Während in Bautzen derzeit die BILD zum fröhlichen Halali bläst, bevorzugt zähnefletschende Wölfe und tote Schafe abbildet und sich Tierschützer über die oft unzureichenden Schutzmaßnahmen der Züchter vor Ort kundig gemacht haben, hat die Grüne Liga Sachsen gehandelt. Seit heute liegt dem Landratsamt Bautzen ein Widerspruch und am Verwaltungsgericht Dresden ein Eilantrag der Rechtsanwaltskanzlei Baumann Rechtsanwälte (Würzburg/Leipzig) zur erteilten Abschussgenehmigung vor. Der Mandant „Grüne Liga Sachsen e.V.“ verlangt damit die juristische Prüfung des Vorgangs. Bis zur Entscheidung muss die fröhliche Wolfshatz also erst einmal unterbrochen und eventuell bald ganz eingestellt werden.

Wie der Bautzner Landrat Michael Harig und Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt die ganze Sache mit der „letalen Entnahme“ eines nicht näher bestimmten Tieres aus dem „Rosenthaler Rudel“ juristische wasserdicht gemacht haben wollen, wird nun also von einem Gericht geprüft. Wenn dieses den Bescheid dazu vorliegen hat. Auf Nachfrage erklärt der klageführende Anwalt Andreas Lukas gegenüber L-IZ.de: „Noch am Mittwoch und am Donnerstag haben uns die Behörden die Aushändigung der Abschussgenehmigung und damit die genaue Begründung für die Erteilung verweigert. Ich habe so etwas noch nicht erlebt.“

Weshalb man nun „das erste Mal in der Geschichte der Kanzlei Baumann“ quasi ins Blaue hinein klagen müsse.

Nur ein weiteres Detail eines Vorgangs, an dessen Rechtmäßigkeit seit dem 27. Oktober 2017 die Zweifel Tag um Tag gewachsen sind. Denn mit jeder neuen Information wirkt das Tun der Behörden und der Schafszüchter vor Ort merkwürdiger. Im Zentrum des Widerspruchs der Grünen Liga steht derzeit vor allem die Frage, ob tatsächlich alle Mittel ausgeschöpft wurden, das Rudel von den betroffenen (Schafs)Herden fernzuhalten, also zu „vergrämen“ und ob die Schutzmaßnahmen ausreichend sind.

Juristische Mängel und fehlende Schutzmaßnahmen

Zudem zeigt das Schreiben von Umweltminister Thomas Schmidt (CDU), in welchem er den sächsischen Umweltverbänden die Abschussgenehmigung zu erklären versucht, einige juristische Mängel auf. So argumentierte er am 27. Oktober in der „Oder“-Variante, wenn es um die gesetzlich vorgegebenen Schutzmaßnahmen der Züchter vor Ort geht. Doch, so Rechtsanwalt Andreas Lukas, ein vom Wolf überwundener stromführender Schutzzaun allein reiche für eine Abschussgenehmigung nicht aus. Erst wenn dieser korrekt installiert, mit Strom und einem sogenannten Untergrabungsschutz versehen und Herdenschutzhunde eingesetzt wurden, um einen Wolfsriss zu verhindern, könne man eventuell ein genau definiertes Tier bejagen.

All das ist derzeit fraglich, angesichts der vom Wolfsschutz e.V. und anderen Naturschützern zusammengetragenen Belege vor Ort. Teils zu niedrige Zäune, welche nach ihren Angaben keinen Strom führen, fehlende Herdenschutzhunde, keine Untergrabungshemmnisse am Boden der Absperrungen – die Schutzvorrichtungen scheinen nicht den Parametern zu genügen, die der Freistaat selbst vorgibt. Hinzu kam in den vergangenen Stunden die Frage, welcher Wolf im Rudel genau gemeint ist, nach aktuellen Informationen soll die Jagd einfach auf das Tier eröffnet werden, welches sich einem Zaun nähert. Auch dies ist gegen jedes Naturschutzgesetz.

Minister im falschen Rechtsgebiet unterwegs?

Für die Anwälte der Grünen Liga ist auch das Zustandekommen der Sondergenehmigung fraglich. „Die Hintergründe, wie die Genehmigung zustande kam, sind nach wie vor unklar. So haben die Behörden beispielsweise unterschiedlich darüber Auskunft gegeben, ob es sich um eine Genehmigung nach Jagdrecht oder Naturschutzrecht handelt.“, schreibt die Kanzlei in einer Pressemitteilung.

Auf Nachfrage erläutert Rechtsanwalt Andreas Lukas, dass ein Abschuss nur naturschutzrechtlich, also unter den bereits genannten vorher durchzuführenden Schutzmaßnahmen, nicht jedoch mit dem Jagdrecht begründet werden könne. Genau dies habe aber Schmidt in seiner Auskunft an die Naturschutzverbände getan. Sollte dies die Grundlage für die noch unbekannte Schussfreigabe sein, sei dies dann schon in sich rechtsirrig, so der Anwalt. Noch auf Verdacht – der genaue Bescheid liegt schließlich trotz mehrmaliger Aufforderung noch immer nicht vor.

