Vielleicht kann man die seltsamen Entscheidungen der Versammlungsbehörde im Vogtlandkreis zum Aufmarsch der rechtsradikalen Splitterpartei „Der III. Weg“ am 1. Mai auch mit der Verunsicherung erklären, die sich in sächsischen Behörden breitgemacht hat. Denn der selbstverständliche Wahlsieg der CDU bei Landtags-, Kreistags und Gemeinderatswahlen ist Vergangenheit. Nur: Was kommt nun?

Im Vogtlandkreis wurde am 26. Mai auch der neue Kreistag gewählt. Die CDU schaffte dabei eines ihrer besten Ergebnisse in Sachsen. Sie erreichte 30,4 Prozent. Aber auch das war ein Dämpfer und bedeutet gegenüber der Wahl von 2014 einen Verlust von 7,4 Prozent. Auch Linke (- 3,5 Prozent) und SPD (- 5,7 Prozent) büßten kräftig ein, während die AfD 19,1 Prozent holte und damit 12,6 Prozent mehr als 2014.

Im Wahlergebnis findet man auch die rechtsradikale Splitterpartei „Der III. Weg“, die 1,7 Prozent der Stimmen holte und damit ein Mandat im Kreistag. Zugelegt haben freilich auch FDP (+ 3,1 Prozent), Grüne (+ 2,2 Prozent) und die Wählervereinigung (+1,5 Prozent).

Veränderungen gegenüber der Kreistagswahl im Vogtland 2014. Grafik: Freistaat Sachsen
Veränderungen gegenüber der Kreistagswahl im Vogtland 2014. Grafik: Freistaat Sachsen

Das war auch ein hohes Wahlergebnis für die AfD – aber ganz bestimmt kein Erdrutsch, wie ihn manche Medien für Sachsen an die Wand malten. Vorbei sind vor allem die Zeiten, da die CDU mehr oder weniger auch die alleinige Regierungshoheit in den Landkreisen hatte. Sie muss sich jetzt zwingend mit anderen Parteien abstimmen. Und das muss gar nicht die AfD sein. Freilich ist das Spektrum der namhaft vertretenen Parteien im Kreistag deutlich bunter geworden.

Wahlergebnis im Vogtlandkreis 2019. Grafik: Freistaat Sachsen
Wahlergebnis im Vogtlandkreis 2019. Grafik: Freistaat Sachsen

Und ganz ähnlich sieht es auch in Plauen aus, wo ein neuer Stadtrat gewählt wurde. Hier verlor die CDU sogar 11,6 Prozent der Stimmen, kommt nur noch auf 23,7 Prozent. Die AfD kam zwar auf 20 Prozent, war 2014 aber noch nicht angetreten. Eingebüßt haben auch hier Linke (- 5,9 Prozent) und SPD (- 5,0 Prozent). Grüne, FDP und die Initiative Plauen e. V. haben hingegen zugelegt.

Hinter der Initiative stehen vor allem die Plauener Gewerbetreibenden. Man hat also einen ganz ähnlichen Effekt wie im nordsächsischen Delitzsch: Die Wähler differenzieren ihre Wahlentscheidungen aus, verlassen sich einfach nicht mehr darauf, dass die im Land regierenden Parteien auch die lokalen Probleme gleich mitmeistern.

Linke und SPD kommen in Plauen trotzdem noch über jeweils 14 Prozent, die FDP kommt auf 9,9, die Grünen kommen auf 8,6 Prozent.

Trotz aller Probleme, muss man sagen. Denn das Vogtland gehört zu den Regionen in Sachsen, die unter der demografischen Schieflage besonders leiden.

Veränderungen in Plauen gegenüber der Gemeinderatswahl 2014. Grafik: Freistaat Sachsen
Veränderungen in Plauen gegenüber der Gemeinderatswahl 2014. Grafik: Freistaat Sachsen

Entschuldigt das dann die windelweiche Genehmigungspraxis der Versammlungsbehörde des Vogtlandkreises gegenüber dem Aufmarsch von „Der III. Weg“ am 1. Mai? Nicht wirklich. Dass die lange CDU-Dominanz in den sächsischen Regionen jetzt endet, bedeutet nicht wirklich, dass das Land einen Rechtsrutsch erlebt.

In den Wahlergebnissen spiegelt sich auch eine tiefe Enttäuschung über den nun bald 30-jährigen Transformationsprozess, der zwar einige „blühende“ Punkte in der ostdeutschen Landschaft erzeugt hat, in vielen ländlichen Regionen aber das Gefühl hinterließ, hier gehe nun nichts mehr, die Region sei letztlich schon abgeschrieben. So etwas halten Menschen nicht aus.

Und man kann zumindest annehmen, dass sich mancher dabei an die Endphase der DDR erinnert fühlt, als auch nichts mehr ging. Auch Regionen wie das Vogtland brauchen Visionen. Daran aber fehlt es bislang. Und das Wahlergebnis zeigt durchaus, dass die Wähler/-innen sich ganz unterschiedliche Lösungen in unterschiedlichen Parteifarben vorstellen können.

Das Hellblau der AfD ist dabei nur die Farbe, die derzeit am meisten heraussticht. Aber sie ist eindeutig nicht die einzige. Oder mal so formuliert: Dieses Wahlergebnis ist eine Herausforderung an alle Parteien. Jetzt sind Ideen und Visionen gefragt. Und ab und an auch mal ein bisschen Mut in Amtsstuben, sich Trommeln und Fackeln zu verbitten.

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