Es ist eher nicht die Regel, dass sich Ministerien zur Einbringung von Landtagsanträgen äußern. Auch nicht zu denen aus der Regierungskoalition. Aber Stephan Kühn, Bundestagsabgeordneter der Grünen, hat wohl recht, wenn er dem sächsischen Agrarminister attestiert, dieser befinde sich schon im Landtagswahlkampf. Und mit dem Thema Wölfe kann man in Sachsen so richtig Wahlkampf machen.

Am Mittwoch, 7. November, ließ Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) so eine Meldung lancieren, die auch ein wenig so wirkt, als freue sich sein Ministerium ungemein darüber, dass die Landtagsfraktionen jetzt die eigene Arbeit übernommen haben und eine Verordnung beantragten, die der Minister längst selbst schon hätte ausfertigen können. Warum hat er es nicht einfach gemacht?

Die Meldung:

***

Klare Regeln beim Umgang mit dem Wolf

Umweltminister Schmidt begrüßt Antrag zur Erarbeitung einer Wolfsverordnung

Staatsminister Thomas Schmidt begrüßt den heute (7. November 2018) in den Sächsischen Landtag eingebrachten Antrag „Weitere Schritte zum sachlichen Umgang mit dem Wolf – Sächsische Wolfsverordnung schaffen“. In dem Antrag fordern die Landtagsfraktionen der CDU und SPD ein nationales Konzept zum Umgang mit dem Wolf sowie ein grenzübergreifendes Wolfsmonitoring und -management mit Polen.

„Unsere im Oktober gestartete gemeinsame Bundesratsinitiative mit Niedersachsen und Brandenburg greift genau diese Punkte auf. Bundeseinheitliche Regelungen und ein ganzheitliches Populationsmonitoring sind die Basis für ein vernünftiges Wolfsmanagement“, sagte Staatsminister Schmidt.

„Um die Akzeptanz für die Anwesenheit des Wolfes zu stärken, muss das Bundesnaturschutzgesetz zudem die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die das europäische Naturschutzrecht in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie bietet. Die Übernahme des gesamten Ausnahmekataloges würde uns mehr Flexibilität bei einer notwendigen Entnahme von Wölfen einräumen.“

Seit der Rückkehr des Wolfes vor mehr als 20 Jahren konnte der Freistaat Sachsen langfristig Erfahrungen in der Beratung von Tierhaltern, der Förderung von Schutzmaßnahmen für Weidetiere, dem Ausgleich von durch den Wolf verursachten Schäden und der Information der Bevölkerung sammeln. „Wir brauchen klare Regeln beim Umgang mit dem Wolf. Dafür ist mir die Unterstützung des Parlaments sehr wichtig“, sagte der Umweltminister in seiner Stellungnahme im Sächsischen Landtag. „Eine Verordnung ist dafür der richtige Weg.“

Er dankt für die Forderung und Unterstützung der Koalitionsfraktionen, eine Sächsische Wolfsverordnung zu erarbeiten. Wichtigstes ist und bleibt, die Nutztierhalter zu unterstützen und mögliche Konflikte mit dem Wolf weitestgehend zu minimieren. Allerdings muss Rechtssicherheit bestehen, wenn es im Ausnahmefall zur Entnahme von auffälligen Wölfen kommen muss. Das Wolfsmanagement wird dazu weiterentwickelt und beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie gebündelt (LfULG).

„Die Entscheidung über eine Entnahme oder Vergrämung eines Wolfes verbleibt weiterhin bei den Landkreisen. Diese Ebene besitzt die Ortskenntnis, kann die wirtschaftlichen oder sozialen Folgen von Konfliktsituationen mit Wölfen am besten einschätzen. Die Kritik einzelner Landkreise, dass durch die Mitbefassung der Landesebene keine schnellen Entscheidungen möglich seien, wird damit ausgeräumt“, sagte der Umweltminister. „Die Unteren Naturschutzbehörden brauchen jedoch mehr Sicherheit bei der Entscheidung durch konkretisierte Rechtsbegriffe. So muss in der zu erarbeitenden Wolfsverordnung auch klar benannt werden, in welchen Fällen eine Vergrämung oder Entnahme mit dem Artenschutz vereinbar ist.“

„Es gibt Menschen in Sachsen, die Angst vor dem Wolf haben. Und es gibt Tierhalter, die um ihren Tierbestand fürchten. Diese Ängste und Sorgen müssen wir sehr ernst nehmen. Wer das ignoriert oder verharmlost, spaltet die Gesellschaft in den betroffenen Regionen“, sagte Staatsminister Schmidt. „Die Initiative auf Bundesebene und die angestrebte Wolfsverordnung sollen zur Minimierung des Konflikts zwischen Mensch und Wolf beitragen.“

***

Der Sächsische Landtag debattierte am 7. November über den Antrag. Und die Kritiker waren ziemlich einhellig der Meinung, dass diese Wolfsverordnung den Betroffenen nicht wirklich hilft, dem Abschießen von Wölfen aber Tür und Tor öffnet.

