Um kraftvolle Worte waren Sachsens Finanzminister noch nie verlegen. „Steuerhinterziehung ist eine Straftat und schadet dem Staat und unserer Gesellschaft“, sagte Sachsens Finanzminister Dr. Haß am 15. März, als er die Bilanz für die sächsische Steuerfahndung für das Jahr 2018 zog. „Die Sachsen sind insgesamt sehr steuerehrlich. Dennoch gibt es immer wieder Einzelne, die versuchen, auf Kosten der Allgemeinheit dem Staat Geld vorzuenthalten.“

Ganz so „einzeln“ sind 350 eingeleitete Strafverfahren eigentlich nicht. Aber Haß ging es eher um die Betonung, dass in seinem Ressort doch ordentlich gearbeitet werde: „Dass sich jeder an die Steuergesetze hält, ist ein Gebot der Steuergerechtigkeit. Unsere sächsischen Fahnderinnen und Fahnder liefern dazu einen ganz wichtigen Beitrag.“

Das mag sein. Dazu sind sie ja da. Denn nur ihre Existenz sorgt dafür, dass Steuerhinterziehung in Deutschland zumindest Grenzen hat. Zumindest da, wo das jeweilige Bundesland genug Personal einstellt. Aber Sachsen hat in der wilden Personal-Abbau-Zeit 2009 bis 2014 auch nicht vor Kürzungen im Finanzressort zurückgeschreckt. Es gibt auch in der Steuerfahndung Grenzen, was eine bestimmte Zahl an Steuerfahndern schafft – und was nicht.

Aber von 2009 bis 2014 hoben die damals Regierenden all diese Grenzen auch bei Lehrern, Polizisten, Justizangestellten einfach mal aus den Angeln, verkündeten kraft ihrer in der 1. Klasse erworbenen Rechenkünste, dass der Bestand sächsischer Staatsbediensteter noch einmal mit dem Rasenmäher zu kürzen sei – und erlebten sehr schnell, wie auf einmal ganze Fachbereiche immer schlechtere Arbeitsergebnisse lieferten. Zu wenige Fachleute hatten auf einmal mit viel zu vielen Fällen zu tun, nicht nur Polizisten und Staatsanwälte, auch Steuerfahnder.

Alles sehr sinnfällig ablesbar an den Ergebnissen der sächsischen Steuerfahnder. Deckten sie 2013 noch einen Steuerschaden von 88 Millionen Euro auf und steigerten sich 2014 auf 130 Millionen Euro, so erbte die neue CDU/SPD-Regierung dann sämtliche Folgen der Personalkürzungen der Vorgängerregierung: Der Fahndungserfolg der Steuerfahnder brach auf 58 Millionen Euro ein, 2016 waren es nur noch 52 Millionen Euro. 2017 konnten sie sich wieder leicht auf 68 Millionen Euro steigern, 2018 waren es dann 66 Millionen Euro.

2015 war übrigens das Jahr mit der niedrigsten Personalausstattung in der Steuerfahndung. Bis dahin hatte man auch im Finanzministerium eifrig Personal abgebaut. Gab es 2014 noch 154 Vollzeitstellen, so waren es 2015 nur noch 147 … sorry, nein: Stimmt ja gar nicht.

Das waren nur die zugeteilten Vollzeitstellen, die aber gar nicht alle besetzt waren. Tatsächlich gab es schon 2013 nur 146 rechnerische Vollzeit-Steuerfahnder, die 2014 auf 141 schrumpften und 2015 auf 137.

Logisch, dass sich das Arbeitsergebnis stetig verschlechterte.

Die tatsächliche Stellenbesetzung ergab jetzt die Anfrage des innenpolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion Valentin Lippmann. Denn auch bei Finanzfachleuten gilt dasselbe wie bei Juristen, Pädagogen oder Bauplanern: Streichen kann man deren Stellen schnell, das schafft sogar ein forscher Politiker ohne Fachkenntnisse, der einfach weiß, wie man einen Rasenmäher bedient.

