Es lief die 50. Spielminute im 101. Leipziger Derby im Bruno-Plache-Stadion, als der Schiedsrichter das Spiel unterbrach. Henry Mรผller handelte, nachdem aus dem Fanblock der BSG Chemie mehrere Leuchtraketen aufs Spielfeld geflogen waren. Die Polizei marschierte auf und kam mit dem Wasserwerfer โ€“ vor den Heimblock. Leipzigs Polizeiprรคsident Bernd Merbitz marschierte vornweg und lieรŸ zu, dass das Spiel kurz vor dem Abbruch stand.

Schon vor dem Anpfiff zรผndeten Chemie-Fans im Gรคsteblock mehrere Bengalos, die teilweise im Innenraum landeten, schossen Leuchtraketen auf das Spielfeld und auf den Spielertunnel. โ€žUnsere Ballkinder mussten vor drei Raketen ausweichen. Wir mussten sie in den Tunnel zurรผckschicken, um sie zu schรผtzenโ€œ, berichtete Lok-Vizeprรคsident Stephan Guth. Die Hรคlfte des Spielfelds ward vor Rauch nicht mehr gesehen.

Gleichzeitig schossen Polizisten hinter der Lok-Fankurve mit Pfefferspray in eine Gruppe von Fans, die sich auf ihre Choreografie unter einer Plane vorbereiteten. Ein Fan konnte sich mit trรคnenden Augen auf die Tribรผne durchschlagen, um Hilfe zu holen. โ€žWir sind vollkommen wehrlos, da werden auch Frauen abgeschossen. Kann mal jemand mitkommen und sich das anschauen?โ€œ, fragte er auf der Tribรผne nach.

Pyrotechnik war in beiden Fanlagern der Renner. Hier der Chemie-Block. Foto: Jan Kaefer
Pyrotechnik war in beiden Fanlagern der Renner. Hier der Chemie-Block. Foto: Jan Kaefer

Wรคhrend zumindest Sanitรคter hinter die Kurve kamen, verteilte sich im ganzen Stadion Polizei. Auch in der Lok-Fankurve brannten zu Spielbeginn Bengalos, die allerdings nicht aufs Spielfeld geworfen wurden.

Jeder Szene-Kenner, wozu man Polizisten durchaus rechnen sollte, weiรŸ allerdings: Breiten sich Fahnen รผber Fans in einem Block aus, riecht es nach Pyrotechnik. Und diese Prophezeiung sollte sich nach 50 Minuten bewahrheiten. Zunรคchst prรคsentierten Chemie-Fans in ihrem Block zwei Lok-Fahnen, von denen eine nach einem Lok-Heimspiel von Mitvierzigern โ€žerfragtโ€œ worden war.

Diese Fahnen zรผndeten die Gรคste-Fans im eigenen Block an und fackelten die nรคchsten Bengalos ab. Darรผber hinaus flogen wieder mehrere Leuchtraketen in den Innenraum, zwei in einen Pulk Polizisten und eine in die Zuschauer auf der Gegengerade. Polizei marschierte auf, ein Wasserwerfer kam und stellte sich zur รœberraschung aller vor die Gegengerade, aus der zwei Leuchtraketen geflogen waren. Dort war ein Fluchttor geรถffnet worden, was die Polizei fรผrs erste sicherte.

Pyro-Aktion auf Lok-Seite. Foto: Jan Kaefer
Pyro-Aktion auf Lok-Seite. Foto: Jan Kaefer

Polizei-Prรคsident Bernd Merbitz marschierte zuvorderst รผber den Rasen und stand in unmittelbarer Nรคhe. Schiedsrichter Henry Mรผller unterbrach das Spiel fรผr zwรถlf Minuten und lieรŸ รผber Stadionsprecher Mirko Linke ankรผndigen, dass ein weiteres Vergehen einen Spielabbruch bedeuten wรผrde.

Das Spiel lief keine zwei Minuten, da brannte es plรถtzlich auf der Gegengerade, zehn Meter entfernt von Polizei und Wasserwerfer. Diejenigen, die fรผr die Sicherheit des Spiels verantwortlich waren, schauten zu, wie mehrere Bengalos auf den Wasserwerfer und auf das Spielfeld flogen.

Wรคhrend die tausenden fuรŸballinteressierten Zuschauer Polizei und Chaoten auspfiffen โ€“ die einen wegen Inaktivitรคt โ€“ bewies Schiri Mรผller Geduld, unterbrach kurz und pfiff doch noch einmal an. Erst nach Abpfiff brannten wieder Benglos im Chemie-Block.

Spielunterbrechung. Wรคhrend die Polizei agierte, warteten die Mannschaften und das Schiedsrichtergespann auf die Fortsetzung der Partie. Foto: Jan Kaefer
Spielunterbrechung. Wรคhrend die Polizei agierte, warteten die Mannschaften und das Schiedsrichtergespann auf die Fortsetzung der Partie. Foto: Jan Kaefer

Es bleiben Fragen. Jeder Pรคdagoge weiรŸ: Wenn ich meine Ankรผndigungen nicht wahr mache, nimmt mich keiner ernst. Warum hat die Polizei hier auf keiner Seite wรคhrend des Spiels durchgegriffen, sondern marschierte erst in den Lok-Block, als die Bengalos nicht mehr brannten und die Verursacher lรคngst verschwunden waren?

Wozu braucht man dann einen Ordnungshรผter im Stadion, wenn von ihm sowieso nichts zu erwarten ist? Wer schรผtzt tatsรคchlich die Zuschauer, wenn es die Polizei nicht tut? Wie verรคndert sich das Sicherheitsempfinden aller, wenn von der Polizei sowieso nichts zu erwarten ist?

Dass im Chemie-Block keine Polizisten einschreiten konnten, scheint logisch. Bei der schieren Menge an Menschen wรคre das fรผr alle Seiten gefรคhrlich gewesen, aber dass stattdessen zugesehen wird, wie Silvester vorgezogen wird, kann nicht die Lรถsung sein.

Polizeiprรคsident Bernd Merbitz hatte sicherheitshalber mal zwei Wasserwerfer mitgebracht. Foto: Jan Kaefer
Polizeiprรคsident Bernd Merbitz hatte sicherheitshalber mal zwei Wasserwerfer mitgebracht. Foto: Jan Kaefer

Identitรคtsfeststellungen bei Lok-Ultras

Drei Stunden nach Spielende stellte die Polizei immer noch die Identitรคten der Lok-Ultras in der Fankurve fest. โ€žInnerhalb dieses Blockes kam es wรคhrend des Spiels vermehrt zu Straftaten, wie Sachbeschรคdigung, VerstรถรŸe gegen das Sprengstoffgesetz, schwerer Landfriedensbruch, versuchter schwerer Kรถrperverletzung und Kรถrperverletzung.โ€œ

Vor Ort fรผhren immer zwei Polizisten einen Fan aus der Fankurve zu einem Fotoapparat mit Stativ. Lok-Prรคsident Thomas Lรถwe schaut, wie auch Fanprojektmitarbeiterin Sarah Kรถhler, bei den Arbeiten zu. Neu hinzukommende Personen werden kritisch beรคugt. โ€žWas ist mit dir, Cowboy?โ€œ, fragt ein Polizist auf dem Weg in die Kurve. Nach der Information, dass ein Pressevertreter kommt, schweigt der Polizist. Einen Einsatzleiter kann er nicht benennen.

FuรŸball geriet zuweilen in den Hintergrund. Foto: Jan Kaefer
FuรŸball geriet zuweilen in den Hintergrund. Foto: Jan Kaefer

Auch drei Polizisten im Innenraum sind รผberfragt. โ€žAm besten sie bleiben hier stehen und warten bis einer vorbeikommtโ€œ, ist ihr Rat. Ein anderer fragt: โ€žFรผr welches hervorragende Medium schreiben Sie denn?โ€œ, wobei das โ€žhervorragendโ€œ endlos รผberdehnt ist. Presse und Polizei, das scheint an dem Abend nicht zu passen.

Immerhin: Die Fans lassen sich ohne Probleme fotografieren, man verabschiedet sich mit Handschlag und wรผnscht noch einen guten Tag. Auf Anfrage bei der Polizeipressestelle heiรŸt es, dass derartige MaรŸnahmen auf Chemie-Seite nicht durchgefรผhrt worden seien.

Zum Spielbericht รผber den sportlichen Teil auf L-IZ.de

1. FC Lok Leipzig vs. BSG Chemie Leipzig 0:0 โ€“ Viel Derby, wenig FuรŸball

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Es gibt 2 Kommentare

Die Darstellung im Artikel entspricht zu 100%meiner Wahrnehmung im Stadion. Da kommt der WaWe vor die Gegengerade wo nix war, im Gegenteil die 3 oder 4 Hansel die auf dem Zaun saรŸen wurden recht schnell runter gebeten, von den Fans wohlgemerkt. Und die Durchsagen, wir sollten uns ruhig verhalten, von Seiten der Polizei war einfach nur รคtzend und sinnfrei.

Nach dem ich diesen Artikel gelesen habe, muss ich feststellen, dass die Bemerkung โ€œThema verfehltโ€, mitunter nicht nur unter korrigierte Aufsรคtze passt.
Wenn man sich kritisch mit dem Handeln von Polizisten auseinander setzt, ist das nur zu begrรผรŸen, denn oftmals wird da wenig hinterfragt oder es kommt einem so vor, als ob mรถgliche, gemachte Fehler nicht eingestanden werden wollen/sollen.
Insofern ist genaueres Hinschauen sicherlich gut und erforderlich!

Meiner Meinung nach sollte man sich aber nicht im รœbereifer verlieren und auch fair bleiben.

In diesem Artikel scheint mir das Gleichgewicht der Belichtung etwas zu kurz zu kommen.

Diese โ€œBegebenheitenโ€ fanden im Stadion statt โ€“ richtig!?

Was ist denn mit den beiden Vereinen und deren Pflichten!?

Wieso kommen immer wieder Pyrotechnik oder andere Gegenstรคnde in ein Stadion?

Ich erspare mir mal lieber die Frage nach den Kosten fรผr solche Ereignisse, welche der Steuerzahler tragen darf!

Also ein paar weitere Fragen wรผrden wohl, anlรคsslich solcher, immer wiederkehrenden Vorkommnisse, durchaus berechtigt sein.
Denn Kritik wรคre hier bestimmt noch bei weiteren โ€œBeteiligtenโ€ des Ereignisses angebracht!

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