Die Stellungnahmen der Fraktionen:

CDU erwartet rasche Erarbeitung einer Wolfsverordnung

Heute beschloss der Sächsische Landtag den Antrag der Koalitionsfraktionen „Weitere Schritte zum sachlichen Umgang mit dem Wolf – Sächsische Wolfsverordnung schaffen“.

Dazu erklärt der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Heinz: „Die neue Wolfsverordnung soll dem Wolfsmanagement helfen aber auch dem Schutz von Nutztieren dienen. Für uns als CDU ist wichtig: Die Verfahren sollen gestrafft, Doppelzuständigkeiten vermieden und die Kompetenz des Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie genutzt werden. Wir brauchen einheitliche Regeln zum Umgang mit Hybriden und wir müssen die Entnahme von Problemwölfen vereinfachen.“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Landwirt Georg-Ludwig von Breitenbuch betont: „Wir brauchen beim Thema Wolf diesen strukturellen Neuanfang, um Vertrauen und Akzeptanz wiederzuerlangen.“

SPD: Schutz der Wölfe und Belange der Menschen müssen unter einen Hut

„Der in Sachsen wiederangesiedelte Wolf genießt einen hohen Schutzstatus, und das soll auch so bleiben“, so Volkmar Winkler am Mittwoch zur Debatte über die Erarbeitung einer sächsischen Wolfsverordnung. „Wir haben aber die Möglichkeit, in besonderen Situationen Ausnahmen zu machen. Das sind Ausnahmen, die durch europarechtliche Vorgaben möglich sind. Genau diese Ausnahmen wollen wir mit der Verordnung genau definieren, damit es Rechtssicherheit gibt.“

„Die wachsende Wolfspopulation ist ein extrem emotionales Thema für die Menschen im ländlichen Raum und ein reales wirtschaftliches Risiko für Weidetierhalter. Hier brauchen wir konstruktive Lösungen und keine Populisten, die die Situation ausnutzen und Ängste schüren“, mahnte Winkler eine sachliche Debatte an.

„Es ist unsere Aufgabe, dem strengen Schutz genauso Rechnung zu tragen wie den damit verbundenen Aspekten der Sicherheit und den Belastungen für betroffene Nutztierhalter. Wir wollen und müssen die Akzeptanz für die dauerhafte Anwesenheit des Wolfes erhalten beziehungsweise wieder herstellen. Der Schutz der Wölfe und die Belange der Menschen müssen unter einen Hut. Deshalb soll eine sächsische Wolfsverordnung erarbeitet werden.“

Hintergrund: In der Wolfsverordnung soll unter anderem eine verbindliche Definition des Herdenschutzes bei Schafen und Ziegen festgeschrieben werden. Zudem soll sie Regelungen zur sofortigen Entnahme von Wölfen enthalten, die Weidezäune überwinden oder den Menschen gefährlich werden können. Weitere Regelungen betreffen den Umgang mit Wolfshybriden und schwer verletzten Wölfen. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie soll künftig Behörde für die Rissbegutachtung, Tierhalterberatung inklusive Förderung präventiver Maßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit sein. Weitere Ziele sind in dem Antrag von SPD und CDU aufgelistet.

Linke: Schießen hilft niemandem – Weidetierprämie und vereinfachte Entschädigung wirken wirklich

Anlässlich der heutigen Landtagsdebatte über den Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD zur Änderung des Umgangs mit dem Wolf erklärt Kathrin Kagelmann, Abgeordnete der Linksfraktion aus der Lausitz:

„Toleranz scheint Mangelware zu sein in der aktuellen Zeit – in jeder Hinsicht. Forderungen nach ‚wolfsfreien Zonen‘ sind trauriger Beleg dafür. Dabei brauchen wir Menschen sie dringend beim Neuerlernen des Zusammenlebens mit dem Wolf oder mit dem Luchs, oder mit dem Kormoran, denn wir müssen Kompromisse eingehen und lange gewohnte Verhaltensweisen ändern. Das macht eine Annäherung konfliktreich, und die Kompromisse verursachen Kosten. Manche Menschen sind dazu heute noch nicht bereit, einige – wie die Weidetierhalter – sind dazu wirtschaftlich ohne Hilfe nicht in der Lage.

