Am 30. November werden tausende Aktivist/-innen des Aktionsbündnisses Ende Gelände das Lausitzer Braunkohlerevier blockieren. Nun kündigt das Bündnis auch Aktionen im Leipziger Revier an. Damit fordert Ende Gelände den sofortigen Kohleausstieg und einen grundlegenden Systemwandel, um die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen.

Denn obwohl die Ergebnisse der Kohlekommission längst vorliegen, hat es die Bundesregierung immer noch nicht fertiggebracht, einen Ausstiegsplan für die Kohleverstromung vorzulegen, was zumindest endlich Klarheit schaffen würde, welches Kohlerevier wann vom Netz gehen würde und wo auch der größte Handlungsdruck beim Strukturwandel besteht.

Währenddessen laufen die Meiler weiter, sorgen dafür, dass Deutschland die riesige Menge an CO2-Last einfach nicht gesenkt bekommt.

Am 24. November veröffentlichte Christan Stöcker schon eine ziemlich bissige Kolumne im „Spiegel“: „Bestandsgarantie für Zombies“. Darin geht er nicht nur auf die mittlerweile seltsamen Volten der Politik ein, die im Interesse einer weiteren Kohleverstromung nun auch noch den Ausbau der Windkraft zum Erliegen zu bringen versucht. Er geht auch auf die riesigen Subventionssummen ein, mit denen die schmutzigste Art der Energiegewinnung immer noch am Netz gehalten wird.

Von den aktuell verantwortlichen Ministern scheint derzeit keine wirklich sinnvolle Entscheidung auf dem Weg zum Kohleausstieg zu erwarten zu sein.

Nicht einmal die vom Städtetag geforderte Erhöhung des CO2-Preises von eigentlich unwirksamen 10 Euro pro Tonne auf mindestens 35 bis 50 Euro. Burkhard Jung als Präsident des Deutschen Städtetages sagte dazu am Freitag, 22. November: „Die Städte folgen daher dem Vorschlag vieler Sachverständiger und plädieren für einen Einstiegspreis in der Größenordnung von 35 bis 50 Euro je Tonne CO2. Solche Entscheidungen für schnellere Erfolge beim Klimaschutz brauchen allerdings eine gesellschaftliche Akzeptanz. Deshalb muss die Politik Augenmaß bewahren und darauf achten, dass bei einer höheren CO2-Bepreisung Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Wirtschaft und Gewerbe nicht über Gebühr belastet werden. Möglich wäre das zum Beispiel über eine einkommensbezogen ausgestaltete Klimapauschale, die die Menschen erhalten könnten.“

Aber noch immer scheinen die Kohlekonzerne ungebrochen direkten Einfluss auf die Politik zu nehmen und jede wirklich sinnvolle Regelung zu verhindern.

„Die Regierung will noch fast 20 Jahre Kohle verbrennen. Das ist mit dem 1,5-Grad-Ziel unvereinbar und führt zu massiver sozialer und ökologischer Zerstörung. Dieser verlogenen Klimapolitik setzen wir ein Ende und nehmen den Kohleausstieg selbst in die Hand“, sagt Sina Reisch, Pressesprecherin von Ende Gelände.

Mit den Aktionen nun auch wieder im Bereich des Kohlekonzerns Mibrag im Leipziger Süden soll auch auf die Situation der Menschen vor Ort aufmerksam gemacht werden, die von den Tagebauen direkt betroffen sind.

„Nach den Sondierungsgesprächen in Sachsen sieht es so aus, als würde Pödelwitz nun nicht mehr abgebaggert. Diese Sicherheit fordern wir Tagebau-Betroffenen mit der Initiative ‚Alle Dörfer bleiben!‘ auch für die bedrohten Orte im Rheinland und in der Lausitz. Doch das reicht nicht: Für Klimagerechtigkeit müssen wir raus aus der Kohle, wie es die Aktivistinnen und Aktivisten von Ende Gelände mit ihren mutigen Aktionen fordern“, so Jens Hausner aus Pödelwitz im Leipziger Revier.

Was alles im Rahmen der Aktionswoche soll, wollen Fridays For Future, Students for Future, Ende Gelände und die Initiative Tagebau-Betroffener „Alle Dörfer bleiben!“ am Donnerstag, 28. November, in einer Pressekonferenz erläutern.

