Es ist ein Dokument der Peinlichkeiten, das Lutz Weickert da zusammengestellt hat – einer von den Engagierten, die seit Jahren darum kämpfen, dass die Vorgaben aus dem Planfeststellungsbeschluss für die Südbahn des Flughafens Leipzig/Halle endlich eingehalten werden. Und eine dieser Vorgaben lautet: Gleichverteilung aller An- und Abflüge auf beide Startbahnen. Aber acht Jahre lang hat die Fluglärmkommission jede Konsequenz verweigert und das Thema immer wieder vertagt. Acht Jahre Sitzenbleiben, das kann sich nicht mal der schlechteste Schüler leisten.

Aber das Sitzenbleiben hat ja einen simplen Grund: Die Flughafennutzer haben in diesem Kaffeekränzchen die Mehrheit. Und Bund und Land gehören dazu. Beide hätten genug Einfluss und Berechtigung, das ziellose Gerede zu beenden und die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen – und der Planfeststellungsbeschluss ist nun einmal eine – einzufordern.

Erst recht, weil sie vor Verabschiedung des Planfeststellungsbeschlusses alle Strippen gezogen haben, die neue Südbahn den Betroffenen im Leipziger Norden so schön zu malen, dass es vorher keine wirklich ernsthaften juristischen Einsprüche mehr gab. Die Zusagen für die Südabkurvung und die Bahnverteilung waren die Bonbons, mit denen man das kritisierte Projekt durchdrückte und damit auch dessen fatale Konstruktionsfehler kaschierte, sodass die politischen Verantwortungsträger in und um Leipzig so tun konnten, als hätten sie für die Bevölkerung die nötigen Kompromisse erlangt.

Die Flugpraxis seit 2007 aber zeigt, dass die Flughafennutzer die Kompromisse schlicht ignorieren. Tausende schwere Frachtflieger (darunter auch die 60 Jahre alten AN-12-Militärtransporter) fliegen über die Stadt und nachts erfolgen im Schnitt 97 Prozent aller Starts und Landungen auf der stadtnahen Südbahn.

Und Weickert hat aus einer nun schon vier Jahre zurückliegenden Sitzung der Fluglärmkommission die dort vorgestellte „Betroffenheitsanalyse am Flughafen Leipzig – Halle“ ausgegraben – erstellt vom sächsischen Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Geologie. Also einer direkten Regierungsbehörde. In der sächsischen Regierung gibt es also niemanden, der behaupten kann, er hätte davon keine Ahnung.

Die Mitarbeiter des Landesamtes haben einfach mal untersucht, wie viele Menschen eigentlich betroffen sind bei unterschiedlichen Bahnnutzungen, sowohl bei Ost- wie bei Westwind. Wobei die tatsächliche Nutzung, wie sie 2014 nachts bestand (95 Prozent aller Starts und Landungen auf der Südbahn) mit einer „Variante 1“ verglichen wurde (56 bis 59 Prozent aller Starts und Landungen auf der Südbahn, der Rest auf der Nordbahn).

Und schon dafür ergab sich: „Bei geografischer Verteilung der Starts und Landungen auf die Nordbahn ergibt sich für alle 3 Kennziffern eine signifikante Verbesserung der Betroffenheit“.

„Unbegreiflich, dass aufgrund eines Gutachtens einer Landesbehörde (vom März 2014) zur Umsetzung einer Auflage des Planfeststellungsbeschlusses, sich bis heute nichts getan hat. Im Gegenteil, die nächtlichen Starts und Landungen von der SLB Süd sind seitdem von 116 (2013) auf jetzt über 160 Starts und Landungen pro Nacht gestiegen“, kritisiert Weickert.

„Man muss sich fragen, warum die Steuerzahler von Sachsen seit über 10 Jahren eine nutzlose und überflüssige Fluglärmkommission und Abteilung im SMWA finanzieren, die die Umsetzung der PFB-Auflage seit über 10 Jahren verhindern. Die FLK Leipzig und diese Behörde müsste nicht vom Steuerzahler sondern von DHL finanziert werden.“

Und das ist nur die Untersuchung einer teilweisen Verlagerung des Nachtflugbetriebs auf die Nordbahn. Überhaupt nicht untersucht wurde eine Komplettverlagerung des nächtlichen Flugbetriebs, bei dem die Entlastungseffekte zahlenmäßig wahrscheinlich noch viel größer wären.

Seit 2014 aber wissen alle Beteiligten in der Fluglärmkommission, dass schon eine begrenzte Verlagerung der Starts und Landungen – wie hier untersucht – deutliche Entlastungseffekte hätte. Aber es ist nichts passiert. Und auch das zuständige Wirtschaftsministerium hat sich sichtlich nicht bemüßigt gefühlt, die Erkenntnisse in eine klare Entscheidung zu verwandeln.

Es ist also nicht so, als hätte die Fluglärmkommission nach über 50 Sitzungen immer noch nicht genug Erkenntnisse – sie ist schlicht in dieser Funktion nicht arbeits- und beschlussfähig. Ein Alibi-Kränzchen, das den Bürgern eine Tätigkeit vorgaukelt, die im Arbeitsergebnis nicht nachvollziehbar ist.

Die Auflistung der der Nicht-Beschlüsse der Fluglärmkommission seit 2010.

Deutsche Flugsicherung nimmt immer weniger Rücksicht auf die Sicherheit der Leipziger

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