In der Bürgerinitiative Markkleeberg-Ost liegen die Nerven blank. Seit den 1990er Jahren kämpft die Bürgerinitiative um den Schutz und Erhalt der Weinteichsenke, der letzten naturnahen Bachaue der Pleiße in der Region um Leipzig. 2006 gab es einen ersten Erfolg: Der geplante Neubau der Staatsstraße S 46 durch die Weinteichsenke wurde verhindert. Doch seit geraumer Zeit scheint ein Flächennutzungsplan zur neuen Gefahr zu werden.

Es geht um mögliche neue Baugebiete für Eigenheime an der Rilkestraße, was sich nicht nur aus Sicht der Bürgerinitiative in keiner Weise mit dem schützenswerten Biotop vereinbaren lässt. Seit Jahren fordert auch der Ökolöwe Leipzig, die Weinteichsenke unter Naturschutz zu stellen. Doch Stadt und Landkreis tun sich schwer damit. Während die Bürgerinitiative ausweichende Antworten aus dem Landratsamt bekommt, diskutiert der Stadtrat weiter über die Flächennutzungspläne für dieses Gebiet von Markkleeberg. Und öffentlich werden die erst, wenn sie quasi beschlussreif sind.Das kann Bürger wirklich in Panik versetzten.

Den jüngsten Schub an Entsetzen hat ein LVZ-Beitrag ausgelöst, worauf sich die Bürgerinitiative per Brief an Markkleebergs OBM Karsten Schütze wandte: „Die Leipziger Volkszeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 09.12.2020 darüber, dass das Landratsamt als untere Naturschutzbehörde die Unterschutzstellung der Weinteichsenke als Landschaftsschutzgebiet derzeit ablehne. Gleichwohl prüfen sowohl die untere Naturschutzbehörde als auch die Stadt Markkleeberg weiterhin eingehend für die Weinteichsenke geeignete Schutzkonzepte und Einzelmaßnahmen. Wörtlich heißt es in dem Artikel: ,Das Ergebnis der Prüfungen durch die Untere Naturschutzbehörde, die unter anderem den Weinteichgraben zwischen Bornaischer Straße und Wachauer Wäldchen auf einer Länge von rund drei Kilometern unter die Lupe genommen hat, wurde dem Stadtrat nach einem gemeinsamen Erörterungstermin in einer nicht-öffentlichen Sitzung vorgestellt.‘“

Das bestätigte Karsten Schütze auch in seiner Antwort an die Bürgerinitiative: „Die Arbeitsberatung zum Arbeitsstand des Flächennutzungs- und Landschaftsplanes mit Stadträten, Ortschaftsräten und sachkundigen Einwohnern diente wie die Arbeit in den Ausschüssen der Entlastung des Gemeinderats, weil in diesen Gremien die für die Beschlussfassungen erforderlichen fachlichen Diskussionen geführt werden können und zudem durch die den Ausschüssen übertragene Beschlusskompetenz eine Konzentration der im Rat zu behandelnden und zu beschließenden Vorlagen auf steuerungsrelevante Sachverhalte ermöglicht wird (PdK Sa B-1, SächsGemO § 41 Nr. 1). Um die Arbeitsweise im Landschaftsplan den Stadträten deutlich zu machen, wurde als Beispiel auf die zukünftige Entwicklung des Weinteichgrabens eingegangen. Durch die Einbeziehung aller Stadträte, Ortschaftsräte und der sachkundigen Einwohner wird einem breiten Feld die Möglichkeit gegeben, sich in einem sehr frühen Stadium einzubringen.“

Die AG arbeite aber wie ein Stadtratsausschuss, so Schütze, also nichtöffentlich.

Was die Stimmung in der Bürgerinitiative nicht bessert, denn das Landratsamt hatte gleichzeitig bestätigt, dass es „naturschutzfachliche Maßnahmen“ zur „Verbesserung und Erhaltung der Weinteichaue“ vorgeschlagen hat, die von der Stadtverwaltung Markkleeberg nun in den Flächennutzungsplan eingearbeitet werden. Damit soll die Aue „naturschutzfachlich aufgewertet“ werden. Und initiiert wurde das im Grunde durch den Antrag des Ökolöwen von 2018, die Weinteichsenke unter Schutz zu stellen. Und zwar in Gänze. Aber die Antwort des Landratsamtes ist gespickt mit Verweisen darauf, dass so eine Unterschutzstellung ganz allein eine hoheitliche Aufgabe ist und die Behörde allein entscheidet, wann sie so etwas macht.

Den Wunsch der Bürgerinitiative zur Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes habe man quasi gnädig zur Kenntnis genommen.

Und sowohl Landratsamt als auch Stadtverwaltung betonen, dass eine wie auch immer geartete Beteiligung der Öffentlichkeit jetzt in der Corona-Zeit leider nicht möglich sei.

Was die Bürgerinitiative jetzt erst recht auf die Palme bringt und eine Pressemitteilung formulieren lässt, die mit dieser Ankündigung endet: „Die mangelnde Bereitschaft des Landratsamts zu offener und transparenter Kommunikation der Planungen für die Weinteichsenke und der Ausschluss der Öffentlichkeit durch den Markkleeberger Stadtrat sind unerträglich. Sind hier wieder einmal (überholtes) kommunales Wachstumsdenken und (zeitlose) private Profitgier ein unheilvolles Bündnis zulasten von Natur und Landschaft eingegangen? Will der Oberbürgermeister eine um jeden Preis wachsende Stadt; will der Eigentümer statt Ackerland endlich Bauland, das er zu Geld machen kann? Soll diesem Bündnis bloß niemand in die Suppe spucken? Soll der Bürger von solchen Plänen deshalb erst dann erfahren, wenn die Suppe gargekocht – und mit Petersilie recht hübsch grün garniert – ist? Diese Fragen drängen sich förmlich auf. Sie zu stellen, ist das gute Recht der interessierten Öffentlichkeit – und nicht zuletzt der Presse, die an der Stadtratssitzung mangels Öffentlichkeit ebenfalls nicht teilnehmen konnte. Die Bürgerinitiative behält sich vor, die Kommunalaufsicht über den Vorgang zu informieren.“

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