Was bislang feststeht: Am Samstag, 30. November, werden tausende Aktivist/-innen von Ende Gelände versuchen, Kohleinfrastruktur im Lausitzer Braunkohlerevier zu blockieren.

Ein Vorhaben, auf das die wirtschaftsnahe FDP inzwischen schon mit erstaunlich scharfen Tönen reagiert hat. Der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst sagte am Montag, 25. November, zum Beispiel: „Wie auch immer man zur Braunkohle steht: Wer nur das leiseste Verständnis für Gewalttäter zeigt, macht sich mitschuldig an der offenkundig geplanten Eskalation von Gewalt. Auch ist ein Tagebau kein öffentlicher Event-Spielplatz, sondern privates Eigentum – mit einer durchaus nicht ungefährlichen Umgebung allein durch Abbruchkanten und schwere Fördertechnik. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird die Polizei selbstmörderische Aktionen und Straftaten verhindern oder beenden müssen. Das wäre dann der provozierte Vorwand, sich als Opfer einer bösen Polizei gerieren zu können, die ‚unschuldige Aktivist/-innen‘ brutal misshandelt. Wer auf diesen Propagandazug politisch aufspringt, verdient kein Verständnis. Wer Sympathien für derartige Aktionen hegt, ist entweder unglaublich naiv – oder offensichtlich Komplize.“

Das hätten die Manager von LEAG und Mibrag wohl nicht anders formuliert.

Zumindest klang es am 25. November aus dem Hause LEAG ganz ähnlich: „Die LEAG weist noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass das Betreten ihres Betriebsgeländes durch Betriebsfremde aus Sicherheitsgründen untersagt ist und rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Oberstes Ziel für alle Beteiligten und Betroffenen müsse es sein, dass im Zusammenhang mit den angekündigten Aktionen weder LEAG-Mitarbeiter noch Teilnehmer der Aktion zu Schaden kommen. ,Wir möchten, dass die Personen, die mit ,Ende Gelände‘ in die Lausitz kommen, die deutlich gekennzeichneten Grenzen unseres Betriebsgeländes respektieren und sich nicht selbst oder andere durch unbesonnenes Annähern und Erklettern von Betriebsanlagen und Maschinen in Gefahr bringen‘, erklärt LEAG-Personalvorstand Jörg Waniek.“

Und ein wenig später: „Die Forderung nach einem Sofortausstieg aus der Braunkohlenverstromung, die ,Ende Gelände‘ diesmal in der Lausitz mit Gewalt durchsetzen will, ist schlecht durchdacht, maß- und verantwortungslos. Damit würde das deutsche Stromversorgungssystem, so wie es heute aufgestellt ist, gefährlich aus dem Gleichgewicht geraten. Die Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung für einen Kohleausstieg bis Ende 2038 stellen einen breiten gesamtgesellschaftlichen Kompromiss dar, der auch die notwendigen Entwicklungschancen für die Lausitz berücksichtigt. Es zeugt von einem Mangel an Demokratieverständnis, wenn ,Ende Gelände‘ und seine Mitstreiter die KWSB-Empfehlungen nicht nur ignorieren, sondern zudem ihren Minderheitswillen vom Sofortausstieg der Mehrheit im Land aufzwingen wollen, und das auf dem Rücken der Menschen in der Lausitz.“

Da haben wir die zentrale Grundhaltung der deutschen Kohle-Lobby: Sie geht davon aus, ihre Kohlekraftwerke ungemindert bis 2038 laufen lassen zu können. Fürs Klima wäre das eine Katastrophe.

Ende Gelände kündigt Massenaktion für Ende November an: Blockaden im Lausitzer Kohlerevier geplant

Ende Gelände kündigt Massenaktion für Ende November an: Blockaden im Lausitzer Kohlerevier geplant

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“Wer nur das leiseste Verständnis für Gewalttäter zeigt, macht sich mitschuldig an der offenkundig geplanten Eskalation von Gewalt.”

“Wer Sympathien für derartige Aktionen hegt, ist entweder unglaublich naiv – oder offensichtlich Komplize.”

Gehts noch? Wo sieht der Mann denn Gewalt und Eskalationen? Vielleicht sollten auch FDPler ab und zu mal den Schreibtisch verlassen und ins reale Leben eintauchen. Oder sich mal Zahlen zu Gewalttaten während solcher Aktionen aus der Vergangenheit geben lassen, mit Zahlen haben die es in der Partei ja eher.

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