Wahrscheinlich wird Markus Ulbig seinen Ministerjob irgendwann in der nächsten Zeit freiwillig abgeben. Es ballen sich zu viele unbewältigte Themen in seinem Ressort als Innenminister. Egal, ob es der (nicht existente) soziale Wohnungsbau, der Umgang mit der Asylbewerberthematik oder die völlig missglückte "Polizeireform" ist. Immer öfter wollen die Abgeordneten des Landtags klare Antworten - die er nicht geben will.

Seit 2012, seit seine “Polizeireform 2020” in die Praxis umgesetzt wird, versucht er den Fragen der Abgeordneten auszuweichen, versteckt sich hinter Geheimnisschutz und Regierungsautonomie. Mittlerweile sind mehrere Abgeordnete schon vor Gericht gezogen und haben von den Verwaltungsrichtern klare Auskunft bekommen: Der Minister muss antworten und kann nicht jedes Mal in Eigenregie bestimmen, wozu er Auskunft geben will und wozu nicht.

Und es sieht ganz so aus, dass er demnächst den nächsten Richterspruch zu hören bekommt. Am 27. Juli hatte er dem Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Volkmar Zschocke, schon eine recht dünne Auskunft gegeben. Der hatte – ein Jahr, nachdem Markus Ulbig vollmundig seinen “10-Punkte-Plan der Staatsregierung zur Bekämpfung der Droge Crystal” verkündet hatte, nachgefragt, was nun draus geworden war. Dass sächsische Minister ständig irgendwelche Pläne ankündigen, ist man ja gewohnt. Aber nach einem Jahr sollte doch der verantwortliche Minister eigentlich Auskunft geben können, ob die zehn Punkte nun tatsächlich alle mit Geld, Ressourcen und Personal untersetzt wurden, welche Aktivitäten man gestartet hat und welche Ergebnisse es gab.

Dünne Antworten

Aber die Antwort war dünn. So dünn, dass Zschocke gleich neue Anfragen formulierte, in denen er genauer anfragte. Denn Ulbigs erste Antwort hatte darauf hingedeutet, dass die zur Aufklärung der Rauschgiftkriminalität in Sachsen verfügbaren Polizeikräfte keineswegs aufgestockt worden waren, sondern eher – die gesamte Polizei – mit Unterbesetzung arbeiten.

Die Antwort auf Zschockes Nachfrage zur Ausstattung der sächsischen Rauschgift-Bekämpfer, die Ulbig am 25. August herausgab, war eine saftige Abfuhr. Selten sind Regierungsantworten an Abgeordnete derart gespickt mit Begründungen, warum die Fragen nicht beantwortet werden.

Das einzige, was Zschocke erfuhr: “Die sächsische Polizei verfügt im Hinblick auf die Fragestellungen über eine den Anforderungen entsprechende Ausstattung. Flexible Anpassungen bei veränderten Bedarfslagen sind grundsätzlich im Rahmen des Doppelhaushalts 2015/16 möglich. Über die veranschlagten Haushaltsmittel hinausgehender Investitionsbedarf wird nach Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen mit außer- bzw. überplanmäßigen Haushaltsmitteln gedeckt.”

Das könnte heißen, dass Sachsens Polizei die nötigen technischen Geräte – zum Beispiel auch die, nach denen Zschocke gefragt hat – alle besitzt. Ein wenig kann man nachvollziehen, dass Ulbig so detailliert nicht öffentlich Auskunft geben möchte: “Eine Preisgabe dieser schutzbedürftigen Informationen würde sich auf die staatliche Aufgabenwahrnehmung im Gefahrenabwehrbereich und in der Strafverfolgung außerordentlich nachteilig auswirken. Kriminellen würde dies ermöglichen, polizeiliches Vorgehen zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität einzuschätzen und ihre kriminellen Strategien und Taktiken hieran auszurichten. Hierdurch würden die polizeilichen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität erheblich eingeschränkt oder sogar neutralisiert werden. Entsprechende Straftaten könnten dann nicht mehr wirkungsvoll bekämpft und aufgeklärt werden.”

Investitionsbedarf zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität

Aber das alles kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Zschockes erste Frage auch nicht beantwortet hat, denn die würde zumindest ein paar Aussagen ergeben, mit denen die Abgeordneten des Landtages einschätzen können, ob das Innenministerium die Polizei tatsächlich gut ausgestattet hat für die Rauschgiftbekämpfung oder ob es zusätzlichen Investitionsbedarf gibt, den ja nun einmal der Landtag bewilligen muss. Zschockes Frage lautete: “Wie hoch ist der materielle Investitionsbedarf im Bereich der Bekämpfung von Rauschgiftkriminalität in Sachsen insgesamt?”

Antwort: keine. Ein Minister, der so jede Auskunft verweigert, macht sich bei den Landtagsabgeordneten nicht wirklich beliebt.

Aber Zschocke hatte ja auch noch eine Extra-Anfrage zum Personal gestellt. Hat Sachsen nun im Gefolge des “10-Punkte-Plans” mehr Polizisten für die Rauschgiftermittlungen eingesetzt? Was ist aus der im Jahr 2013 mit ebenso viel Tamtam gegründeten SOKO “Crystal” geworden?

Aber auch bei diesem Fragepaket erlebt er, dass der Innenminister gar keine Zahlen herausgeben möchte, auch nicht zur Ausstattung der SOKO “Crystal”. Die unterstünde dem Bund, das Land sei dazu nicht auskunftsberechtigt.

Aber zumindest hätte man erwarten können, dass die speziell für die Rauschgiftermittlungen zuständigen Abteilungen 2014 personell aufgestockt worden sind. Dafür zuständig sind die Kommissariate 22 in der Polizeidirektion. Nicht ausschließlich. Aber die Ermittlungen zur Rauschgiftprävention sind hier gebündelt. Dazu kommen noch die Kommissariate 26 und 27 im Landeskriminalamt. Bestimmte Aufgaben übernehmen auch noch Fachdienste. Aber das sind eher technische Aufgaben, die im Bedarfsfall zur Verfügung gestellt werden: Fahnder, Techniker, Spezialisten des Erkennungsdienstes, Datenspezialisten.

Die Personalangaben zu den Fachdiensten Zentrale Aufgaben geben also keine Auskunft über eventuell verstärkte Polizeiarbeit in Sachen Drogenkriminalität.

Aufstockung der Kriminalbeamten?

Die der zuständigen Fachkommissariate schon. Und das Ergebnis? Gab es da nun im Gefolge des “10-Punkte-Plans” eine Aufstockung der Kriminalbeamten? – Pustekuchen. Nichts dergleichen. 2013 – nach der Neustrukturierung im Gefolge der “Polizeireform 2020” – waren die fünf Kommissariate mit der Nummer 22 in den fünf Polizeidirektionen mit einem Personalstock von 79,125 Stellen gestartet, im Jahr 2014 waren dann noch 75,5 volle Stellen besetzt und 2015 gab es wieder eine leichte Aufstockung auf 77,75.

Leipzig, schon traditionell als Hauptumschlagplatz für Drogen in Sachsen bekannt, hat dabei mit im Schnitt 25 Ermittlern im Kommissariat 22 die größte Personalbesetzung. Daran hat sich auch nichts geändert. Nur an anderer Stelle gab es eine spürbare Verschiebung: Das Görlitzer Kommissariat 22 wurde von 14 auf 9 Ermittler verkleinert, dafür wurde das Dresdner Kommissariat von 13 auf 22 aufgestockt und ist damit fast genauso groß wie das Leipziger.

An den Besetzungen der Kommissariate 26 und 27 im LKA hat sich gar nichts geändert, auch wenn dort das zentrale Analyseteam “Crystal” sitzt. Markus Ulbig: “Das Analyseteam ‘Crystal’ ist strukturmäßiger Bestandteil des LKA Sachsen. Die zentrale Auswertung aller Crystal bezogenen Informationen der sächsischen Polizei und ihrer Partner stellt eine Daueraufgabe dar.”

Besondere Ergebnisse aus dem Analyseverbund? – “Verbesserte Erkenntnislage”, sagt Ulbig. “Synergieeffekte.” Mehr nicht.

Was natürlich die Frage aufwirft: Warum verkündet die sächsische Staatsregierung erst vollmundig einen 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Crystal, um dann doch nicht über Ergebnisse berichten zu wollen? Warum macht man vorher erst so ein mediales Theater um die Modedroge und versetzt die Bürger in Aufruhr – wenn man dann doch nicht weiter aufrüsten will, um der Rauschgiftnetzwerke vielleicht doch noch Herr werden zu können?

Wenn Ulbig erklärt, die Polizei sei mit allem nötigen Gerät ausgestattet, um ihre Arbeit zu tun, wozu brauchte es da noch die 10-Punkte-Kraftmeierei?

Volkmar Zschocke jedenfalls dürfte mit den Auskünften nicht wirklich glücklich sein und sich einen Innenminister wünschen, der wesentlich transparenter zu agieren bereit ist.

Ausstattungsdefizite der sächsischen Polizei bei der Rauschgiftbekämpfung.

Nachfrage zur SOKO “Crystal”.

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