Ein weiterer Aspekt sei, dass es natürlich möglich sei, den Schafszüchtern zum Beispiel auch beim Fehlen eines ordentlichen Zaunes oder von Herdenschutzhunden die Schäden durch Wolfsrisse zu erstatten. Den Wolf dürfe man dennoch nicht bejagen, da erst alle Schutzmaßnahmen gemeinsam dazu vorher wirksam eingesetzt werden müssten. Interessanterweise ein Vorgehen, welches im ebenfalls von Wölfen besiedelten Brandenburg tadellos klappt. Hier gibt es in den vergangenen Jahren bei steigender Wolfspopulation keine Wolfsrisse mehr, seit die Züchter gemeinsam auf Herdenschutzhunde setzen.

Zudem steht die Frage im Raum, ob die rasche Abschussfreigabe Schule machen könnte.

Lukas Kollegin Franziska Heß (Fachanwältin für Verwaltungsrecht) von der Kanzlei Baumann sieht in der Abschussgenehmigung zudem einen Präzedenzfall von grundsätzlicher Bedeutung: „Die Naturschutzrichtlinien verlangen, dass sämtliche Alternativen vorab ausgeschöpft werden.“ Diesen Rechtsgrundsatz will die Kanzlei nun ebenfalls feststellen lassen.

Aufschiebende Wirkung

Um eine geordnete Klärung all der Fragen sicherzustellen, bevor die Schüsse im Lausitzer Forst dröhnen, liegt nun seit heute dem Landratsamt der Widerspruch zur Abschussgenehmigung vor. Gleichzeitig ist dem Verwaltungsgericht Dresden laut Kanzlei Baumann der Eilantrag zugegangen, die Akte soll heute 14 Uhr eintreffen. Das Gericht wird nun das Umweltministerium und das Landratsamt Bautzen zur Herausgabe der genauen Begründung für die „letale Entnahme“ eines nicht näher definierten Tieres des „Rosenthaler Rudels“ auffordern.

Beim Bautzner Landratsamt steht nun also die Frage, ob CDU-Landrat Michael Harig zumindest jetzt die Einsprüche der Naturschutzverbände wie NABU, Grüne Liga und Wolfsschutz Deutschland e. V. ernstnimmt und die Wolfsjagd umgehend einstellt. Denn, so Andreas Lukas, aufschiebende Wirkung hat der Widerspruch ans Landratsamt Bautzen nur, wenn dort nicht der „sofortige Vollzug“ des Abschusses angeordnet wurde – was der Fall sein dürfte. Doch den Eilantrag ans Verwaltungsgericht sollte Harig ernstnehmen – seine aufschiebende Wirkung bis zur Gerichtsentscheidung ist in jedem Fall gegeben, so könnten laut Rechtsanwalt Lukas „keine Fakten durch einen Abschuss geschaffen werden, bevor die Sach- und Rechtslage geklärt ist.“

Lässt Harig dennoch weiterschießen, würden sich die ersten Amtsvertreter bis hin zu ihm selbst sehr wahrscheinlich strafbar machen.

Verfahren dieser Art dauern normalerweise etwa zwei Wochen. Aufgrund der nicht vorgelegten Genehmigung seitens des Umweltministeriums nun wohl etwas länger. Die Frist der Schussfreigabe läuft am 30. November 2017 aus. Womöglich also noch vor der abschließenden Klärung, welche auch am Oberverwaltungsgericht enden könnte. Am Ort des Geschehens also – es steht in Bautzen.

Update 03. 11. 2017, 17 Uhr: Auf nochmalige Nachfrage bei der Rechtsanwaltskanzlei Baumann am späten Nachmittag teilte Rechtsanwalt Andreas Lukas mit, dass das Landratsamt Bautzen den Eingang des Widerspruches bestätigt habe. „Man hat uns mitgeteilt, dass man die Abschussgenehmigung nun zurückgezogen hat und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes abwarten wird.“

Dieses wird nun erst einmal alle Unterlagen seitens der Behörden sichten und in wohl frühestens zwei Wochen eine Entscheidung treffen. Derzeit bleiben also die Wölfe des „Rosenthaler Rudels“ unbehelligt. Das Landratsamt äußerte sich bislang noch nicht zum Vorgang gegenüber L-IZ.de, das Umweltministerium Sachsen versprach bereits gestern eine Beantwortung unserer Fragen in der kommenden Woche.

Wolfsschutz Deutschland e. V. attestiert Landrat und Umweltministerium Inkompetenz in Sachen Wolf

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