Eine simple Tatsache ist in jedem Fall anzuerkennen: Schießen hilft beiden nicht! Der Wolf wird bleiben – nach allem, was Recht ist. Ich denke auch, dass die Anpassung des Bundesnaturschutzgesetzes an Artikel 16 der FFH-Richtlinie nicht das ermöglicht, was gern damit verbunden wird: nämlich eine reguläre Bejagung, schon gar keine wolfsfreien Zonen.

Augenfällig ist doch in der gesamten Debatte, die aktuell vor allem von Sachsen aus im Bundesrat geführt wird, dass sich mit den jüngsten politischen Aktivitäten vordergründig auf Maßnahmen für weniger Wolf und nicht für mehr Konfliktmanagement konzentriert wird. Letztlich will man endlich schießen dürfen – regelmäßig und ohne große Diskussionen. Eigentlich sollte es doch zuerst um mehr Weidehaltung gehen.

Ziemlich geräuscharm wurde erst im Sommer im Bundestag ein Antrag von Linken und Grünen zur Einführung der Weidetierprämie abgeschmettert. Diese sogenannte gekoppelte Prämie ist das aus meiner Sicht wirkungsvollste Instrument zur Förderung einer naturverträglichen Weidewirtschaft, zudem erprobt und in 22 EU-Ländern Praxis. Die Schafhaltung in Deutschland und Sachsen ist seit vielen Jahren stark rückläufig, und diese Entwicklung hat wenig bis nichts mit dem Wolf zu tun, sondern mit Marktbedingungen für die Produkte Wolle und Fleisch.

Natürlich muss das Wolfsmanagement beständig weiterentwickelt werden, Entschädigungsverfahren vereinfacht werden. Deshalb ist der Koalitionsantrag für uns teilweise zustimmungsfähig.

Mehr aber nicht.

Grüne: CDU und SPD blasen den Wolfsabschuss zum Wahlkampfthema auf

Zum Antrag von CDU und SPD „Weitere Schritte zum sachlichen Umgang mit dem Wolf – Sächsische Wolfsverordnung schaffen“ hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Änderungsantrag gestellt, der erhebliche Kritik am Ursprungsantrag der Großen Koalition übt.

Zum Antrag der Großen Koalition zum Wolfsabschuss erklärt Wolfram Günther, Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag:

„Die Intention der Großen Koalition ist klar: Vor allem die CDU will den massenhaften Abschuss des Wolfes. Das sehen wir äußerst kritisch. Wissenschaftlich ist nicht bestätigt, dass die Wolfspopulation bereits groß genug und damit stabil ist. Bis heute ist die Frage ungeklärt, ob die sächsische Wolfspopulation ausreichend mit der polnischen Population in Austausch steht.“

„Wir Grüne stellen die von der Großen Koalition vorgesehene Konzentration aller Aufgaben beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie infrage. Die Rissbegutachtung und die Genehmigung des Schadensausgleichs sollten weiterhin strikt getrennt bleiben. Wir Grüne wollen daher die schon vorhandenen Strukturen des Wolfsmonitorings unterstützen und stärken.“

„Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass der Wolf inzwischen etabliert ist und die große Aufgabe im Schutz der Weidetierhaltung besteht. Nur gut geschützte Tiere sind die Grundlage für ein Zusammenleben mit dem Wolf.“

„Festlegungen zum Herdenschutz, zu auffälligen Wölfen oder die sogenannte letale Entnahme könnten wir politisch mittragen. Da in der Erarbeitung einer solchen Verordnung alle Betroffenen, vertreten durch die Verbände und Beteiligten wie beim ‚Managementplan für den Wolf in Sachsen‘ zusammenarbeiten sollen, ist eine Frist bis Ende 2018 völlig ungerechtfertigt und ein reines Wahlkampfmanöver. Daher halten wir eine Frist bis Juni 2019 für angemessen.“

„Da die Große Koalition den Abschuss von Wölfen nicht als absoluten Ausnahmefall sieht, sondern zu einem Regelfall machen möchte, können wir den Antrag der Großen Koalition nicht mittragen. Mir scheint, die Große Koalition bläst den Wolfsabschuss zum Wahlkampfthema auf. So einen plumpen Populismus lehnen wir ab.“

Schafe to go: Warum Sachsen zur Wolfsjagd bläst

Schafe to go: Warum Sachsen zur Wolfsjagd bläst

 

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar