Das geplante neue sächsische Polizeigesetz ist eine Zumutung, nicht nur mit den Verschärfungen, die sich die sächsischen Innenminister beim bayerischen Polizeigesetz abgeschaut haben, das in Bayern genauso auf heftigen Gegenprotest stieß. Auch in den Formulierungen. Denn das Gefährlichste an Gesetzen sind die windelweichen Formulierungen, die bei Bedarf beliebig gegen die Bürger ausgelegt werden können. Doch genau dazu will Sachsens Innenminister nichts sagen.

Schon am 20. Juni lehnte Innenminister Roland Wöller (CDU) eine entsprechende Anfrage des linken Landtagsabgeordneten Enrico Stange einfach ab. Mit einer durchaus fadenscheinigen Begründung. Aber einige faule bürokratische Ausreden mehren sich mittlerweile auffällig bei Antworten aus den Staatsministerien. Mittlerweile die Regel ist das seitenlange Gestöhne über die viele Arbeit, die eine Beantwortung der Frage machen würde, so wie es Valentin Lippmann mit seiner Anfrage zu Funkzellenabfragen passiert ist.

Was eigentlich nur zwei Gründe haben könnte: Die Behörden wissen wirklich nicht, was sie alles abfragen und wie viele Bürger davon betroffen sind. Dann ist das geradezu fahrlässig und unverantwortlich und zeigt, was für ein Nonsens-Instrument die Funkzellen-Abfrage ist. Oder sie wissen es und wollen es nur nicht zugeben. Und da ist man dann bei dem seltsamen Staatsverständnis, das in der Sächsischen Regierung um sich gegriffen hat.

Und das sich leider auch im Polizeigesetz niederschlägt.

Der Innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Enrico Stange, hatte konkrete Auskunft von der Staatsregierung zu ihren Plänen für das neue Polizeigesetz begehrt. Dabei ging es ihm um die Definition wichtiger Rechtsbegriffe, die im Referentenentwurf verwendet werden. Leider eine ganze Menge. Die Besorgnis des Politikwissenschaftlers war also nur zu begründet. Denn wenn solche Begriffe erst einmal im Gesetz stehen, sind die Grauzonen, in denen Behörden dann agieren können, erst einmal manifest.

Und dass sie drinstehen, hat mit dem beinah unheimlichen Willen der Unions-Innenminister zu tun, schon polizeilich aktiv zu werden, bevor überhaupt etwas passiert ist. Es werden ganze Reihen von Verdachtsfällen geschaffen – jüngst erst wieder zu beobachten beim doppelten Abhörskandal im Fan-Umfeld der BSG Chemie Leipzig. Beide Male musste das Ermittlungsverfahren wegen völlig fehlender Grundlage eingestellt werden.

Aber viele Formulierungen im neuen Polizeigesetz deuten darauf hin, dass diese Verdachts-Mentalität regelrecht eingebaut werden soll in ein Gesetz, das künftig das Verhältnis der Polizei zum Bürger bestimmt.

Einige Formulierungen, die Enrico Stange sauer aufstießen: „Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten“, „deutlich erhöhte Kriminalitätsbelastung“, „gegenwärtige erhebliche Gefahr“, „in absehbarer Zeit“, „konkrete Wahrscheinlichkeit“, „in überschaubarer Zukunft“, „Besondere Waffen“, „Explosivmittel“.

Die Staatsregierung – in diesem Fall Innenminister Roland Wöller persönlich – lehnte es im Juni jedoch ab, seine entsprechende Kleine Anfrage zu beantworten.

Die Ausrede: „Die Anfrage genügt nicht den formalen Anforderungen des § 56 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des 6. Sächsischen Landtags (GO). Die Kleine Anfrage enthält mehr als fünf Einzelfragestellungen. Die Fragestellungen sind zwar in fünf mit Ziffern versehene Abschnitte gegliedert, diese enthalten jedoch in der Summe mehr als fünf Fragestellungen, da bereits unter der arabischen Ziffer 1 elf Fragstellungen (gekennzeichnet als a) bis k)) zusammengeführt wurden.“

Was machte Stange? Er packte jede einzelne Formulierung in eine einzelne Anfrage, was am Ende die eindrucksvolle Liste von 23 Einzelanfragen ergab. Aber auch das schmetterte die Staatsregierung diesmal aus formalen Gründen ab. Diesmal hat vertretungsweise Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange den bürokratischen Rückhandschlag unterschrieben.

„Die Staatsregierung ist gern bereit, den Medien ihr Vorhaben zu einem neuen Polizeigesetz zu erläutern und sie von dessen Notwendigkeit zu überzeugen. Dazu lädt sie Medienvertreter zur Pressekonferenz, händigt ihnen den Referentenentwurf nebst Einschätzungen und Erklärungen sowie Pressemitteilung aus. Der Innenminister nimmt in Interviews gern zu diesem Referentenentwurf Stellung, auch zu Kritiken“, kommentiert Enrico Stange diese schon ziemlich auffällige Abwehrpolitik.

„Dennoch verweigert die Staatsregierung und allen voran der Innenminister mir und damit dem gesamten Parlament nun wiederholt die Auskunft über die Definition von der Staatsregierung verwendeter Rechtsbegriffe, die sich im Referentenentwurf finden und auch im Sprachgebrauch der Polizeiführung üblich sind.“

Nur ist eben nicht alles, was Polizeipräsidenten formulieren, auch rechtssicherer Gesetzestext. Es hat in einem Gesetzentwurf einfach nichts zu suchen, weil es genau da Unsicherheit schafft, wo es um klare Formulierungen geht.

„Ihre Verweigerung begründete sie fadenscheinig zunächst damit, dass eine erste Kleine Anfrage zu viele Einzelfragen enthalte (Drucksache 6/13489). Danach wurde vorgebracht, dass es eine unzulässige Kettenanfrage darstelle, die 21 fraglichen Begriffe in Einzelabfragen zu splitten (Drucksache 6/13794)“, kommentiert der Innenpolitiker das seltsame Verfahren.

„Und zuletzt zog sich CDU-Innenminister Wöller auf den Hinweis zurück, dass die Meinungsbildung der Staatsregierung noch nicht abgeschlossen sei. Es ist schon eigenartig, dass er den Journalisten dennoch gefragt und ungefragt freudig Auskunft und Erläuterungen zum Gesetzentwurf gibt.“

Damit wird – das kennt man ja aus unzähligen gerichtlichen Auseinandersetzungen der Staatsregierung mit Landtagsabgeordneten vorm Verwaltungsgericht – das Fragerecht der Abgeordneten einfach mit formalen Mustern ausgehebelt. Mit bürokratischer Finesse werden Auskünfte trotzdem verweigert, obwohl die Regierung zur Auskunft verpflichtet ist. Damit hat es auch Roland Wöller geschafft, binnen kurzer Zeit eine Menge Vertrauen zu verspielen.

Und was will Enrico Stange jetzt machen?

„Ich bin es leid, dass die Staatsregierung mein verfassungsgemäßes Fragerecht zu ihrer Arbeit, das ein wichtiges parlamentarische Kontrollinstrument darstellt, durch formale Spielchen aushöhlt und erforderliche Auskünfte verweigert“, sagt er. Logische Folge: „Ob diese Verweigerungshaltung haltbar ist, werde ich juristisch prüfen lassen.“

Petition gegen das sächsische Polizeigesetz gestartet

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