Es erinnert an Vorgänge im Leipziger Südraum, was derzeit in Mühlrose in der Lausitz passiert: Obwohl der Kohlekonzern LEAG überhaupt noch keine Genehmigung zur Erschließung des Kohlefeldes unter Mühlrose hat, versucht der Konzern dort schon vollendete Tatsachen zu schaffen und die ersten Häuser abzureißen – sozusagen das Baggersignal an die noch verbliebenen Mühlroser, die um den Erhalt ihres Dorfes kämpfen.

Das Braunkohleunternehmen LEAG hat in einem Schreiben an die Bewohner/-innen von Mühlrose angekündigt, in den nächsten Tagen mit dem Abriss zweier Häuser in dem Dorf zu beginnen. Der Energiekonzern hat keine bergrechtliche Genehmigung für die Inanspruchnahme des Dorfes. Ein Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (das wir an dieser Stelle vorgestellt haben) kommt überdies zu dem Schluss, dass in den bereits genehmigten Tagebauen der Lausitz – ohne das Sonderfeld Mühlrose – 80 Millionen Tonnen mehr Kohle verfügbar sind, als bis 2038 noch gebraucht werden.

Ramona Höhn vom Bündnis „Alle Dörfer bleiben!“ baut gerade den Hof ihrer Schwiegereltern in Mühlrose für ihre Familie um und erklärt dazu: „Während mittlerweile sogar Gutachten im Auftrag der Bundesregierung bestätigen, dass die Kohle unter Mühlrose nicht benötigt wird, will die LEAG mit dem Abriss der Häuser Fakten schaffen. Obwohl es keine Rechtsgrundlage für die Abbaggerung des Dorfes gibt, soll die jahrhundertealte Siedlungsstruktur zerstört werden. Es ist völlig unklar, wozu der Abriss der Häuser dienen soll, denn Mühlrose wird nicht abgebaggert werden. Das ist ein himmelschreiender Skandal! Wir fordern die LEAG auf, die Häuser zu erhalten und den Tagebau Nochten so zu verkleinern, dass die Mühlroser Straße erhalten bleibt.“

Eine Diskussion des Gutachtens von Ernst & Young durch die Grüne Liga findet man hier.

Franziska Knauer, die im sächsischen Pödelwitz aufgewachsen ist und ebenfalls beim Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ aktiv ist, ergänzt: „Die Klimakrise ist in Sachsen und Brandenburg nun als Wasserkrise zu spüren, nachdem sie schon seit Jahrzehnten weltweit den Lebensraum von Menschen zerstört. In dieser Situation Häuser, Seen und Wälder abzubaggern, um weiter Kohle zu verbrennen, ist schlicht Wahnsinn. Die Geschichte der Braunkohle in der Lausitz ist auch eine Geschichte der Zerstörung der sorbischen Kultur und der Vertreibung tausender Menschen. Für uns ist klar: es muss Schluss sein mit der dreckigen Braunkohle – kein Dorf darf mehr für die Braunkohle abgebaggert werden. Weder in der Lausitz, noch im Rheinland, noch weltweit.“

Die Mühlroser Straße liegt im Vorfeld des Tagebaus Nochten und stellt eine wichtige Grenzlinie für den Erhalt von Mühlrose und die Eindämmung der Klimakrise dar. Für den Stopp des Tagebaus Nochten vor der Mühlroser Straße soll nun am 20. September im Rahmen eines Waldspaziergangs demonstriert werden, bei dem Naturführer Michael Zobel sprechen wird. Aufgerufen haben die Umweltgruppe Cottbus und das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“.

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Update, 31. August: Lausitzer LINKEN-Abgeordnete kritisiert in offenem Brief „Strategie der verbrannten Erde“

Antonia Mertsching, Lausitzer Abgeordnete der Linksfraktion, richtet einen offenen Brief an die Lausitz Energie Bergbau AG. Hintergrund ist eine Information der LEAG an die Einwohnerinnen und Einwohner von Mühlrose, dass das Unternehmen in dieser Woche mit dem Abriss der ersten Häuser beginnen will, die es dort erworben hat.

Der Offene Brief lautet wie folgt:

„Die Zerstörung von Wohnhäusern wollen Sie vornehmen, obwohl es noch keine bergrechtliche Genehmigung zur Abbaggerung von Mühlrose gibt und obwohl laut einer kürzlich erschienenen Studie von Ernest & Young im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums ebenso wie Berechnungen von Pao-Yu Oei, Leiter der CoalExit Forschungsgruppe; DIW Berlin und TU Berlin (siehe Anhörung im Sächsischen Landtag vom 30. Juni 2020) bestätigen, dass die im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes vereinbarten Kohlemengen den Abbau der unter Mühlrose lagernden Braunkohle nicht erfordern.

Artikel 14 (2) des Deutschen Grundgesetzes lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Auch ein tschechischer Konzern muss sich in Deutschland vor dem Deutschen Grundgesetz verantworten. Ich frage Sie, welchen Nutzen die Zerstörung von funktionstüchtigen Häusern hat, wenn damit in das Dorfleben von Mühlrose unwiederbringlich eingegriffen wird und das Dorfbild, Ortskultur und brauchbare Ressourcen zerstört werden?

Ich fordere Sie auf, von der Strategie der verbrannten Erde abzulassen und die geplante Zerstörung des von Ihnen erworbenen Eigentums auszusetzen, bis über die Zukunft von Mühlrose entschieden ist.“

Ein Gutachten für die Bundesregierung bestätigt: Die Kohle unter Mühlrose wird von der LEAG überhaupt nicht gebraucht

Ein Gutachten für die Bundesregierung bestätigt: Die Kohle unter Mühlrose wird von der LEAG überhaupt nicht gebraucht

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