Am Montag, 25. Mai, veröffentlichte nicht nur das Bundesamt für Statistik Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung im ersten Quartal – und animierte Medien wie den „Spiegel“ wieder zu Klamaukmeldungen wie „Coronakrise trifft deutsche Wirtschaft mit Wucht“ – mit Vergleichen, bei denen die überschwänglichen Verfasser gleich mal auf die Weltfinanzkrise von 2008/2009 zurückgriffen. Aber tatsächlich weiß noch niemand, wie heftig die Auswirkungen des Corona-Shutdown wirklich werden.

Auch wenn sich alle möglichen „Wirtschaftsweisen“ Woche für Woche bemühen, neue Prognosen zu erstellen. Sie leben vom irren Vertrauen in ihre Computermodelle, die nicht mal mehr ruckeln oder kauen, wenn sie – mit was für Daten auch immer – irgendein neues Auf oder Ab des Bruttoinlandsprodukts (BIP) berechnen. Kaffeesatzleserei ist nichts dagegen.

Auch der „Spiegel“ orakelt tatsächlich nur. Denn Absatz- und Auftragsrückgänge im März, dem ersten Monat mit Shutdown, zeigen höchstens die ersten Reaktionen auf die Corona-Maßnahmen.

Tatsächlich kann man die Höhe der wirtschaftlichen Umsätze immer erst im Nachhinein feststellen. Und jüngere Daten als bis März liegen einfach noch nicht vor. Auch nicht für April.

Deswegen muss man auch die Daten, die die sächsischen Statistiker am Montag vorlegten, mit Vorsicht genießen. Auch sie zeigen erst die ersten (aber natürlich drastischen) Veränderungen im März. Und dazu gehört natürlich auch ein deutliches Umsatzplus im Einzelhandel. Wer erinnert sich nicht an all die Geschichten über Hamsterkäufe?

Und das klingt dann im Statistiker-Ton so: „Eine nominale Umsatzsteigerung von 6,9 Prozent gegenüber März 2019 verzeichnete der Einzelhandel in Sachsen im März 2020 trotz Schließung vieler Geschäfte ab der Monatsmitte. Preisbereinigt betrug die Steigerung 5,4 Prozent. Eine wesentliche Ursache dafür sind die nominal um 13,3 Prozent gestiegenen Umsätze im Einzelhandel mit Waren verschiedener Art, zu dem neben Warenhäusern auch Supermärkte gehören. Der Anteil dieser Wirtschaftsgruppe am gesamten Einzelhandel betrug im Jahr 2019 etwas mehr als 40 Prozent. Der reale Umsatzanstieg in dieser Branche lag im März bei 10,3 Prozent.“

Aber es waren eben nicht nur die Supermärkte, die auf einmal mit dem Auffüllen der Regale nicht mehr hinterherkamen.

Der Shutdown befeuerte ein Unternehmen, das schon vorher dem stationären Einzelhandel die Geschäftsgrundlage zertrümmerte, weil es von der Bequemlichkeit der Kunden und dem Steuerdumping der Staaten profitiert: Amazon.

Die Statistiker umschreiben das so: „Noch größere Umsatzsteigerungen verzeichnete die Wirtschaftsgruppe ,Einzelhandel, nicht in Verkaufsräumen oder auf Märkten‘, die vom Versand- und Interneteinzelhandel dominiert wird. Dessen Umsätze erhöhten sich nominal um 35,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, sein Anteil am gesamten Einzelhandel beträgt in Sachsen aber nur knapp 12 Prozent.“

Das klingt zwar wenig, könnte aber gerade für jene Geschäfte das Aus bedeuten, die im Corona-Shutdown komplett schließen mussten. Die Statistiker schreiben dazu: „Geschäfte, die Mitte März coronabedingt schließen mussten, hatten dagegen empfindliche Einbußen hinzunehmen. Dem Einzelhandel mit Verlagsprodukten, Sportausrüstungen und Spielwaren ging fast ein Drittel des Umsatzes gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat verloren. Beim Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren, der gerade in das Frühjahrs- und Sommergeschäft starten wollte, brach sogar mehr als die Hälfte des Umsatzes ein.“

Und obwohl sie mittlerweile wieder öffnen dürfen, bleibt der Kundenzuspruch verhalten. Irgendwie fehlt vielen Menschen das „Shopping-Gefühl“, andere haben in der Coronazeit ihr Kaufverhalten dauerhaft verändert und kaufen weiterhin online ein. Eine nicht wirklich umweltfreundliche Veränderung.

Erstaunlicherweise haben im März auch die Apotheken deutliche Umsatzsteigerungen zu verzeichnen: „Auch Apotheken sowie der Einzelhandel mit medizinischen, orthopädischen und kosmetischen Artikeln haben im ersten Krisenmonat März 15,4 Prozent mehr Umsatz erreicht als im März 2019. Leichte Umsatzsteigerungen gab es auch beim Facheinzelhandel mit Lebensmitteln (nominal um 2,0 Prozent).“

Aber es sind eben erst die Zahlen aus dem März. Die aus dem April dürften noch etwas drastischer ausfallen. Sie liegen nur noch nicht vor.

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