Manchmal ist das Leben eine Verständnis- und Rechtsfrage und dann sollte man wohl auch einfach nachfragen. So wie bei der derzeit in Leipzig geltenden Haushaltssperre für öffentliche Ausgaben der Kommune. Getan haben es die Grünen am 16. Mai in der Ratsversammlung und weitere Nachfragen an einen sichtlich um Erklärungen bemühten Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) gab es anschließend aus allen Ecken des Saales. Immerhin ging es aufgrund einer Haushaltssperre um nichts anderes als die Finanzierungen von Schulbauten, Kitas, Personal und somit große Teile des öffentlichen Lebens in Leipzig.

Es war für viele eine Überraschung, als Finanzbürgermeister Torsten Bonew am 27. April 2018 trotz steigender Steuereinnahmen der Stadt Leipzig eine Haushaltssperre verhängte und ausführte: „Insbesondere hinsichtlich der Liquidität, also der tatsächlich verfügbaren Finanzmittel, sehe ich keinerlei Spielräume mehr. Daran ändern auch Überschüsse im Ergebnishaushalt nichts, das ist die Krux der kommunalen Doppik. Jetzt kommt es darauf an, die Erfüllung unserer gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten und bei den Investitionen streng zu priorisieren. Viele andere Projekte mögen wünschenswert sein, aber aktuell sind sie nicht finanzierbar.“

Mit anderen Worten – es geht um Zeit: Ein Unternehmen soll eine Schule oder eine Kita für die Stadt Leipzig bauen und das geschieht gleich mehrfach. Geld wollen die Bauunternehmen irgendwie auch verdienen und stellen natürlich zeitnah Rechnungen. Auch das Stadtpersonal kann kaum Monat um Monat auf Gehälter warten – für einen Unternehmer kein Problem: Er vereinbart bei guter Finanzlage halt einen Kreditrahmen mit seinem Geldinstitut und puffert so die Schwankungen zwischen Aufträgen, Rechnungen und laufenden Kosten.

Und die Schwankungen werden enger, wie die Grünen in der Anfrage feststellen, denn eigentlich war doch alles geklärt? “Angesichts des erst vor drei Monaten verabschiedeten Nachtragshaushalts der Stadt, in dem man bereits hätte gegensteuern können, kommt dieser Schritt für viele überraschend.”

Warum sich dann dennoch eine Stadt nicht wie ein (eigentlich solventes) Unternehmen verhalten kann, ergibt sich daraus, dass man keine Kredite frühzeitig aufnehmen darf. Erst einmal muss man die eigenen Finanzen verbraten – kein Unternehmen würde so handeln (müssen), eine Stadtverwaltung schon.

So möchte man in Sachsen und in anderen Bundesländern ebenfalls sicherstellen, dass bei den extrem regulierten Finanzspielräumen der Kommunen niemals eine Überschuldungssituation eintritt. Paradox bleibt dennoch, dass es Leipzig zunehmend finanziell besser geht, doch man dreht an einem “größeren Rad” als früher. Was eigentlich ein gewisses Kreditwesen erfordern müsste, da Kommunen wie auch Leipzig meist darauf warten müssen, ob auch Fördermittel von Bund und Land kommen, wenn man größere Projekte anpacken will.

Somit plant praktisch ein Finanzdezernent immer mit benötigten Eigenmitteln der Stadt, um weiteres Geld aquirieren zu können und bildet somit eine gesperrte Kasse. Denn die Schwankungen im Alltagsbetrieb kann man nicht immer puffern und Ergebnishaushalte sind noch keine verfügbaren liquiden Mittel am Tag X, wenn die Rechnungen fällig werden.

Ob dies jedoch angesichts dynamisch wachsender Städte so alles zukunftsfähig oder einfach nur bevormundend auch für Finanzdezernenten und den Stadtrat als Ganzes ist, konnte am 16. Mai nicht geklärt werden. Spätestens zum nächsten Haushaltsbeschluss Ende 2018/Anfang 2019 gilt die Sperre, so Bonew am Ende der Debatte. Oder eben kürzer, denn man schaut quasi nun ständig in den eigenen Kassenbestand im Abgleich mit den bereits verplanten Mitteln.

Das so wiederum Politik, also die Stadträte, kaum noch zeitlich schnell auf aktuelle Entwicklungen eingehen können, ist ein unangenehmer Nebeneffekt.

Ein anschauenswertes Erklärvideo ist jedenfalls herausgekommen. Darüber, wie kommunale Finanzen aktuell funktionieren, weil man auf Landes- und Bundesebene lieber abhängige als frei agierende Kommunen will. Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) assistierte Bonew bei den Fragen nach den ständigen, teils kurzfristigen Veränderungen im Stadthaushalt mit den EU-Zuwanderern in die Leipziger Schulklassen hinein. Zahlen hatte er noch keine, Sven Morlok (FDP) bestand auf eine Nachreichung.

Die Einstiegsfragen der Grünen im Stadtrat

1. Wie hoch ist das vorläufige Rechnungsergebnis für 2017 und warum wurde der Stadtrat bislang nicht darüber informiert?
2. Wie haben sich die Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer sowie die Schlüsselzuweisungen aus dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) im vergangenen Jahr im Vergleich zu den Erwartungen entwickelt?
3. Welche Veränderungen sind seit dem erst im Januar beschlossenen Nachtragshaushalt eingetreten und warum?
4. Inwiefern haben sich die Erwartungen beim Ergebnishaushalt seit dem Beschluss des Nachtragshaushaltes geändert und warum?
5. Welche genauen Gründe waren letztlich ausschlaggebend für die ausgesprochene Haushaltssperre?

Das Video aus der Fragestunde am 16. Mai 2018

Video der Debatte. Quelle: Livestream der Stadt Leipzig

Leipzig wird 2017 wohl sogar 57 Millionen Euro Plus gemacht haben

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