Die sächsische Knapphalte-Politik den Kommunen gegenüber hat auch Folgen für deren Haushalte. Denn besonders blumig ging es den Landkreisen auch vor der großen Kreisreform 2008 nicht. Und daran hat auch die Bildung größerer Kreise nichts geändert. Das Geld für den Abbau der Altschuldenlast fehlt bis heute. Das thematisiert jetzt der Landrat von Nordsachsen, Kai Emanuel (parteilos).

Der Landkreis Nordsachsen ist 2008 im Zuge der Verwaltungs- und Funktionalreform aus den beiden am höchsten verschuldeten sächsischen Landkreisen Torgau-Oschatz und Delitzsch hervorgegangen. „Diesen Startnachteil haben wir bis heute nicht ausgleichen können“, erklärte Landrat Kai Emanuel (parteilos) vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten zur Altschuldenentlastung am Dienstag, 22. Oktober. „Aus eigener Kraft werden wir dies trotz eigener Anstrengungen nicht schaffen.“

Neben der Verschuldung aus Investitionen, die sich in Nordsachsen auf knapp 100 Millionen Euro beläuft, ist die dauernde Inanspruchnahme von Kassenkrediten zum kurzfristigen Ausgleich fehlender Liquidität eine strukturelle Herausforderung, der sich der Landkreis von Beginn an stellt. Momentan profitiere Nordsachsen als hochverschuldeter Landkreis von der anhaltenden Niedrigzinsphase.

„Dank unseres Schuldenmanagements werden geringere Zinsaufwendungen zur zusätzlichen Tilgung eingesetzt“, konstatiert Emanuel. Dennoch verbleibt ein enormer Schuldenstand. „Der Abbau der langfristigen Verbindlichkeiten wird als die vordringliche Aufgabe angesehen, letztlich auch, um das Liquiditätsproblem in Form der Kassenkredite in den Griff zu bekommen.“

Ergebnis: Der Altschuldenberg von 2008 ist mit 100 Millionen Euro bis heute nahezu unverändert. Dazu kommen in Nordsachsen freilich noch gut 15 Millionen Euro durchschnittlich pro Jahr an Kassenkrediten. Der Landkreis tilgt seit 2015 4 Millionen Euro pro Jahr aus eigener Kraft.

Ende 2018 hatte der Landkreis Nordsachsen fast 250 Millionen Euro Schulden. Das war unter den sächsischen Landkreisen der höchste Schuldenstand. Ähnlich hohe Schuldenstände hatten nur der Erzgebirgskreis und der Vogtlandkreis mit 211 Millionen Euro. Der Landkreis Leipzig hatte 176 Millionen Euro in der Bilanz.

Naturgemäß haben die drei Großstädte schon deshalb höhere Schulen, weil sie auch deutlich mehr Infrastruktur vorhalten müssen. Leipzig war mit einem Schuldenberg von 550 Millionen Euro der Spitzenreiter, kann aber seit Jahren jährlich 50 Millionen Euro davon abtragen, hat also Spielräume. Dresden, das sich durch seinen (unüberlegten) Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft ja schon einmal komplett entschuldet hatte, hat mittlerweile auch wieder 107 Millionen Euro auf der Uhr stehen.

Insgesamt summierte sich die Verschuldung der Landkreise und Großstädte 2018 auf 2,666 Milliarden Euro, 2016 waren es noch 2,679 gewesen. Das heißt: Während sich Städte wie Leipzig wieder kleine Spielräume verschafft haben, fällt es Landkreisen wie Nordsachsen deutlich schwerer, die Altbestände mit größeren Raten abzubauen.

Um freilich beide Problemkreise, Altschulden und Kassenkredite, lösen zu können, bedürfe es nach Überzeugung von Kai Emmanul externer Hilfe. Zuständig sei der Freistaat Sachsen, dessen verfassungsgemäße Aufgabe es sei, die kommunale Ebene – Städte, Gemeinden und Landkreise – finanziell angemessen auszustatten.

„Dass der Bund sich über die Entlastung von Altschulden Gedanken macht, ist zu begrüßen, verstößt aber gegen die im Grundgesetz verankerte Finanzfassung“, beschreibt Kai Emanuel das Problem und unterstützt damit die Forderung des Sächsischen Landkreistages, dessen Präsident, Erzgebirgs-Landrat Frank Vogel (CDU), den Freistaat Sachsen in der Verantwortung sieht.

Landrat Kai Emanuel: „Wenn der Bund diese Landesaufgabe unterstützt, würden wir diese Hilfe nicht ablehnen. Realistischerweise unterstützen wir die Forderung nach einer Hilfe beim Abbau der Kassenkredite. Mit einer einmaligen Würdigung unseres Weges der Entschuldung würden wir die Kraft erhalten, langfristig auch die Kassenkredite zu senken und Spielräume zur Gestaltung unseres Landkreises zurückgewinnen.“

Grundsätzlich müsse aus seiner Sicht aber sein, dass die Landkreise in die Überlegungen überhaupt einbezogen sind.

Leipzig kann nicht mal die Hälfte der geplanten Investitionen umsetzen, Ausgabereste steigen auf 364 Millionen Euro

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