Brauchen wir das oder ist das überflüssig? Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) war da schnell fertig mit seiner Meinungsbildung, als er den Antrag der Grünen-Fraktion "Fachliche und finanzielle Unterstützung sächsischer Kommunen bei der Aufstellung kommunaler Wärmenutzungspläne" auf den Tisch bekam. Brauchen wir nicht, ist sein Fazit. Die Anhörung zum Antrag ist freilich erst am Dienstag, 2. Mai, 10 Uhr, im Sächsischen Landtag.

“Mit dem Antrag ‘Fachliche und finanzielle Unterstützung sächsischer Kommunen bei der Aufstellung kommunaler Wärmenutzungspläne’ sollen insbesondere mittlere und kleinere Kommunen in die Lage versetzt werden, eine strategische Wärmeplanung durchzuführen. Diese haben meist geringe personelle Ressourcen, weshalb die staatliche Energieagentur SAENA ihren Sachverstand bereitstellen soll”, begründen die Grünen ihren Antrag.

Solche Wärmenutzungspläne sucht man bislang vergebens. Leipzig baut zwar mit enormem Mitteleinsatz seine Fernwärmenetze aus. Aber ein Großteil der Fernwärme kommt nach wie vor aus dem Kraftwerk Lippendorf. Was als Zweitnutzung der dort erzeugten Energie ganz sinnvoll ist. Aber tatsächlich verhagelt es die Leipziger CO2-Bilanz. Und zwar gleich doppelt. Denn da die Fernwärme aus Braunkohleverbrennung stammt, ist sie keineswegs klimaneutral, sondern eigentlich nach wie vor umweltschädlich. Wenn Leipzigs Häuser künftig mit Fernwärme beheizt werden sollen, dann muss sie anders erzeugt werden. Eigentlich sogar komplett klimaneutral. Aber dafür gibt es nicht mal eine Idee.

Hintergrund für den Grünen-Vorstoß ist: Die Bundesregierung möchte bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand. Das heißt, es muss vor allem ohne CO2-Emissionen geheizt, geduscht und gekühlt werden. Es sei deshalb dringend notwendig, den zukünftigen Wärmebedarf, Bevölkerungsentwicklung und Fernwärmestrukturen sowohl für einzelne Stadtviertel als auch die gesamte Stadt zusammen zu betrachten.

Denn erst wenn man weiß, wie man so ein System klimaneutral beheizt, kann man auch die nötigen Strukturen bauen.

Es braucht also einen Plan.

Braucht es nicht, findet Thomas Schmidt, der sich bei den Grünen immer beliebter macht, wenn es um Umweltfragen geht. Die Sächsische Energieagentur (SAENA) würde auch dieses Thema finanzieren, meint er: “Von diesem Rahmen ist grundsätzlich auch das Thema kommunale Wärmenutzungspläne umfasst. Dienstleistungen, die – beispielsweise durch Ingenieurbüros oder Energieberater – auf dem freien Markt angeboten werden, sind hingegen nicht Aufgabe der SAENA .”

Aber über die 2014 beschlossene “Förderrichtlinie Klimaschutz” könnten eben “auch Konzepte zur integrierten Wärmenutzung in Kommunen durch einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von bis zu 50 Prozent gefördert werden”, erklärt Schmidt nach Rücksprache bei der SAENA.

Wobei “integrierte Wärmenutzung” ja noch nicht unbedingt auch Wärmenutzungsplan bedeuten muss.

Dass es da eine mögliche Lücke geben kann, wird auch deutlich, wenn die Grünen die “Aufstellung kommunaler Wärmenutzungspläne als Voraussetzung für die Auszahlung von Fördermitteln an Kommunen und kommunale Unternehmen für Wärmenetze, zentrale Wärmespeicher und Wärmeerzeugungsanlagen in die Förderrichtlinien des Freistaates” fordern.

