Am Montag, 31. August, reagierte die LEAG auf die Presseberichte zu den geplanten Abrissen im Dorf Mühlrose mit einer Pressemitteilung, in der das Unternehmen schlankweg behauptete: „Umsiedlung von Mühlrose ist rechtskräftig | Rückbauarbeiten beginnen auf LEAG-Grundstücken“. Eine Mitteilung, die einmal mehr die Sicht auf die tatsächliche Rechtslage auf den Kopf stellt. Entsprechend deutlich reagierte die Initiative „Alle Dörfer bleiben“.

Die Pressemiteilung der LEAG:

„Auf Grundlage der LEAG Unternehmensplanung, bei der die Inanspruchnahme des Teilfeldes Mühlrose weiterhin Bestand hat, setzt LEAG die im Umsiedlungsvertrag vereinbarten Maßnahmen uneingeschränkt und zügig um. So beginnen ab dem 31. August 2020 im Auftrag von LEAG Rückbauarbeiten auf im Eigentum der LEAG befindlichen Grundstücken. Alle notwendigen Genehmigungen dafür liegen der LEAG vor.

Für die Umsiedlung von Mühlrose liegt seit März 2019 ein unterschriebener und damit rechtskräftiger Umsiedlungsvertrag vor. Die Umsiedlung von Mühlrose ist Bestandteil des im Jahr 2014 genehmigten Braunkohlenplans für den Tagebau Nochten. Behauptungen, Mühlrose dürfe nicht umgesiedelt werden, weist der für die Umsiedlung verantwortliche Leiter für Planung und Asset Management Thomas Penk entschieden zurück. ,Mit diesen Aussagen wird der Umsiedlungsvertrag politisch infrage gestellt und damit die Zukunft der Mühlroser Einwohner. Dies führt zu einer unverantwortlichen Verunsicherung für die Menschen in Mühlrose.‘“

Zwischenbemerkung der Redaktion: Der Umsiedlungsvertrag wurde im März 2019 zwischen der LEAG und der Gemeinde Trebendorf (zu der das Dorf Mühlrose gehört) geschlossen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer stand dabei und lächelte freundlich. Aber so ein Vertrag zwischen einer Kommune und einem Konzern ist kein bergbaurechtlicher Vertrag.

Aber auch das jüngste Gutachten zur Kohle unter Mühlrose stellt die LEAG infrage: „Spekulationen, wonach ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebenes Gutachten die vertraglich vereinbarte Umsiedlung von Mühlrose infrage stelle, da die Kohle im Teilfeld Mühlrose des Tagebaus Nochten nicht mehr benötigt werde, weist LEAG als falsch zurück. ,Das Gutachten setzt sich mit der Frage auseinander, welche Braunkohlefördermengen der langfristigen Unternehmensplanung der LEAG vor den Beschlüssen zum Kohleausstieg zugrunde lagen und wie sich diese Mengen durch den Ausstieg voraussichtlich verändern werden‘, so Thomas Penk.

Das Gutachten habe dabei die unternehmerischen Planungen der LEAG bestätigt, ebenso wie die im Revierkonzept 2017 vorgesehenen Abbaumengen in den Tagebauen. ,Das Gutachten trifft keinerlei Aussagen über die erforderlichen Anpassungen der Tagebauplanung. Hierfür spielen vielfältige Faktoren wie Versorgungswege, Förderbedingungen und Kohlequalitäten eine Rolle, die über eine rein mengenmäßige Betrachtung weit hinausgehen‘, so Thomas Penk weiter.

Hierzu werde die LEAG ein neues Revierkonzept vorlegen. Dies setze allerdings die Schaffung und Bestätigung der rechtlichen Rahmenbedingungen voraus – das Kohleausstiegsgesetz und den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Betreibern der Braunkohlekraftwerke sowie deren beihilferechtliche Bestätigung durch die EU.

,Die Kohle aus dem Teilfeld Mühlrose ist und bleibt für die Versorgung der Kraftwerke unverzichtbar‘, bestätigt Thomas Penk. Dazu hatte sich die LEAG bereits im Januar 2020 nach der Bund-Länder-Einigung zum Kohleausstieg bekannt.“

So weit die Pressemitteilung der LEAG.

Diese wird von der Initiative „Alle Dörfer bleiben“ jetzt ausführlich kommentiert.

Der Kommentar von „Alle Dörfer bleiben“

„Die LEAG hat heute eine Pressemitteilung zum Abriss der Häuser in Mühlrose veröffentlicht. Diese enthält mehrere irreführende Darstellungen. Daher hier wichtige Fakten zu Ihrer Information:

Die Zwangsumsiedlung des gesamten Dorfes Mühlrose ist nicht rechtskräftig, es liegt nur ein privater Vertrag zwischen dem Konzern und Anwohnenden vor, den aber nicht alle Einwohner/-innen des Dorfes unterschrieben haben. Wer umsiedeln will, kann umsiedeln, wer das nicht tun will, muss es nicht tun.

– Dem Konzern fehlt zudem die Genehmigung, das Sonderfeld Mühlrose abzubaggern.

