Erklärung dafür: “Wer in Grimma geboren wird, ist nicht gleich in der Kommune gemeldet. Viele Grimmaer Mütter entbinden in Leisnig, Wurzen, Borna oder Leipzig”, sagt Standesamtsleiterin Liane Schwarm.

Markkleeberg will wachsen

Auch die Stadt Markkleeberg meldete sich dieser Tage mit Einwohnerzahlen zu Wort. Aber nicht mit denen aus dem Melderegister, sondern denen des Landes.

“Die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Markkleeberg ist erneut angestiegen – wenn auch nur leicht. Das geht aus der jüngsten amtlichen Mitteilung des Statistischen Landesamtes hervor, die die Bevölkerungsentwicklung im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2015 wiedergibt und die der Stadtverwaltung jetzt vorliegt. – Nach Angaben der Kamenzer Behörde lebten zum Stichtag 30. Juni 2015 insgesamt 24.131 Menschen (12.634 Frauen, 11.497 Männer) in der Großen Kreisstadt und den zu ihr gehörenden Ortsteilen. Das sind 21 Einwohnerinnen und Einwohner mehr als im Halbjahr davor. Zum Stichtag 31. Dezember 2014 verzeichnete das Statistische Landesamt 24.110 Einwohnerinnen und Einwohner für Markkleeberg. – Grund für die Steigerung: Markkleeberg ist Zuzugsgebiet. 570 Zuzügen stehen im ersten Halbjahr 2015 insgesamt 487 Wegzüge gegenüber. Im gleichen Zeitraum gab es 87 Geburten und 150 Sterbefälle. Zudem gab es eine Bestandskorrektur.”

Kleine, wachsende Städte in schrumpfenden Landkreisen

Wobei sich mittlerweile auch bemerkbar macht, dass in Markkleeberg nicht mehr allzu viel geht. Die Wohnbebauung in dem Städtchen an den Seen ist mehr oder weniger ausgereizt. Da weichen viele Leute, die in Leipzig Arbeit gefunden haben, auf der Suche nach einem etwas ruhigeren Wohnort verstärkt auf Angebote in etwas weiter entfernten Orten aus. Dazu gehört zum Beispiel Rötha, das im ersten Halbjahr 2015 sogar 56 Personen Einwohnerzuwachs verzeichnete, Naunhof mit einem Plus von 48 oder Regis-Breitingen mit einem Zuwachs von 108. Das Leipziger Neuseenland spielt dabei als landschaftliche Kulisse gewiss auch eine Rolle.

Genau diese Strukturen verstärken sich sichtlich, während die abgelegeneren Regionen des Landkreises Leipzig nach wie vor massiv Einwohner verlieren, was dem Landkreis Leipzig im ersten Halbjahr 2015 genauso ein Bevölkerungsminus (- 336) bescherte wie dem Landkreis Nordsachsen (- 207).

Besonders stark profitieren natürlich die Städte direkt am Leipziger Ortsrand. Markranstädt wuchs im beschriebenen Halbjahr um 61 Einwohner, Taucha um 63 und Schkeuditz um 22. Und von der S-Bahn-Anbindung scheinen zumindest Torgau (+ 25) und Eilenburg (+15) schon zu profitieren. Die Einwohner-Werbe-Kampagne des Eilenburger OBM ist wohl genau der richtige Weg, sich wieder als Wohnort ins Gespräch zu bringen.

Was nicht automatisch passieren wird, das zeigt der Blick nach Wurzen und Delitzsch, die im ersten Halbjahr 2015 Verluste von 56 bzw. 22 Einwohnern verzeichneten.

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