Mehr als ein Dutzend Industrieunternehmen, Energieversorger, Netzbetreiber und kommunale Partner haben in der vergangenen Woche eine gemeinsame Studie für den Aufbau eines mitteldeutschen Wasserstoffnetzes vorgelegt. Die von der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland und dem Wasserstoff-Netzwerk HYPOS koordinierte Untersuchung sieht ein 339 Kilometer langes Netz zur Verbindung der Erzeuger und Nachfrager von grünem Wasserstoff in der Region Leipzig-Halle-Bitterfeld-Leuna-Zeitz-Chemnitz vor.

Auf dem Weg in die Energieversorgung der Zukunft

„Mit der Machbarkeitsstudie liegt erstmals eine umfassende Untersuchung der potenziellen Bedarfe und Erzeugungspotenziale von grünem Wasserstoff sowie ein länderübergreifendes Wasserstoff-Infrastrukturkonzept für die Region Leipzig-Halle-Bitterfeld-Leuna-Zeitz-Chemnitz vor“, erklärt Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland und Vorstandsmitglied des Wasserstoff-Netzwerkes HYPOS.

„Das gemeinsam von großen Unternehmen, Energieversorgern, Netzbetreibern und kommunalen Partnern der Region realisierte und rein privatwirtschaftlich finanzierte Projekt zeigt eindrucksvoll den gemeinsamen Willen der Region zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Energieversorgung in Mitteldeutschland.“

Im Rahmen der von der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH und INFRACON Infrastruktur Service GmbH & Co. KG erstellten Machbarkeitsstudie „Wasserstoffnetz Mitteldeutschland“ wurden die potenziellen Bedarfe industrieller Akteure an grünem Wasserstoff und mögliche Erzeugungskapazitäten mittels Wind- und Solarstrom erfasst. Auf dieser Grundlage untersucht die Studie den Aufbau eines Wasserstoffnetzes zur Verknüpfung potenzieller Erzeuger und Abnehmer unter Einbindung der bestehenden Erdgasinfrastruktur sowie die damit verbundenen Kosten.

Die Region ist dringend auf Import von Grünem Wasserstoff angewiesen

Demnach wird für das Jahr 2040 eine Gasnachfrage von 20 Terawattstunden pro Jahr in der Region prognostiziert. Dies entspricht – bezogen auf den Heizwert – einem jährlichen Bedarf von rund ca. 6,7 Milliarden Kubikmetern Wasserstoff.

Demgegenüber steht ein jährliches Erzeugungs- und Elektrolysepotenzial von rund 2,5 Terawattstunden grünem Wasserstoff im Betrachtungsraum unter der Annahme, dass 30 Prozent des erzeugten Grünstroms für die Wasserstoffproduktion verwendet werden.

Für die Verbindung der identifizierten potenziellen Erzeuger und Nachfrager von grünem Wasserstoff skizziert die Studie ein mitteldeutsches Wasserstoffnetz mit 13 Leitungsabschnitten auf einer Gesamtlänge von 339 Kilometern. Basis für dieses Netz sind die Projektideen der an der Studie beteiligten Unternehmen. Für den Fall eines kompletten Neubaus wären damit Gesamtkosten in Höhe von rund 610 Millionen Euro verbunden.

Diese ließen sich durch die Umwidmung bestehender Erdgasleitungen und mögliche Trassenbündelungen auf rund 422 Millionen Euro reduzieren.

Unternehmen wollen Grünen Wasserstoff

In der Studie heißt es: „Betrachtet man die potenzielle Wasserstoffnutzung, zeigt sich, dass mit 72,8 % der Hauptanwendungsbereich die thermische Nutzung ist, gefolgt von der stofflichen Nutzung mit 25,9 %. Die direkte Nutzung von Wasserstoff im Mobilitätsbereich als potenzieller Kraftstoff wird aus heutiger Perspektive geringer eingeschätzt. Dieser Anteil könnte jedoch noch steigen, da einige Umfrageteilnehmer die Errichtung von Wasserstofftankstellen planen.“

Und was die Interessen der beteiligten Unternehmen betrifft, lautet die Grundaussage: „Grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wird von 80 % der Umfrageteilnehmer gefordert. Die Stakeholder legen damit den Fokus eindeutig auf die Defossilisierung der Gasversorgung und ihrer Prozesse und zeigen damit, dass der unternehmerische Wille zu einer Transformation in der Energieanwendung vorhanden ist.

Für einen kleinen Teil der Teilnehmer (10 %) ist zumindest in der Einführungsphase die Herkunft des Wasserstoffes nicht vordergründig. Weitere 10 % würden neben grünem Wasserstoff auch Wasserstoff aus fossilen Energieträgern nutzen, wenn während der Herstellung nur geringe Treibhausgasemissionen verursacht werden.“

Leitungsbau braucht mehrere Jahre Vorlauf

Bei optimalen Planungs- und Baubedingungen geht die Studie von einem Realisierungzeitraum von rund fünf Jahren pro neuem Leitungsabschnitt aus. Für die Umstellung bestehender Leitungen werden zwei bis drei Jahre veranschlagt. Einzelne Teile des geplanten Netzes sollen dabei parallel gebaut bzw. umgestellt werden, sodass regionale Wasserstoff-Cluster bereits vor Fertigstellung des Gesamtnetzes in Betrieb gehen können.

Um den über die regionale Wasserstofferzeugung hinausgehenden Bedarf, insbesondere der industriellen Kerne in der Region, durch Importe zu decken, soll das Netz an den entstehenden European Hydrogen Backbone angeschlossen werden. Dies würde zusätzlich zu den genannten Kosten weitere Investitionen notwendig machen.

Das geplante Wasserstoffnetz wird nach dem Willen der beteiligten Partner die Basis für die zukünftige gemeinschaftliche Weiterentwicklung der Wasserstoffinfrastruktur in Mitteldeutschland bilden. Dazu ist in einem weiteren Schritt die Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes zur flächendeckenden Versorgung von Industrie, Gewerbe/Handel/Dienstleistung und Haushalten geplant.

Die von der Metropolregion Mitteldeutschland koordinierte und vom Wasserstoffnetzwerk HYPOS fachlich begleitete Machbarkeitsstudie „Wasserstoffnetz Mitteldeutschland“ wurde im Auftrag von mehr als einem Dutzend regionaler Akteure und Unternehmen erstellt. Zu den Kooperationspartnern gehören BMW Group Werk Leipzig, DHL Hub Leipzig GmbH, Siemens AG, VNG AG, Südzucker Gruppe, Flughafen Leipzig/Halle GmbH, Leipziger Gruppe, Stadtwerke Halle GmbH, MIBRAG Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH, MITNETZ Mitteldeutsche Netzgesellschaft Gas mbH, ONTRAS Gastransport GmbH, eins energie in sachsen GmbH & Co. KG und die Stadt Leipzig.

Die Ergebnisse der Studie werden auch den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des 2. Mitteldeutschen Wasserstoffkongresses am 16. September 2022 auf dem Flughafen Leipzig/Halle detailliert vorgestellt.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar