Am Dienstag, 15. Mai, stellte die Thüringer Untersuchungskommission unter Führung des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer in Erfurt ihren Abschlussbericht zur Arbeit der thüringischen Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit dem Jenaer Terror-Trio vor, das dann im sächsischen Zwickau unbehelligt untertauchen konnte. Und der Bericht wirft kein gutes Licht auf den Aufklärungswillen der sächsischen Behörden.

Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, hat sich das “Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des ?Zwickauer Trios?” genau auf diese sächsischen Zuarbeiten hin angeschaut und ist nicht einmal überrascht, dass die Sachsen auch weiterhin mauern und vertuschen.

“Es kann eigentlich kaum überraschen, dass der am Dienstag vorgelegte Bericht auch für Sachsen Relevanz hat. Zudem offenbart bereits eine erste Lektüre eine Reihe von Darstellungen, die nur als brisant bezeichnet werden können”, stellt sie fest. “Wenn dort festgestellt wird, dass “zu vermuten ist, dass die aus Sachsen übersandten Unterlagen unvollständig sind” (S.24) und das, was tatsächlich zugearbeitet wurde, teilweise geschwärzt war und mit erheblichem Zeitverzug übermittelt wurde, spricht dies nicht für den von Innenminister Ulbig behaupteten Aufklärungswillen. Vielmehr verstärkt sich mein Eindruck, dass das Innenministerium verschleiert, verharmlost, vertuscht.”

So heiße es im Bericht zum Beispiel, bei einer gerichtlich angeordneten Telefonüberwachung des führenden sächsischen “Blood & Honour”-Mitglieds Jan. W. hätten sich Hinweise auf Waffen ergeben und es sei festgestellt worden, dass W. offenbar regen Telefonkontakt zu einem Handy hatte, “das für das Ministerium des Innern eines anderen Bundeslandes registriert war und sich in Chemnitz befand” (S.98). Das Brisante daran: Der Besitzer dieses Handys hatte offenbar die Beschaffung von Waffen zugesagt. “So deute ich jedenfalls das abgedruckte Abhörprotokoll, das den Inhalt einer SMS von W. an dieses Diensthandy vom 25. August 1998 zitiert”, sagt Köditz.

Die entsprechende Passage im Abhör-Protokoll: “Hallo, was ist mit den Bums”.

“Zwar wäre es denkbar, dass es sich bei dem Empfänger der SMS um den enttarnten brandenburgischen V-Mann des Geheimdienstes und ‘Blood & Honour’-Aktivisten Carsten S. gehandelt hat, der sich zu jener Zeit in Sachsen aufhielt, doch spricht dagegen, dass Jan W. der Gegenseite in einer anderen SMS etwas über den Inhalt von ‘U.S.#10’ (S.99) mitteilt”, so Köditz. “Gemeint ist die Ausgabe Nr. 10 des neonazistischen Skinzines ‘United Skins’. Da Carsten S. selbst Herausgeber dieser Szenezeitschrift war, dürfte auszuschließen sein, dass Jan W. ihm etwas über dessen Inhalt mitteilen wollte. Somit drängt sich mir der Verdacht auf, dass das sächsische Innenministerium sehr zeitnah nicht nur über die Waffensuche hiesiger Neonazis informiert war, sondern dass ein V-Mann des Geheimdienstes oder gar ein Beamter des Innenministeriums die Beschaffung von Waffen zugesagt hatte.”

Selbst das Wenige also, was Sachsens Behörden den Thüringern jetzt zur Verfügung stellten, lässt also ahnen, dass auch die sächsischen Ermittler mehr über das Umfeld der Terrorzelle wussten, als sie bislang zugegeben haben.

“Neue Unstimmigkeiten ergeben sich auch bei Observationsmaßnahmen der Polizei in der Chemnitzer Bernhardstraße im September 2000”, merkt Köditz noch an. “Ich erwarte von Ulbig für die Sitzung des Innenausschusses am 29. Mai umfassende Stellungnahme zum ‘Schäfer-Gutachten’. Dessen Herbeiziehung als Beweismittel im Untersuchungsausschuss haben wir bereits beantragt.”

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