In Dresden wird seit 2019 kräftig gebaut und umgebaut. Immerhin gibt es ein neues Ministerium und ein paar bestehende Ministerien wurden umstrukturiert und bekamen auch neue Aufgaben dazu. Dass die Zahl der Ministeriumsmitarbeiter deshalb steigen würde, war schon bei Unterzeichnung des Koalitionsvertrages 2019 klar. Da wurden 271 neue Personalstellen in den Ministerien vereinbart. Aber jetzt, da die Haushaltsverhandlungen für 2021/2022 begonnen haben, wird wieder Stimmung gemacht. Mit seltsamen Kapriolen – diesmal in der „Sächsischen Zeitung“.

Ein Thema, das jetzt Sabine Friedel, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, regelrecht auf die Palme bringt. Denn die Berichterstattung in der Sächsischen Zeitung unter dem Titel „Der große Umzug“ schürt lauter Vorurteile und haut in eine ganz ähnliche Kerbe wie die Landesspitze der Freien Wähler, die seit einiger Zeit versucht, die AfD an Populismus und Krachmacherei zu überbieten.

Die Freien Wähler haben – laut ihrer Mitteilung vom 28. September – bei der Staatsanwaltschaft Dresden beantragt zu ermitteln, „ob es bei den rund 50 neu geschaffenen Stellen bei Justizministerin Katja Meier korrekt zugegangen ist“. Insgesamt wurden 46 neue Ministerial-Stellen geschaffen, um die dem Justizministerium neu zugeordneten Bereiche personell abzudecken. Deswegen heißt das Ministerium jetzt auch Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung.

Doch die Freien Wähler bedienen damit ein politisches Weltbild, das mit der Realität nichts zu tun hat und werfen der Grünen-Staatsministerin Katja Meier gar Untreue vor. Ganz so, als könne sie aus eigener Entscheidung bestimmen, wie viele Leute sie einstellt.

Doch über die Personalstellen in der Regierung wacht der Finanzminister, der seit 1990 immer von der CDU gestellt wurde. Und CDU-Finanzminister waren es auch, die bis 2014 darauf gedrängt haben, das Personal abzuschmelzen. Ein Rückbau, der in allen Bereichen der Landesverwaltung bis heute spürbar ist. Bei Lehrern und Lehrerinnen genauso wie bei Polizist/-innen, Justizangestellen, Richter/-innen, Staatsanwält/-innen …

Wer also über Stellenaufbau spricht, muss auch über die existierenden Personallücken sprechen. Die seit 2014 noch längst nicht alle ausgeglichen sind.

Soviel Erinnerungsvermögen sollte man auch von einer Dresdner Regionalzeitung erwarten. Doch davon war nichts zu merken, als sie am 14. Oktober unter dem Titel „Der große Umzug der sächsischen Regierung“ schrieb: „Die ministeriellen Umzugs- und Baupläne, an denen monatelang gefeilt wurde, haben dann aber allesamt einen Haken: Sie waren darauf abgestellt, dass es künftig nur 271 neue Mitarbeiter in der Landesregierung geben wird – so wie es die drei Koalitionspartner kurz nach der Regierungsneubildung verkündet hatten. Inzwischen sieht das aber etwas anders aus. Für die kommenden beiden Haushaltsjahre plant Schwarz-Grün-Rot nun schon mit fast 1.800 neuen Mitarbeitern, für die ebenfalls Platz benötigt wird. Dem großen Umzug könnte damit bald ein noch viel größerer folgen.“

Das sind aber nicht alles Ministeriumsmitarbeiter, klärt Sabine Friedel die Rechenkünstler bei der SZ auf: „Ja, Sachsen wird auch in den kommenden Jahren neue Stellen schaffen. Und das ist auch dringend notwendig. Es handelt sich aber mitnichten um 1.800 Ministeriumsbeschäftigte, wie ein Artikel in der ‚Sächsischen Zeitung‘ anklingen lässt. Es geht zum größten Teil um Lehrerinnen und Lehrer, Wissenschaftler/-innen an den Hochschulen, die Landestalsperrenverwaltung oder auch um Mitarbeiter für den Strukturwandel in der Lausitz. Die Behauptung, man brauche jetzt 1.800 neue Büros im Regierungsviertel, ist großer Unfug. Die meisten der neuen Beschäftigten brauchen kein Büro im Regierungsviertel, sondern einen Arbeitsplatz in einem Lehrerzimmer.“

Und so beiläufig fragt sie: „Oder sitzen die Zustellerinnen und Zusteller der Sächsischen Zeitung in den Redaktionsräumen auf der Ostra-Allee?“

Die Zahlen hatte die SZ selbst sogar vermeldet – am 6. Oktober, als es mit lautem Vorgeplänkel in die Haushaltsverhandlungen für 2021/2022 ging. Da konnte man in der „Sächsischen Zeitung“ selbst lesen: „Dazu will der Minister seinen Kabinettskollegen in einem anderen heiklen Punkt etwas entgegenkommen. Hatten diese in den Vorgesprächen noch bis zu 6.000 neue Personalstellen im Landesdienst gefordert, sollen es in den kommenden beiden Jahren nun 1.767 zusätzliche Stellen werden.“

Und dort konnte man auch lesen, wo diese Stellen entstehen sollen: „Der größte Teil für Schulen (600) und Hochschulen (477) sowie für die Landestalsperrenverwaltung (188) und für den Strukturwandel in den Braunkohleregionen (23). Aber auch an den Landtag (7) und den Rechnungshof (1) wurde gedacht. Und zu den 271 neuen Stellen, auf die sich die Koalition bereits bei der Regierungsneubildung geeinigt hatte, sollen künftig pauschal noch einmal 200 Stellen hinzukommen. Ein Angebot, das künftig für Mehrkosten im dreistelligen Millionenbereich sorgen wird.“

Nur dass eben in diesem „dreistelligen Millionenbereich“ 600 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer stecken, 477 feste Stellen an sächsischen Hochschulen (wo prekäre Beschäftigung für Hochschulmitarbeiter oft leider noch die Regel ist) und eben auch 188 Stellen in der Landestalsperrenverwaltung, die einige tausend Kilometer Fluss- und Bachsysteme wieder renaturieren muss, damit Sachsen irgendwann wirklich die Europäische Wasserrahmenrichtlinie einhalten kann und die Gewässer sich endlich wieder als natürliche Flussauen entwickeln können.

Und es stecken eben auch die 47 Stellen im Justizministerium darin, auf denen sich künftig um Demokratie, Europa und Gleichstellung gekümmert wird. Und das alles in Absprache mit den Koalitionspartnern und dem nach wie vor knallhart verhandelnden Finanzminister Hartmut Vorjohann, der ja, wie man lesen kann, die Erwartungen an den Personalaufbau deutlich gedämpft hat.

Es werden also nicht Büros für 1.800 zusätzliche Ministeriumsmitarbeiter gebraucht, sondern für 247 plus künftig weitere 200, wenn der Vorschlag von Hartmut Vorjohann so angenommen werden sollte.

Der Streit um den sächsischen Doppelhaushalt 2021/2022 hat in aller Öffentlichkeit begonnen

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