Was dann Thomas Schmidt auch so einzeln liest, wie es da steht: “Für die Förderung von kommunalen Wärmenetzen, Wärmespeichern und Wärmeerzeugungsanlagen sind im Freistaat Sachsen die Förderrichtlinie Klimaschutz RL Klima/2014 sowie, beim Einsatz erneuerbarer Energien, die Richtlinie Zukunftsfähige Energieversorgung – RL Energie/2O14 des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) einschlägig. Ziel dieser Richtlinien ist die Senkung der CO2-Emissionen. Für die Bewilligung sind daher ausschließlich Anforderungen an die Steigerung der Energieeffizienz beziehungsweise an die Nutzung erneuerbarer Energien ausschlaggebend. Die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen wird im Rahmen der fachlichen Stellungnahme durch die SAENA bewertet. Zusätzliche Einschränkungen werden daher nicht als sinnvoll erachtet.”

Er hat also den Grünen-Antrag, ein zusätzliches, alles umfassendes Planungsinstrument zu entwickeln, gleich mal als Einschränkung gelesen. Und damit eigentlich gezeigt, dass er ein Mann der ganz alten Schule ist. Einer, der sich freut wie ein Schneekönig, wenn er hier eine effizientere Anlage, dort eine Einsparung und an anderer Stelle eine neue Maschine feiern kann. Das also, was derzeit tatsächlich passiert: Jeder beantragt, was ihm gerade als mögliches Instrument zur Energie- und CO2-Einsparung einfällt.

Und dann wundern sich alle, dass tatsächlich überhaupt keine signifikante Änderung bei Brennstoffen und Energieverbrauch passiert. Auch durch die horrend teuren Isolierungen bei Neubauten nicht. Die deutsche Politik fördert lauter effekthaschende Maßnahmen, aber wenn es um eine Planung des Komplettumbaus einer Wärmelandschaft geht, dann redet sich der Umweltminister mit Verweis aufs Kleingemüse heraus.

Vielleicht müssen Städte wie Leipzig tatsächlich erst einen richtigen Antrag an die SAENA schreiben, um sich ein solches Ausstiegszenario aus Kohle, Erdöl und Erdgas finanzieren zu lassen, und dann sehen, ob sie ihn tatsächlich mit EFRE-Geldern gefördert bekommen. Versuch macht klug. Denn auch Leipzig hat noch kein Szenario zum Ausstieg aus der fossilen Wärmeerzeugung. Man hat das zwar irgendwie – auch im Rahmen von Smart-City – an die stadteigenen Stadtwerke delegiert. Aber siehe oben: Wie muss man die Wärmeversorgung einer großen Stadt so umbauen, dass die Wärmeerzeugung 2050 keine einzige Tonne CO2 mehr produziert?

Dass man die Versorgung mit Fernwärme und Strom aus Lippendorf beenden muss, ist erst Teil 1 der Aufgabe. Man braucht Speicher, man braucht alternative Erzeugeranlagen, man braucht eine intelligente Steuerung … und erst wenn man den kompletten Wärmebedarf der Zukunft in einem machbaren Modell dargestellt hat, kann man eigentlich darangehen, die Umsetzung mit Förderanträgen für “Wärmenetze, Wärmespeicher und Wärmeerzeugungsanlagen” zu untersetzen.

Um das Ganze in der Anhörung zu erläutern, haben die Grünen Wolfgang Schulz vom Fraunhofer IFAM Bremen als Sachverständigen eingeladen. Da kann man gespannt sein, ob das Ganze – wie so oft – ausgeht wie ein Kaffeekränzchen, oder ob sich am Ende die Staatsregierung auch für ein Thema wie “kommunale Wärmenutzungspläne” erwärmen kann.

Antrag der Grünen-Fraktion “Fachliche und finanzielle Unterstützung sächsischer Kommunen bei der Aufstellung kommunaler Wärmenutzungspläne’ (Drs 6/4473).

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