Wenn man diese Fachkräfte aber ausgerechnet in einer Zeit, in der jede Fachkraft auf dem Arbeitsmarkt heiß umkämpft ist, dann wieder suchen will, hat man ein Problem. Die jetzt wieder notgedrungen aufgestockten Stellen können gar nicht so schnell wieder besetzt werden. 2015 fehlten zehn Vollzeitsteuerfahnder, 2016 waren es dann schon 18 und im Jahr 2017 sogar schon 20.

Und nicht nur die Kluft zwischen der tatsächlichen Stellenbesetzung und den eingeplanten Vollzeitstellen wächst. Denn die eingeplanten Vollzeitstellen decken ja ebenfalls nicht den ganzen Bedarf ab. Sie sind nur das, was auch schon im Staatshaushalt eingestellt wurde an verfügbaren Geldern für diese Stellen. Und auf dem Papier wuchs die Stellenzahl wieder von 147 auf 164.

Aber mit der SPD kam auch wieder eine Bedarfsplanung zurück in die Politik. Die meisten Ministerien können mittlerweile wieder relativ genau sagen, wie viele Fachleute sie in jedem Ressort eigentlich brauchen würden, um die anfallende Arbeit ordentlich erledigen zu können.

Und da klaffen Anspruch und Wirklichkeit noch viel weiter auseinander.

2015 – am Tiefpunkt der sächsischen Personalentwicklung – hätte die sächsische Steuerfahndung laut Bedarfsplanung eigentlich 164 Steuerfahnder gebraucht. Vollzeitstellen wurden aber nur 147 bereitgestellt, von denen 137 besetzt waren. Und die Situation änderte sich auch in den Folgejahren nicht wirklich. Der eigentliche Bedarf an Steuerfahndern steigerte sich deutlich auf 190 Vollzeitstellen für das Jahr 2017, also 26 mehr, als tatsächlich an Vollzeitäquivalenten zur Verfügung gestellt wurden. Und 46 mehr, als tatsächlich an Vollzeitfahndern zur Verfügung stand.

Man kann also nur vermuten, wie viel Arbeit tatsächlich liegengeblieben ist, weil sie von den vorhandenen Steuerfahndern einfach nicht zu schaffen ist.

Valentin Lippmann hatte extra noch gefragt: „Inwieweit wurde für den Bereich der Steuerfahndung in den vergangenen fünf Jahren das Erfordernis einer besonderen Personalzuführung bejaht und umgesetzt?“ Er hatte ja schon so eine Ahnung, dass zwischen Bedarfsplanung und tatsächlichem Fahndungserfolg eine deutliche Lücke klaffte.

Und die Antwort des Finanzministers verblüfft schon, wenn er sagt: „Die Ermittlung des Personalbedarfes für den Bereich der Steuerfahndung orientiert sich an der Einwohnerzahl und der Wirtschaftskraft (Bruttowertschöpfung) in deren Zuständigkeitsbereich. Es bestand demnach kein Erfordernis, die Personalzuteilung in besonderem Maße zu erhöhen. Der Personalbestand wurde annähernd auf gleichem Niveau gehalten.“

Mit der Ergänzung: Der Personalbestand wurde auf dem gleichermaßen niedrigen Niveau gehalten, wie es schon 2013 erreicht worden war. Wirkliche Anstrengungen, die Zahl der Steuerfahnder zu erhöhen, sind nicht sichtbar. Und auch der Finanzminister scheint da keinen Grund zu sehen, ein bisschen mehr Bemühen zu zeigen: „Änderungen im Personalbestand werden allgemein durch eine fortlaufende Ausbildung von Bediensteten für den Einsatz in den sächsischen Steuerfahndungsstellen sichergestellt. Die Ausbildungsdauer beträgt dabei 15 Monate. Daraus kann sich auch eine stetige Abweichung der vollständigen Heranführung der Personalzuteilung an den Personalbedarf ergeben.“

Der letzte Satz ist besonders köstlich. Zumindest, wenn man galante Ausreden mag.

Mit Unlands Personalkürzungen hat sich das Ergebnis der sächsischen Steuerfahndung halbiert

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