Augenscheinlich steckt der Fehler im System. Sächsische Verkehrsminister sind geradezu vernarrt in breite Straßen. Und der 2014 neu gekürte SPD-Verkehrsminister Martin Dulig macht genau da weiter, wo sein FDP-Amtsvorgänger Sven Morlok aufgehört hat. Straßenprojekte im Umfang von 2,1 Milliarden Euro hat er im Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Dafür fehlt ein wirklich dringendes Projekt.

Das Thema hat jetzt die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Katja Meier, beschäftigt. Sie ist über das jüngste Projekt gestolpert, das Sachsens Verkehrsminister für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet hat.

“Dem achtspurigen Ausbau der Bundesautobahn A4 zwischen dem Dreieck Dresden Nord und dem Dreieck Nossen, den Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) für den Bundesverkehrswegeplan nachgemeldet hat, liegt weder eine Verkehrsprognose zugrunde noch gibt es konkrete Vorplanungen”, offenbart nun die Kleine Anfrage, die Katja Meier dazu an die Staatsregierung stellte.

“Die Behauptung von Staatsminister Martin Dulig in der Antwort auf die Kleine Anfrage, dass ‘der Bund in seinem Bewertungsverfahren bauliche Alternativen prüft’ ist schlicht falsch”, stellt Meier fest. Vielmehr seien die Länder laut Bundesregierung verpflichtet, bei der Anmeldung von Straßenprojekten darzulegen, inwieweit eine intensive Auseinandersetzung mit “alternativen Lösungsmöglichkeiten” (Forderung aus dem Bundesverkehrswegeplan) erfolgt ist. “Offensichtlich hat die Staatsregierung versäumt, alternative Maßnahmen, wie die Freigabe des Standstreifens, die Begrenzung der Geschwindigkeit auf dem Streckenabschnitt und Maßnahmen zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene, zu prüfen.”

An dieser Stelle empfiehlt sich wieder der Taschenrechner. Denn schon vor Jahren hat der Bund sein Vorgehen im Bundesverkehrswegeplan drastisch geändert, denn in der schwarz-gelben Koalition in Berlin hatte man begriffen, dass die opulenten Neubaumaßnahmen von immer breiteren Bundesstraßen und Autobahnen oder von immer neuen Ortsumfahrten genau jene Investitionsmittel verschlingen, die nun schon deutlich beim Erhalt der schon gebauten Infrastruktur fehlen. Entsprechend wurden die Mittel umverteilt und die Beträge für Neubau drastisch reduziert. Tatsächlich stehen Sachsen jährlich im Schnitt nur noch 50 Millionen Euro aus dem Bundesverkehrswegeplan zu. Das hat Folgen.

“Mit den kalkulierten Kosten für den achtspurigen Ausbau, die sich laut einer zweiten Antwort von Minister Dulig auf 265,3 Millionen Euro belaufen, erhöht sich der Umfang der sächsischen Anmeldungen für Straßenprojekte für den Bundesverkehrswegeplan 2015 von 1,8 Milliarden Euro auf etwa 2,1 Milliarden Euro. Maßhalten bleibt in Sachsens Verkehrspolitik auch unter Minister Dulig leider ein Fremdwort”, kritisiert Katja Meier. “Dass die angemeldeten sowie die nachmeldeten Projekte einer Prüfung durch die Bundesregierung standhalten und in absehbarer Zeit auch verwirklicht werden, ist kaum realistisch. Hier werden den Bürgerinnen und Bürgern Straßenausbauten vorgegaukelt, die in absehbarer Zeit gar nicht umsetzbar sind. Schließlich stehen dem Freistaat aktuell jährlich nicht einmal 50 Millionen Euro vom Bund für Straßenneubauten innerhalb des Bundesverkehrswegeplans zur Verfügung.”

Martin Dulig hat es also fertig gebracht, ein Anmeldeprogramm für die nächsten 42 Jahre auf die Beine zu stellen mit Projekten, die zum Teil heftig umstritten sind. Wie die legendäre B87n von Leipzig nach Torgau, die im Regionalen Planungsverband Westsachsen längst ad acta gelegt wurde, weil sich die regionalen Akteure zwar einig sind, dass die Straße ertüchtigt werden muss, dass aber ein utopischer vierspuriger Ausbau bis zur Landesgrenze schlicht keinen Sinn macht. Tatsächlich blockiert genau dieser vierspurige Ausbauplan die Aufwertung der Straße. Und das wohl bis irgendwann ins Jahr 2030 oder 2040. Mittlerweile hat selbst die DEGES die Planungen eingestellt, weil an die Realisierung des Projektes in den nächsten Jahren nicht zu denken ist.

Bekanntlich war es Duligs Amtsvorgänger, der den Beschluss des Regionalen Planungsverbandes ignorierte und das Projekt wieder in den Bundesverkehrswegeplan hievte. Da steht es nun mit Summen, die es auf Jahre hinaus unfinanzierbar machen: Allein die geplante Ortsumfahrung für Torgau würde 76 Millionen Euro kosten, die drei Teilstücke der Bundesstraße vom Autobahnanschluss A14 in Leipzig bis zur brandenburgischen Landesgrenze würden zusammen noch einmal über 164 Millionen Euro kosten – in Summe 242 Millionen Euro.

Und da Sachsen mit “Vordringlichem Bedarf” angemeldet hat, blockiert dieses Straßenprojekt natürlich viele andere.

Ein Projekt aber sucht man vergeblich in der Liste: Das ist der Neubau der B2 im Bereich des Agra-Parks, obwohl hier gerade Handlungsdruck besteht – das Brückenbauwerk zeigt schon recht alarmierende Risse und muss in den nächsten Jahren unbedingt ersetzt werden, vorzugsweise durch eine Tunnelvariante, wie von den Anrainern gefordert.

Aber irgendwie scheint das sächsische Verkehrsministerium aus den alten Schleifen nicht herauszukommen. Man konzentriert sich nicht aufs Wesentliche, sucht keine Alternativen und tut so, als müsste man einfach nur genug Projekte anmelden, dann dreht irgendwo in Berlin einer den Geldhahn auf. Realistisch und umweltschonend ist diese Verkehrspolitik nicht. Da kann der Umweltminister noch so oft mahnen, die sächsischen Ackerflächen sollten geschont werden. Genau so eine Anmeldeliste zeigt, dass in der sächsischen Regierung jeder tut, was ihm beliebt und ein abgestimmtes und nachhaltiges Verkehrskonzept für den Freistaat überhaupt nicht existiert.

Antwort von Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier ‘Planungsstand, Kostenschätzung und Prognoseschätzung für die von Sachsen für den Bundesverkehrswegeplan BVWP 2015 angemeldeten Straßenbauprojekte’ (Drs 6/2957).

Antwort von Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Meier: ‘Achtstreifiger Ausbau der Bundesautobahn A4 zwischen dem Dreieck Dresden-Nord und dem Dreieck Nossen’ (Drs 6/3016) .

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