Es ist erstaunlich – nicht nur Andreas Beerlage berichtet davon – dass die zuständigen Umweltminister der Länder immer wieder in hektische Betriebsamkeit verfallen, wenn es um Wölfe geht, die für Schlagzeilen sorgen. Dann scheinen alle Absprachen vergessen, wird nicht nachgefragt und ein bedrängter Minister entscheidet dann schnell mal für den Abschuss eines Wolfes. So wie Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt am 27. Oktober.

„Das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft hat heute zu der beabsichtigten artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung des Landratsamtes Bautzen zur Entnahme eines Wolfes das Einvernehmen erteilt. Mit dem Erlass dieser Ausnahmegenehmigung kann im Bereich des Rosenthaler Rudels ein Wolf aus der Natur entnommen werden“, meldete das Sächsische Umweltministerium am Freitag, 27. Oktober, um 17:01 Uhr.

Eine seltsame Zeit für so eine Meldung. Sollten die Kritiker eines solchen Vorgehens keine Chance mehr haben, sich zu Wort zu melden?

Und die Kritik kam postwendend, denn augenscheinlich hat sich das Umweltministerium die Regeln mal wieder nach eigenem Gusto zurechtgelegt. Das merkte schon Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, am Sonntag, 29. Oktober, an. Einige sächsische Landtagsabgeordnete arbeiten, wie man sieht, auch am Wochenende.

In diesem Fall fragte sich Günther, ob überhaupt alle Mittel ausgeschöpft wurden, nachdem ein Wolf mal wieder Schafe gerissen hatte.

„Grundsätzlich ist es gut, dass die Genehmigung nur für ein Tier erteilt worden ist und nicht für mehrere Wölfe, wie es im Antrag des Landkreises Bautzen ursprünglich gefordert worden war“, sagt Günther. „Dennoch steht die Frage im Raum, ob tatsächlich alle Möglichkeiten zur Vergrämung der problematischen Tiere ausgeschöpft worden sind?“

Und dann wird er sehr deutlich. Denn augenscheinlich hielt es der Umweltminister nicht mal für nötig, den am selben Tag tagenden Umweltausschuss des Landtags zu informieren.

Wolfram Günther: „In der letzten Sitzung des Umweltausschusses am vergangenen Freitag, 27. Oktober, hätte dies durchaus beantwortet werden können. So war der Antrag des Landkreises zwar thematisiert worden, doch hatte der zuständige Regierungsvertreter nicht deutlich gemacht, dass offenbar bereits eine Entscheidung gefallen war. Für mich ist die Genehmigung daher nicht nachvollziehbar.“

Aber man bekommt so ein eigenartiges Gefühl, dass hier wieder auf „Führungsebene“ gearbeitet wurde mit dem deutlichen Wunsch, die Abgeordneten des Landtages lieber außen vor zu lassen.

Und noch viel verärgerter war man beim NABU Sachsen, als man mitbekam, dass Umweltministerium und Landratsamt nicht mal für nötig gehalten hatten, die üblichen Rücksprachen zu nehmen.

Am Dienstag, 31. Oktober, kritisierte der NABU die Entscheidung als fachlich unbegründet sowie rechtlich nicht haltbar. Zudem liege keine fachliche Einschätzung der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) vor. In diesem von den Bundesländern selber geforderten Zentrum beurteilen die führenden Wolfsexperten Deutschlands unter anderem nötige Eingriffe in den Wolfsbestand.

Dem NABU, so teilt er mit, liegt auch eine Erläuterung des Ministeriums vor. Diese enthalte eine kurze Beschreibung der Situation und der Übergriffe, die für die Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Ein Überblick über die durchgeführten Herdenschutzmaßnahmen freilich fehlt ebenso wie eine Rechtsabwägung als Begründung für die Ausnahmegenehmigung nach § 45 Bundesnaturschutzgesetz. Nach dem Gesetz dürfen Tiere streng geschützter Arten wie der Wolf nur dann getötet werden, wenn zuvor alle zur Verfügung stehenden Alternativen ausgereizt wurden. Beim Herdenschutz zählen dazu vor allem Herdenschutzhunde, die als mobile 24-Stunden Wach- und Verteidigungshelfer Weidetiere vor Wölfen beschützen können. Diese sind nach Informationen des NABU im Rudel Rosenthal nicht eingesetzt worden.

Bernd Heinitz, Vorsitzender des NABU Sachsen, sagt dazu: „2009 hatte der damalige Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft diese Schutzhunde als ein wirksames Mittel zum Schutz bedrohter Schafe bezeichnet – warum werden sie jetzt in Rosenthal nicht eingesetzt?“

Und dazu kommt, so stellt der NABU fest, dass die gewählte Maßnahme einer zeitlich und räumlich eingeschränkten Jagd auf einen Wolf rechtlich anfechtbar sowie praktisch sinnlos ist.

„Nach der jetzt gefassten Entscheidung wird der erste Wolf, der sich scheinbar bedrohlich einer Weide annähert, sterben. Für die anderen Tiere des Rudels ergibt sich kein Zusammenhang zwischen der Annäherung an die Weide und der Tötung“, schildert der NABU das Grundproblem. „Hier gibt es keinen Lerneffekt. Überdies ist das einmalig beobachtete Annähern eines Wolfes an eine Weide kein Beleg dafür, ob das Tier in der Vergangenheit für die Übergriffe verantwortlich war. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht vor, dass vor der Tötung einer streng geschützten Tierart ein spezielles Individuum identifiziert wurde. Nur so kann sichergestellt werden, dass kein unschuldiges Tier getötet wird.“

NABU-Wolfsexperte Markus Bathen: „In Zeiten von genetischen Proben und Peilsendern als bewährte Mittel zur Überwachung von Wölfen mutet das Vorgehen Sachsens wie eine mittelalterliche Wolfsjagd an.“

Oder wie ein Rückfall in Zeiten, als Sachsens zuständiges Ministerium erstmals mit dem Auftreten von Wölfen konfrontiert war. Man vergisst, was man gelernt hat, und agiert wieder unter dem politisch geprägten Druck aus der Lausitz, wo es in der Vergangenheit schon zu mehreren – nicht genehmigten – Wolfstötungen kam.

Der NABU weist darauf hin, dass er die Entnahme eines Wolfes auch aus wirtschaftlichen Gründen als letzte Lösung grundsätzlich nicht ausschließe. Immerhin hatte auch das Umweltministerium auf den „Managementplan für den Wolf in Sachsen“ (Wolfsmanagementplan) verwiesen. „Dort sind erläuternde Fallbeispiele zum Wolfsverhalten, deren Ursachen und entsprechender Handlungsbedarf beschrieben. Die Behörden haben mit dem Managementplan eine Handlungsanleitung, unter anderem für den Fall, dass Wölfe aus der Natur entnommen werden müssen.“

NABU Landesvorsitzender Heinitz: „Der sächsische Managementplan beschreibt zu Recht eine solche Option. Dies kann allerdings nur auf Grundlage einer rechtlich und fachlich einwandfreien Begründung geschehen. Die können wir derzeit nicht erkennen.“

Aber selbst das Umweltministerium gibt eigentlich zu, dass es überhaupt keine fachliche Prüfung gab.

Denn man weiß nicht einmal, welcher Wolf eigentlich als „problematisch“ anzusehen ist. Das steckt in diesen Zeilen: „Ein oder mehrere Wölfe haben in den letzten Wochen offenbar gelernt, die empfohlenen und für die Schafhalter zumutbaren Schutzmaßnahmen (Elektrozaun und Flatterband) zu überwinden. Damit liegen die Voraussetzungen zur Entnahme eines Wolfes vor.“

Das Landratsamt hat bei diesem Befund einfach mal den Abschuss des ganzen Rudels bestellt, das Ministerium den Abschuss eines einzelnen Wolfes genehmigt. Aber welcher soll das sein?

Das sieht jetzt schon nach einem ziemlich wilden Schießen aus. Und den Unfug begründet das Ministerium dann auch noch so: „Um weitere große wirtschaftliche Schäden abzuwenden, ist die Entnahme trotz des grundsätzlich auch weiterhin bestehenden strengen Schutzes der Wölfe gerechtfertigt und geboten, da keine weiteren für die Tierhalter zumutbaren Alternativen zum Schutz der Nutztiere bestehen.“

Das ist schlicht Unfug. Das Thema Herdenhunde wurde angesprochen.

Und wie gesagt, die Frage steht völlig unbeantwortet im Raum: Welcher Wolf soll es sein?

Der erste, der sich dem Weidezaun nähert? Man hat nicht mal geprüft, ob es tatsächlich nur ein Wolf war, der den Zaun überwand – oder doch mehrere. Wölfe sind lernfähige Tiere. Geht das Schießen also beim nächsten Vorfall weiter?

Logisch, dass der NABU jetzt eine Klage prüft. „Grundsätzlich zeigt sich der NABU willens, auf gerichtlichem Weg eine Entscheidung mit zunächst aufschiebender und schließlich aufhebender Wirkung zu erwirken.“

Fortsetzung vom 3.11. Wolfsjagd in der Lausitz gestoppt: Eilantrag gegen Bautzner Abschussgenehmigung + Update

Wolfsjagd in der Lausitz gestoppt: Eilantrag gegen Bautzner Abschussgenehmigung + Update

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