– Die rund 150 Millionen Tonnen Kohle unter Mühlrose werden laut dem Gutachten von Ernst & Young im Auftrag der Bundesregierung nicht benötigt. Das Gutachten kommt zu folgendem Schluss: „Damit liegt der planmäßig zu fördernde Kohlebedarf durch Erschließung des Sonderfeldes Mühlrose nach unseren Plausibilitätsüberlegungen (…) um 139 Mio. t über dem Kohlebedarf im Ausstiegsszenario gemäß der Bund-/Länder-Einigung.“ (Seite 14 des Gutachtens)

Zudem eine detailliertere Einordnung des Prozesses:

Damit ein Energiekonzern ein Dorf abbaggern darf, ist die normale Abfolge folgende:

1) ein Gebiet wird raumordnerisch von der Politik zum Kohleabbau freigegeben (in Sachsen festgehalten im sogenannten Braunkohlenplan, Stand 2014)

2) der Energiekonzern beantragt bei der Bergbaubehörde eine Genehmigung, das Gebiet auch wirklich in Anspruch nehmen zu dürfen. Inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung, Beteiligung der Öffentlichkeit und Erörterungstermin, insgesamt ein Verfahren, das Jahre dauert

3) dann erst kann der Energiekonzern einen privatrechtlichen Vertrag mit den Umsiedlungsbetroffenen unterzeichnen, der die Details der Umsiedlung regelt und vermeiden soll, dass es zu einer Enteignung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens kommt. Das ist also wie eine Art vorgezogener Vergleich.

In Mühlrose wurde mit dem Umsiedlungsvertrag von März 2019 Schritt 3 vor Schritt 2 gegangen. Wenn man noch mit einbezieht, dass der veraltete Braunkohlenplan von 2014 gerade überarbeitet wird und neue Entwicklungen wie die Klimakrise, das Kohlegesetz und die damit verbundenen geringeren Kohlebedarfe in diese Überarbeitung mit einfließen werden, könnte man auch sagen, dass sogar Schritt 1 übersprungen wurde.

Nochmal konkreter: eine bergbaurechtliche Genehmigung zur Abbaggerung liegt nur für das Teilfeld Nochten 1 (nordöstlich von Mühlrose) vor. Mühlrose liegt aber im sogenannten Sonderfeld Mühlrose, für das keine bergbaurechtliche Genehmigung vorliegt – sie wurde noch nicht einmal von der LEAG beantragt!“

***

Update, 1. September: Statement der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag zu den Abrissarbeiten in Mühlrose: „Die LEAG überschreitet Grenzen“

Gerber: Hier sollen schnelle Fakten geschaffen werden – angesichts der Klimakrise so unnötig wie inakzeptabel

Der Energiekonzern LEAG hat laut einer Mitteilung der Deutschen Presse-Agentur im Lausitzer Dorf Mühlrose mit Abrissarbeiten begonnen, um dort Braunkohle abbaggern zu können.

Dazu erklärt Dr. Daniel Gerber, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen: „Das sind unglaubliche Vorgänge. Hier wird eindeutig eine Grenze überschritten. Im sächsischen Koalitionsvertrag ist unmissverständlich vereinbart, dass für die Braunkohleförderung keine Flächen in Anspruch genommen oder abgesiedelt werden dürfen, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt werden. Ich erwarte, dass das in der Koalition ausgewertet wird und sage sehr deutlich, dass ich für das Handeln der LEAG kein Verständnis habe.“

„Die LEAG versucht jetzt Tatsachen zu schaffen, die weitreichende Folgen nicht nur für Sachsen, sondern für die ganze Gesellschaft haben. Denn der Kohleausstieg ist ein gesamtgesellschaftlicher Kompromiss, auf den auch die LEAG als Unternehmen angewiesen ist. Das Unternehmen erwartet für die Stilllegung in Zukunft hohe Entschädigungszahlungen. Mit dem Abriss dieser zwei Gebäude wird eine Grenze überschritten. Dörfer unnötigerweise zu zerstören, zeigt die fehlende Wertschätzung der LEAG gegenüber der Gesellschaft. Hier scheint es nur noch um Profit zu gehen – das nehmen wir als Bündnisgrüne nicht einfach so hin. Wir werden auch weiterhin an der Seite derer stehen, die gegen die Abbaggerung der Dörfer und gegen die Kohle kämpfen.“

Weiterhin erklärt Dr. Daniel Gerber: „Das jüngst veröffentlichte Gutachten von Ernst & Young sowie Berechnungen von Pao-Yu Oei, Leiter der CoalExit Forschungsgruppe der DIW Berlin, und Felix Matthes vom Öko-Institut zeigen sehr deutlich, dass die LEAG die Kohle unter Mühlrose nicht benötigt, um den Weiterbetrieb bis zum Kohleausstieg 2038 zu garantieren. Um das zu untermauern, fordere ich die Bundesregierung auf, das Gutachten von Ernst & Young unbedingt auch in der Langversion zu veröffentlichen.“

„Die LEAG sollte es unterlassen, im sorbischen Kulturgut von Mühlrose mit den Abrissarbeiten zu beginnen, solange eine aktualisierte Revierplanung entsprechend des Kohleausstiegsgesetzes dies nicht nachweisbar unumgänglich macht. Angesichts der sich stetig verschärfenden Klimakrise und der sinkenden Rentabilität der fossilen Energieträger dürfen keine weiteren Dörfer mehr der Braunkohle-Förderung zum Opfer fallen.“

Trotz fehlender Abbaugenehmigung: Kohlekonzern LEAG kündigt den Abriss von Häusern in Mühlrose an + Update

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Die neue Leipziger Zeitung Nr. 82: Große Anspannung und Bewegte Bürger

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