Eigentlich merken es alle, wie es kocht und brodelt im Land. Und damit ist nicht nur die Bundesrepublik gemeint, sondern auch Sachsen. Die Bürger möchten bei wichtigen Fragen wenigstens gefragt werden und eine reelle Chance haben, mitzubestimmen. Doch am Mittwoch, 17. August, lehnte die CDU/SPD-Regierungskoalition einen entsprechenden Antrag von Grünen und Linken ab: Es gibt nicht mehr Demokratie in Sachsen, basta.

Entsprechend sauer reagierten am Mittwoch die beiden Oppositionsfraktionen, die sich wirklich ein bisschen was gedacht hatten, als sie den Gesetzantrag im März 2015 ins Verfahren gaben. Denn dass Menschen draußen mit grimmiger Miene demonstrierten, hat ja auch einen Grund im schwelenden Gefühl, auf Landespolitik keinerlei Einfluss mehr zu haben. Selbst wenn man die Regierungsparteien gewählt hat, weil man mit ihrem Grundkurs irgendwie einverstanden ist, heißt das ja nicht, dass man alle Entscheidungen mittragen will. Manchmal sind Regierungsentscheidungen auch Bockmist.

Beispielhaft durchexerziert am Fall der von der damaligen CDU-Regierung gewollten Zusammenlegung der Sparkassen in Sachsen zu einem Sparkassenverbund. Eine engagierte Bürgerinitiative sammelte seinerzeit die vielen benötigten Unterschriften, es kam zum Volksentscheid und der Regierungsplan wurde deutlich abgelehnt.

Schon damals konterkarierte die Regierung Volkes Willen und beschloss einfach ein neues, etwas anders formuliertes Sparkassengesetz. Das Projekt ist zwischenzeitlich trotzdem in aller Stille verstorben.

Aber gelernt hat die Regierung nichts draus. Viel zu lange schon hat sie Politik im Kabinett gemacht und die Wähler nur als notwendige Schwungmasse aller vier Jahre betrachtet. Ansonsten herrschte man – gerade in Wirtschaftsfragen – höchst unbelehrt.

Und man will auf keinen Fall, dass die Sachsen überhaupt wieder echte Chancen haben, mit eigenen Initiativen in die große, herrliche Königspolitik hineinzufunken.

So jedenfalls empfanden es die Vertreter der Linken und der Grünen, als sie am Mittwoch, 17. August, die geballte Ablehnung für ihren Gesetzesantrag zu spüren bekamen.

„Die sogenannte Demokratieoffensive von Ministerpräsident und CDU/SPD-Koalition ist nur Geschwafel. Mit den bestehenden Quoren wird Sachsen seinem Verfassungsanspruch nicht gerecht: Das Volk hat einen Anspruch auf selbst gestaltete Gesetzgebung“, betont Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Die hohen Quoren sind für echte Volksabstimmungen im Grunde ein Verhinderungselement. Die Gesetzgeber in Deutschland haben hohe Mauern aufgebaut, die vor allem eines bezwecken: Dass Bürger überhaupt eine Chance sehen, mit einem von vielen tausend Unterschriften getragenen Anliegen zu einer Volksabstimmung zu kommen.

Klaus Bartl: „Eine Beschränkung auf ein bisschen Mitberatung geht nicht. Unter Landtagspräsident Iltgen war der Landtag schon mal weiter – damals schien Bewegung hin zu mehr direkter Demokratie möglich zu sein. Nun legt die CDU mit Unterstützung der SPD nach der Gesetzesinitiative von Linken und Grünen eine Vollbremsung hin. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern zum Schaden des Ansehens des Sächsischen Landtags. Klar ist damit aber auch: Solange die CDU mit Hilfe anschmiegsamer Koalitionspartner Sachsen dominiert, bleibt die Demokratie auf Sparflamme.“

Der Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen (Parlaments-Drucksache 6/1088) wurde am Mittwoch, 17. August, durch die Abgeordneten der CDU/SPD-Koalition bei der Beratung im Verfassungs- und Rechtsausschuss des Sächsischen Landtags abgelehnt. Ziel der Gesetzesinitiative ist es, die Hürden für die Volksgesetzgebung in Sachsen zu senken.

Unter anderem hatte die Gesetzesänderung zum Ziel, die Artikel 71 und 72 in der Sächsischen Verfassung zu ändern. So sollte die Zahl der benötigten Unterschriften für einen Volksantrag von 40.000 auf 35.000 gesenkt werden. Was noch der leichteste Teil der Übung war. Denn am Ende stimmt ja wieder das Parlament über den Volksantrag ab, es gelten also wieder die dort üblichen Mehrheiten.

Viel wesentlicher aber war der Änderungsantrag zum Volksbegehren. Dafür sollten nicht mehr 450.000 Unterschriften nötig sein – eine Hürde, die kaum eine Initiative aus eigener Kraft zu stemmen in der Lage ist. Grüne und Linke hatten eine Absenkung auf 175.000 gültige Unterschriften vorgeschlagen. Auch das ist noch eine gigantische Leistung. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man nur 5 Prozent der Wahlberechtigten mit einer in der Regel ohne Geldgeber gestarteten Initiative erreichen muss, oder 13 Prozent, wie es die Sächsische Verfassung jetzt fordert.

„Der deutliche Wunsch nach mehr Demokratie in der Bevölkerung wird von der CDU/SPD-Koalition offensichtlich nicht gehört. Statt Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten der Beteiligung zu geben und damit eine bessere Rückkopplung an die Politik zu ermöglichen, wird hier weiterhin die Arbeit mit Scheuklappen bevorzugt“, kommentiert das Katja Meier, demokratie- und rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Unser vorgelegter Gesetzentwurf will die viel zu hohen Quoren für Volksentscheide senken. So wären Begehren realistischer und die Motivation für eine Beteiligung höher. An Bürgerinnen und Bürgern ergeht die Botschaft, dass ihre Beteiligung ernst genommen wird und erwünscht ist.” – „Diese Chance haben die Abgeordneten der Fraktionen der CDU und SPD bei Ablehnung des Gesetzentwurfs im heutigen Ausschuss verpasst. Sie sind aber aufgerufen, bei der Schlussabstimmung im Plenum am 31. August für unseren Gesetzentwurf zu stimmen.“

Sachsen ist bei Volksentscheiden längst wieder unter jene Bundesländer zurückgefallen, in denen die Bürger gar nicht die Kraft finden, die viel zu hohen Quoren zu schaffen. Der Sparkassenentscheid vor 15 Jahren war der letzte, der es zur Umsetzung schaffte.

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