Es ist ja nicht so, dass Sachsen in den vergangenen Jahren nicht gespart hätte auf Teufel komm raus. Doch der Doppelhaushalt, den die Minderheitsregierung aus CDU und SPD jetzt vorgelegt hat, schneidet selbst da in die Finanzierung, wo frühere Landtage um ein bisschen Fortschritt gerungen haben. Wie bei der Bahnanbindung Leipzig–Chemnitz, deren Elektrifizierung jahrelang vertrödelt wurde. Jetzt sorgen Streichungen ausgerechnet zu diesem Projekt im neuen sächsischen Haushalt für Kopfschütteln.

Angesichts einer möglichen Sparvariante auf der Bahnstrecke Leipzig-Chemnitz zeigen sich Grünen im Sächsischen Landtag und aus den Stadträten in Leipzig und Chemnitz besorgt. Einige Zeitungen wie die „Freie Presse“ in Chemnitz berichteten, dass durch geringer eingestellte Planungsgelder im Landeshaushalt womöglich der eingleisige Abschnitt länger wird, als im vergangenen Jahr vereinbart.

Die Bahnstrecke ist für vor allem für die überregional pendelnde Bevölkerung der Städte Chemnitz und Leipzig neben jenen nach Dresden und Halle (Saale) eine der bedeutenden Achsen von und nach Leipzig bzw. von und nach Chemnitz.

Schon 2024 sorgte für Unverständnis, dass ein 2,6 Kilometer langer Abschnitt auf der Strecke eingleisig bleiben soll. Die Deutsche Bahn hatte freilich auch da schon gewünscht, einen wesentlich längeren Abschnitt eingleisig zu lassen, um Gelder zu sparen. Doch nun scheint genau dieses Szenario zu drohen.

„Nach den Berichten über die teils chaotischen Zustände auf der Bahnstrecke Leipzig–Chemnitz setzt eine mögliche Sparvariante beim dringend benötigten Ausbau dem Ganzen die Krone auf“, kommentiert Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, den Vorgang.

„Ein Vorgehen nach dem Motto ‚Augen zu und durch‘ ist der falsche Weg. Statt umweltfreundliche Mobilität zu fördern, den Tourismus für die Kulturhauptstadt zu stärken und Straßen zu entlasten, will man die Menschen scheinbar wieder zur Nutzung eines PKW drängen. Ich habe in einer Kleinen Anfrage im Landtag nach dem aktuellen Planungsstand und möglichen Verzögerungen durch die ‚Finanzierungsbeschränkungen‘ des Doppelhaushaltsentwurfs gefragt.“

Heftige Kürzungen ausgerechnet bei der Mobilitätswende

Und auch beim Fahrgastverband PRO BAHN ist man entsetzt.

„Der Freistaat bremst die Mobilitätswende aus, noch bevor sie richtig begonnen hat“, erklärt Markus Haubold, Vorsitzender des Fahrgastverbands PRO BAHN Mitteldeutschland. „Der Rückgang der Investitionen um über 100 Millionen Euro ist keine Einsparung, sondern ein Rückschritt auf Kosten kommender Generationen.“

Dass das Ausbauprojekt der Bahnstrecke Leipzig–Chemnitz ebenfalls Kürzungen erfährt, sorgt für besondere Irritationen. Bisher ist das eine weitgehend eingleisige und nicht elektrifizierte Verbindung zwischen zwei Großstädten, deren Modernisierung und Ausbau längst überfällig ist. Mit den geplanten Mittelkürzungen drohen massive Verzögerungen sowie erneut eine Sparvariante mit längeren eingleisigen Abschnitten.

„Wenn dieses Vorhaben jetzt ins Stocken gerät, wird Chemnitz auf Jahre vom schnellen Bahnverkehr abgeschnitten bleiben“, warnt Haubold.

