Das klang regelrecht gnädig, als der MDR am 29. Januar meldete, der Braunkohlekonzern LEAG trage den Kohleausstiegsplan der Bundesregierung mit. Schweren Herzens, zähneknirschend. „Denn die einzige Alternative zu einer einvernehmlichen Einigung – das habe die Bundesregierung sehr deutlich gemacht – wäre eine ordnungsrechtliche Abwicklung des Braunkohlenausstiegs in der Lausitz gewesen“, hatte die LEAG selbst gemeldet.

Eine Aussage, über die man stolpern darf.

Denn der MDR hatte daraus etwas völlig anderes gemacht: „Vorstandschef Helmar Rendez räumte ein, dass der Plan nicht den Wunschvorstellungen der LEAG entspreche, aber die einzige Alternative wäre eine ordnungsrechtliche Abwicklung des Braunkohleausstiegs in der Lausitz gewesen.“

Das klingt, als hätte die LEAG bei einer anderen Entscheidung der Bundesregierung quasi gedroht, einfach die Bagger abzustellen.

Obwohl in Wirklichkeit die Bundesregierung Druck auf die LEAG ausgeübt hatte mit der Drohung, sie könnte ihren Betrieb sonst einstellen, wenn sie dem Kohleausstiegsplan nicht zustimmt.

Den Rendez natürlich nach wie vor als Zumutung empfindet.

„Wir haben uns daher im Interesse der Beschäftigten in einer sehr schwierigen Situation für das kleinere Übel entschieden. Damit gewinnen wir nun aber auch Planungs- und Rechtssicherheit für die kommenden 19 Jahre“, zitiert ihn der MDR gutgläubig.

Obwohl genau das nicht der Fall ist. Der Kohleausstiegsplan der Bundesregierung ist ein Konstrukt aus lauter Brücken, Kronen, Heftpflastern und unsicheren Knoten. Denn gleichzeitig bremst dieselbe Regierung beim Ausbau von Wind- und Solarkraft, sorgt also dafür, dass ausgerechnet die erneuerbaren Energien nicht weiter ausgebaut werden, um noch eine Lücke für die Kohle zu lassen.

Rendez zeigte sich auch sicher, dass das Kraftwerk Lippendorf bis 2035 am Netz bleibt, was ohne den Fernwärmeliefervertrag mit Leipzig nach 2022 höchst hypothetisch ist. Nur eins ist dort endlich gesichert: die Zukunft des Dorfes Pödelwitz.

Anders als in der Lausitz, wo sich die LEAG überzeugt zeigt, dass sie das Dorf Mühlrose abbaggern darf. Obwohl sie dafür überhaupt keine Genehmigung hat.

Wie das klingt, wenn ein Kohlekonzern zähneknirschend auf einen Teil der riesigen CO2-Belastung durch seine Tätigkeit verzichtet, las sich so: „Fest steht, dass das Lausitzer Energieunternehmen wegen der verkürzten Kraftwerkslaufzeiten seine Kohlenförderung um zusätzlich etwa 340 Millionen Tonnen reduzieren muss, nachdem es im angepassten Revierkonzept von 2017 bereits auf die Förderung von 850 Millionen Tonnen Kohle verzichtet hatte. Welche konkreten Änderungen in den bisherigen Revierplanungen vor diesem Hintergrund vorgenommen werden müssen, wird die LEAG jetzt prüfen.

Bis zum Sommer dieses Jahres will das Lausitzer Energieunternehmen ein überarbeitetes Revierkonzept mit einer angepassten Tagebauplanung vorlegen. Die Umsiedlung des Ortes Mühlrose und die Inanspruchnahme des gleichnamigen Teilfeldes für den Tagebau Nochten in Sachsen stehe in diesem Zusammenhang jedoch nicht zur Disposition, stellte der LEAG-Vorstandsvorsitzende klar.“

Da beim Verbrennen einer Tonne Rohbraunkohle 904 kg CO2 freigesetzt werden, kann sich jeder selbst ausrechnen, was das heißt: Eine Nicht-Emission von CO2 in der Dimension von über 1 Milliarde Tonnen CO2. Das ist mehr als die durchschnittliche Jahresemission von ganz Deutschland. Die lag in den letzten Jahren bei rund 900 Millionen CO2.

