Für Deutschland typisch ist aktuell eine Politik, die an Symptomen herumflickt, die zwar immer wieder fette Überschriften ergeben, mit den wirklichen Problemen des Landes aber gar nichts zu tun haben. So auch mit dem Phänomen scheinbar zunehmender Straftaten im Land, das von um Aufmerksamkeit bettelnden Medien geschürt wird, während die Straftaten gar nicht zunehmen oder sogar weniger werden wie in Sachsen und Leipzig. Was hilft da? Noch mehr Instrumente für die Polizei, denkt sich CDU-Innenminister Armin Schuster.

Nicht zum ersten Mal. Seine Vorgänger tickten ganz ähnlich. Das 2019 in Kraft getretene Polizeigesetz enthält lauter Passagen, die gegen die Sächsische Verfassung verstoßen. Aber wer einmal in solchen Schleifen steckt wie Armin Schuster, der bleibt dabei. Auch sein Entwurf für ein Sächsisches Polizeigesetz ist gespickt mit Plänen, die Polizei aufzurüsten, die mit der Verfassung wohl nicht kompatibel sind.

Am 2. September berichtete die „Freie Presse“ in Chemnitz erstmals über einige Inhalte des neuen Gesetzes, das die Regierung bis 2026 vorlegen soll. Schon in der Überschrift wurden einige der Träume eines Innenministers zitiert, der sich viel mehr Vollmachten für eine allmächtige Polizei wünscht: „Taser, Videoüberwachung, Online-Durchsuchung und mehr: Was Innenminister Schuster für Sachsens Polizei plant“.

Die Pläne sind so weitreichend, dass auch der Koalitionspartner SPD damit seine Kopfschmerzen hat.

Dabei hatte der Sächsische Verfassungsgerichtshof dem Innenminister 2022 einen ganz anderen Auftrag mit auf den Weg gegeben: das noch unter der Regie des 2022 entlassenen Innenministers Roland Wöller entstandene Polizeigesetz zu entschärfen, weil es in Passagen nicht verfassungsgemäß ist.

Warum der Innenminister dem nicht folgt, fragt sich auch Rico Gebhardt, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag.

Dem Landtag liegt der Gesetzentwurf noch nicht vor

„Der Verfassungsgerichtshof hatte der Staatsregierung mit dem von uns miterfochtenen Polizeirechts-Urteil im Januar 2024 einen glasklaren Auftrag erteilt: Mehrere Regelungen sind mit der Verfassung unvereinbar, dürfen nur noch eingeschränkt angewendet werden und müssen bis spätestens Mitte 2026 korrigiert sein“, geht Gebhardt auf die tatsächlichen Anforderungen an das Sächsische Polizeigesetz ein.

„Bisher ist das nicht passiert. Als wir Anfang des Jahres nachhakten (Drucksache 8/713), wurde ein Gesetzentwurf versprochen, der immer noch aussteht.“

Und nun scheint ein neuer Entwurf vorzuliegen und hinter den Kulissen zu zirkulieren. Doch statt all jene Passagen zu korrigieren, die der Sächsischen Verfassung zuwider laufen, scheint man im Sächsischen Innenministerium noch einen Versuch starten zu wollen, der Polizei mehr Rechte zuzuschanzen, die von der Verfassung nicht gedeckt sind.

„Jetzt ist zumindest klar, warum das so lange dauert“, sagt Gebhardt. „Statt das Polizeirecht endlich wieder auf den Boden der Grundrechte zu stellen, plant Armin Schusters (CDU) Innenministerium offenbar das Gegenteil und will neue Befugnisse einführen, die keine Sicherheit schaffen, sondern noch tiefer in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Darunter sind dem Bericht zufolge die Quellen-TKÜ mit Trojanern und heimliche ,Online-Durchsuchungen‘, auch wenn gar keine Straftat begangen wurde.

Hinzu kommt vermutlich heimliche Videoüberwachung auf Straßen, allein wegen Ordnungswidrigkeiten. Außerdem soll die Polizei über die engen Bereiche von Spezialkräften hinaus Elektroschock-Pistolen erhalten, die potenziell tödlich sind. Und dann will Schuster auch noch die Erlaubnis haben, KI-Software auf die Menschen loszulassen – obwohl er den landesseitigen Einsatz zu Recht umstrittener Spitzel-Software wie ,Palantir‘ bisher ausgeschlossen hatte.“

Woher soll das Geld für die Polizei-Träume kommen?

Nur: Zur Beschaffung dieses Überwachungsarsenals hat Armin Schuster in den nächste zwei Jahren erst einmal kein Geld. Irgendwie vergisst man in deutschen Innenministerien nur zu gern, dass die modernen Überwachungs-Spielzeuge einen Haufen Geld kosten, ohne dass ein tatsächlicher Nutzen in der polizeilichen Ermittlungsarbeit überhaupt nachweisbar wäre. Zumindest in der regulären.

Die Linksfraktion im Landtag werde jedenfalls das Spiel nicht mitspielen, kündigt Gebhardt an.

„Wir haben daher schon im aktuellen Landeshaushalt für solche autoritären Fantasien kein Geld bereitgestellt. Worauf es ankommt, sind eine gute Ausbildung und eine angemessene Ausstattung, damit die Polizei ihre Kernaufgaben bewältigen kann“, meint Gebhardt.

„Wenn die CDU stattdessen einen Schritt in Richtung des Überwachungsstaats gehen will, der Sicherheit mit Einschüchterung verwechselt, wird sie sich dafür eine schmutzige Mehrheit mit irgendwelchen Populisten suchen müssen. Womöglich passiert das ja auch schon. Uns als demokratischer Opposition wurden die Eckpunkte, von denen wir heute in der Zeitung lesen mussten, bisher nicht bekanntgegeben.“

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