„Die Stadt ist heute schon die größte in Deutschland ohne angemessenen Fernverkehrsanschluss – das ist nicht nur ein Infrastrukturproblem, sondern ein eklatantes Gerechtigkeitsdefizit und hat massive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort. Zudem bricht man die Zusage, welche der Region erst vor wenigen Monaten gegeben wurde: Die Strecke mit hoher Priorität auszubauen. Besonders bitter ist die Nachricht, da sie ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kommt, wo Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt besonders im überregionalen Fokus steht.“

Der sächsische Haushaltsentwurf sieht für 2025 einen Investitionsrückgang von 100 Millionen Euro und für 2026 von weiteren 70 Millionen Euro vor. „Es braucht einen verlässlichen finanziellen Rahmen für Gleise, Züge, Stationen – und das auf Jahre. Nur mit Investitionen in die Infrastruktur erhalten und schaffen wir das Fundament für ein künftiges Mobilitätsangebot, welches von allen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden kann“, stellt Haubold fest. Der Fahrgastverband PRO BAHN erinnert daran, dass Investitionen auch ein Signal an den Bund und private Anbieter sind: Wenn das Land nicht mitzieht, wird sich auch kein anderer engagieren.

Der Fahrgastverband fordert den Sächsischen Landtag auf, die geplanten Kürzungen im Haushaltsbereich Investitionen rückgängig zu machen, allerdings nicht zu Lasten des Angebots und den notwendigen Zuschüssen zum Betrieb des ÖPNV. Stattdessen braucht es ein ambitioniertes Landesmobilitätsprogramm – mit klarem Fokus auf Streckenausbau und -reaktivierung, Elektrifizierung, Taktverdichtung und Barrierefreiheit.

Besorgnis in Chemnitz und Leipzig

Und auch die Grünen-Fraktionen aus Chemnitz und Leipzig melden sich mahnend zu Wort.

„Wir sehen die Überlegungen der Sächsischen Staatsregierung, jetzt auch noch am jahrelang geplanten Streckenausbau zwischen Chemnitz und Leipzig den Sparhammer anzusetzen, äußerst kritisch“, sagt Joseph Israel, Stadtrat und mobilitätspolitischer Sprecher der Chemnitzer Bündnisgrünen-Stadtratsfraktion.

„Für uns war und ist immer klar: Eine Sparvariante bei dieser sehr weit gediehenen Planung würde den Status dieser Bahnstrecke als Chaosstrecke auf Jahrzehnte festschreiben. Das kann nicht das Ziel einer vernünftigen Infrastrukturplanung sein, die auf Jahrzehnte ausgelegt ist.“

Und Kristina Weyh, Fraktionsvorsitzende und mobilitätspolitische Sprecherin der Leipziger Bündnisgrünen-Stadtratsfraktion, ergänzt: „CDU und SPD in der Staatsregierung stehen in der Verantwortung, die Probleme auf dieser Chaosstrecke in den Griff zu bekommen. Nur ein weitgehend zweigleisiger Ausbau kann in absehbarer Zeit die seit Jahren auftretenden Probleme im Pendelverkehr zwischen Leipzig und Chemnitz dauerhaft abstellen. Das würde auch den Schienenverkehr zwischen Leipzig und seinem direkten Umland im Landkreis Leipzig, etwa nach Großpösna, Belgershain und Bad Lausick deutlich verbessern. Perspektivisch wäre sogar die Erweiterung des Leipziger S-Bahn-Netzes in Richtung Zweinaundorf/Baalsdorf, Holzhausen, Bad Lausick und Geithain denkbar. Grundvoraussetzung dafür ist aber ein zuverlässiger und pünktlicher Regionalverkehr auf einer nahezu durchgängig ausgebauten Strecke bis nach Chemnitz.“

Gemeinsam fordern Meier, Israel und Weyh die Staatsregierung deshalb auf, die Möglichkeit eines Mitteleinsatzes des künftigen Sondervermögens Infrastruktur für diesen Streckenausbau mitzuprüfen: „Wir erwarten jetzt sichtbare Fortschritte bei der Ausbauplanung und keine Verzögerungsplanung.“

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