Aber aus der kompletten Meldung der LEAG ist nicht ein einziger Moment herauszulesen, dass dieser Konzern das in irgendeiner Weise positiv sieht. Man beklagt sich immer nur über Einschränkungen in seinen Geschäften. Natürlich sinken Umsätze und Gewinne. Der preiswerte Strom aus alternativen Energieanlagen und die massive Überschussproduktion aus den Fossilkraftwerken haben längst die Verkaufspreise an den Strombörsen kippen lassen. Und mit dem von Rendez beschworenen Aufbau neuer Geschäftsfelder will der Konzern erst in den nächsten Jahren loslegen, so Rendez, der tatsächlich glaubt, er habe noch 19 Jahre Zeit, den Kohlekonzern umzukrempeln.

Da war augenscheinlich nicht nur die Bundesregierung wirtschaftlich naiv. Die LEAG-Führung ist es wohl auch. Die Chance, den Kohleausstieg geplant und berechenbar selbst zu beginnen, hat dieser Konzern verpasst. LEAG-Vorstandsvorsitzender Rendez hat nun am Dienstag, 3. März, in einer Video-Botschaft die Beschäftigten auf einen Sparkurs eingestimmt.

„Das Braunkohleunternehmen LEAG sollte sich von seinen Abbaggerungsplänen für das Sonderfeld Mühlrose verabschieden.“ Mit dieser Forderung reagiert jetzt Daniel Gerber, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, auf die aktuelle Ankündigung von Sparmaßnahmen durch den Vorstandsvorsitzenden der LEAG, Dr. Helmar Rendez. „Die negative Ergebnisentwicklung der LEAG macht deutlich, dass die Skepsis, ob die LEAG ausreichende Sicherungsleistungen für die Tagebausanierung erwirtschaften kann, mehr als berechtigt ist. In dieser Lage das Sonderfeld Mühlrose abbaggern zu wollen, wirkt nur noch absurd.“

Gerber erinnert daran, dass die LEAG gegen die bleibewilligen Bewohnerinnen und Bewohner rechtlich nichts in der Hand hat.

„Die LEAG hat noch nicht einmal einen Rahmenbetriebsplan für das Sonderfeld Mühlrose eingereicht. Wer weiter auf seinem heimatlichen Boden leben will, den kann die LEAG ohnehin nicht vertreiben. Angesichts des beschlossenen Kohleausstiegs wird sich der Konzern juristisch nicht durchsetzen können.“ Dass vor einem Jahr der Umsiedlungsvertrag für Mühlrose zwischen der Gemeinde Trebendorf und der LEAG abgeschlossen wurde und die meisten Bewohnerinnen und Bewohner gehen wollten, ändere daran gar nichts.

„Im schwierigen Fahrwasser ist die LEAG auf einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zur Sicherung ihrer Rahmenbedingungen angewiesen. Hält die LEAG an den Abbaggerungsplänen für Mühlrose fest, drohen sich die Rahmenbedingungen zu verschlechtern“, erläutert der Abgeordnete.

Noch Ende Januar 2020 (MDR, 29.01.) hatte Dr. Rendez das Ziel der LEAG bekräftigt, „die Einwohner werden wie geplant umgesiedelt und der Ort abgebaggert“.

Im sächsischen Koalitionsvertrag vom 20. Dezember 2019 hatten CDU, Grüne und SPD für die Tagebaue in der Lausitz vereinbart, „dass keine Flächen in Anspruch genommen werden oder abgesiedelt werden, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt werden.“ (S. 41)

Linke Abgeordnete fragt noch einmal nach Mühlrose und möglichen Kohleexporten

Linke Abgeordnete fragt noch einmal nach Mühlrose und möglichen Kohleexporten

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar