Sachsen tut sich schwer mit Polizeibeamten, die mit rechtsextremem Gedankengut auffällig werden. Eigentlich sollte es für Beamte ganz klare Grenzen geben. Wer sie übertritt, hat eigentlich im Staatsdienst nichts mehr zu suchen. Aber oft bleibt es nur bei „eindringlichen Warnungen“ und „Missbilligungen“. Als wenn Polizeibeamte noch kleine Kinder wären, die sich mal daneben benehmen. Aber wie es um solche Vorfälle steht, müssen Landtagsabgeordnete wie Juliane Nagel immer erst anfragen.

Das Innenministerium berichtet nicht von sich aus. Als wenn es peinlich wäre, wenn eine zuständige Behörde konsequent gegen rechtsextremes und rassistisches Gedankengut bei Polizisten vorginge. Logisch, dass die Landtagsabgeordnete der Linken Juliane Nagel ziemlich sauer ist, dass die Sache mit der Transparenz im Innenministerium nicht zu funktionieren scheint und immer erst Landtagsanfragen notwendig sind, um über die jüngsten rechtsextremen Vorfälle informiert zu werden.

Es ist ja nicht so, dass gegen Beamte und angehende Beamte, die die simplen Grenzen des menschlichen Anstands überschreiten, nicht disziplinarisch vorgegangen wird. Denn bei klaren Fällen wird eben doch ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Und bei „charakterlicher Nichteignung“ wird auch ein Entlassungsverfahren geprüft. Die Formel „charakterliche Nichteignung“ sagt eben auch deutlich, was die Bürger vom Auftritt ihrer Polizeibeamten tatsächlich erwarten können.

Neun Verdachtsfälle

Im ersten Halbjahr 2025 wurden bei der sächsischen Polizei neun neue „Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus“ aufgedeckt. Das zeigt die Auflistung, welche das Innenministerium auf die jüngste Kleine Anfrage (Drucksache 8/3361) von Juliane Nagel vorgelegt hat. Demnach wurden 15 Bediensteten unter anderem ausländerfeindliche Äußerungen und die Nutzung verbotener Symbole und Parolen sowie eine Körperverletzung zur Last gelegt.

„In einem Fall, der sich im Februar ereignet hatte, ermittelt aktuell die Staatsanwaltschaft Chemnitz wegen des strafbaren Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Insgesamt fünf Personen stehen im Verdacht, ein nicht näher benanntes Symbol auf die beschlagene Windschutzscheibe eines abgeparkten Kleintransporters gezeichnet zu haben“, zählt Juliane Nagel, Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, auf, was sie der Antwort entnehmen konnte. „Dabei gewesen sein soll ein Bereitschaftspolizist. In einem weiteren Fall, in dem ein anderer Bediensteter der Bereitschaftspolizei über Jahre hinweg ‘faschistische Symbole und Parolen’ in einer Chatgruppe versendet haben soll, hat die Staatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen eingestellt. Doch hier will der Dienstherr selbst durchgreifen – geprüft wird ein Entlassungsverfahren ‘wegen charakterlicher Nichteignung’, wie es heißt.“

Verräterische Duftbäume

Bei einem Vorfall, der sich Mitte Juni ereignet hatte, wurde tatsächlich sehr zügig gegen einen Bediensteten der Polizeihochschule eingeschritten. Im Raum stehen hier der „Verdacht auf ausländerfeindliche Äußerungen und Verdacht auf Körperverletzung einer ausländischen Person außerhalb des Dienstes“.

„Der Verdächtige darf den Dienst derzeit nicht ausüben, ein Verfahren zur endgültigen Entlassung läuft. Was genau vorgefallen war, bleibt allerdings im Dunkeln: Es gibt kein Ermittlungsverfahren ‘in Sachsen’ – möglicherweise in einem anderen Bundesland“, vermutet Juliane Nagel. „Klarheit erbringen die aktuellen Daten zu einem eher verstörenden Foto, das Medien im Februar veröffentlicht hatten: das Aufhängen eines ‘Karin-Ritter-Duftbaums’ in einem  Polizeiauto – am Tag der Eröffnungsfeier der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz. Jetzt ist klar: Es handelt sich um drei Vorkommnisse mit jeweils drei Bereitschaftspolizisten. Die Folgen hier: ‘Kritikgespräche’ und Belehrungen zu beamtenrechtlichen Pflichten.“

Was schon peinlich genug ist. Denn Karin Ritter war – wie etwa die „Frankfurter Rundschau“ zu einem Vorfall am 15. Februar 2025 in Dresden feststellte, – „die Mutter der Familie aus Köthen in Sachsen-Anhalt, die bei Stern TV zweifelhafte Bekanntheit als ‘Neonazi-Familie’ erlangt hat“.

Online-Shops bieten diesen Duftbaum mit zweifelhaften Sprüchen wie „Raus mit die Viecher“, „Dat jibt ‘ne Anzeige“ oder „Geht hier was kaputt, pfeift der Fuchs“ an. Die Duftbäume sind nicht verboten, aber sie haben in Polizeiautos nichts verloren und verraten eben doch eine Denkweise, die sich mit dem Beamtenstatus nicht vereinbaren lässt.

Für Juliane Nagel sind die regelmäßigen Anfragen mittlerweile Gewohnheit. Wenn das Ministerium nicht von sich aus berichtet, muss regelmäßig nachgefragt werden. „Das Innenministerium hatte erstmals Anfang 2020 auf eine Linken-Anfrage hin detailliert Auskunft zu einschlägigen Vorfällen gegeben“, so Nagel. „Mit den seither veröffentlichten Daten summiert sich die Zahl bekanntgewordener Verdachtsfälle auf inzwischen 122.“

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