Es ist zwar Die Linke, die sich gerade vor aller Augen zerlegt im Streit um das Verhältnis zu Russland, dem Krieg Putins und den Sanktionen. Aber dass Deutschland so abhängig ist von russischen Gaslieferungen, daran hat die Linke wiederum keine Schuld. Das ist das Ergebnis einer engen Verbandelung von Politik und Wirtschaft. Auch und gerade in Sachsen. Der „Tagesspiegel“ machte das im Juni mit einem großen Artikel zum Thema.

„Gazprom-Partner VNG: Die Verflechtungen eines Gas-Netzwerks in Sachsen mit Russland und Unionspolitikern“, lautete der Titel des Beitrags am 20. Juni im „Tagesspiegel“. Dort hatte man Erkenntnisse über ein „Gas-Netzwerk“ zusammengetragen, in dem auch sächsische CDU-Politiker mit Akteuren in Russland zusammengearbeitet haben sollen.

Einen Tag später erzählte auch die „Sächsische Zeitung“ die Geschichte. Das wie nach einem Geheimbund klingende „Gas-Netzwerk“ ist das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum.

Das gibt es tatsächlich. 2007 wurde es – damals unter Federführung der in Leipzig ansässigen Verbundnetz Gas AG (VNG) aus der Taufe gehoben. Durchaus mit handfesten Unternehmensinteressen. Denn russisches Erdgas gehörte von Anfang an zum Portfolio der VNG, auch wenn sie sich im Lauf der Jahre bemühte, ihre Erdgasbezüge immer weiter zu diversifizieren.

Seit 1991 gehörte auch der russische Gaskonzern Gazprom zu den Anteilseignern der VNG, anfangs mit 5 Prozents, ab 2012 mit 10,52 Prozent. 2015 hat Gazprom dann seine Anteile komplett an EWE verkauft, das seinen VNG-Anteil an EnBW verkaufte.

Die Rolle sächsischer Ministerpräsidenten

Am 23. Juni meldete sich Transparency International zu Wort:

„Der Vorsitzende von Transparency Deutschland Hartmut Bäumer kritisiert bei Tagesspiegel.de, dass das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum (DRRF) die zentrale Rolle des Leipziger Gashandelkonzerns VNG verschleiert habe. VNG habe zusammen mit Gazprom das DRRF mitinitiiert und ab dem Jahr 2007 Konferenzen der DRRF mit russischen Regierungspolitiker/-innen und Kreml-nahen Unternehmen inhaltlich konzipiert sowie Mitarbeiter/-innen zur Verfügung gestellt.

Auch das Stiftungskapital sei allein von VNG gekommen. In der Öffentlichkeit sei das DRRF mit seinem Schirmherrn Klaus Töpfer (CDU) und unter Unterstützung sächsischer CDU-Ministerpräsidenten vor allem als Initiative der Bergakademie Freiberg und der Bergbau-Universität St. Petersburg aufgetreten.“

Das klingt wie ein spätes Erschrecken. Als hätte man vorher gar nichts davon mitbekommen, dass das immer eine Lobbyveranstaltung war, bei der „Entscheider aus Politik und Wirtschaft“ zusammenkamen, um sich für Importe russischer Energielieferungen begeistern zu lassen. Übrigens schon längst nicht mehr nur für Erdgas, sondern zwischenzeitlich auch für Wasserstoff.

Die sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich und Michael Kretschmer werden zwar besonders erwähnt. Aber die Bundesminister der CDU mischten hier genauso emsig mit.

„Es geht darum, bis 2050 klimaneutral zu werden. Insofern stehen wir vor sehr großen gemeinsamen Herausforderungen im Bereich des Klimaschutzes sowie im Bereich der Rohstoff- und Energiekoopera­tionen, die wir bewältigen müssen. Das bietet aber auch große Chancen für die europäisch-russische Kooperation, die dazu führen können, dass die Kooperation viel intensiver wird“, kam der damalige Bundes­wirtschafts­­minister Peter Altmaier zur 13. Deutsch-Russischen Rohstoff-Konferenz 2021 geradezu ins Schwärmen.

„Russland hat hervorragende Voraussetzungen. Wir dürfen das enorme Potenzial Russlands für Erneuerbare Energien aus Wind und Sonne nicht vergessen. Deutschland wird im Wasserstoffbereich auf Importe angewiesen sein. Wir haben insgesamt zwei Milliarden Euro für internationale Kooperationen reserviert. Die stehen auch zur Verfügung für Projekte zwischen russischen und deutschen Unternehmen. Russland kann ein wichtiger Teil einer internationalen Wasserstoffwirtschaft werden.“

Und ähnlich euphorisch äußerte sich auch Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: „Die russischen Partner sind von herausragender Bedeutung für den Schutz des Klimas. Europa und Russland sollten beim internationalen Klimaschutz eine noch größere Rolle übernehmen.“

Pustekuchen war’s: Zehn Monate später entfesselte Putin lieber einen Krieg.

Machen sächsische Regierungsmitglieder Lobbyarbeit?

Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag will das aber nicht auf sich beruhen lassen. Die europapolitische Sprecherin Marika Tändler-Walenta und der energiepolitische Sprecher Marco Böhme haben dazu jetzt Fragen an die Staatsregierung gerichtet (Drucksache 7/10868).

„Der Angriffskrieg der russischen Machthaber gegen die Ukraine hat den Blick auf Lobbyaktivitäten wie jene des Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums DFFR stark verändert. Wir wollen erfahren, welche Kenntnisse die Staatsregierung über die Aktivitäten des DFFR hat. Wer hat wann an Veranstaltungen des DFFR teilgenommen? Plant die Staatsregierung einen Verhaltenskodex für Mitglieder Staatsregierung gegen zweifelhafte Lobbyarbeit?“, formulieren die beiden ihre grundlegenden Fragen zur Rolle des Deutsch-Russischen Rohstoff-Forums.

„Wir hatten zum Beginn der Wahlperiode ein Lobbyregister für den Landtag gefordert – die Koalition hat es abgebügelt (Drucksache 7/5870). Wir halten diese Forderung weiter für berechtigt und hielten es auch für angemessen, wenn der Landtag sich zusätzlich einen Verhaltenskodex verordnete. Alle Abgeordneten sollen vollständig öffentlich machen müssen, welche Lobbyaktivitäten sie wie betreffen und woran sie beteiligt sind. Auch jeder einzelne Euro, der Abgeordneten über Lobbyarbeit zufließt, muss transparent gemacht werden.“

Und sie finden auch: „Der Sanktionsdruck auf den Kreml und die Oligarchie muss weiter verstärkt werden. Wer Vermögenswerte sanktionieren will, muss aber wissen, wo sie sind. Deshalb fragen wir die Staatsregierung auch, welche Schritte sie unternimmt, um russische Vermögenswerte und Unternehmensbeteiligungen in Sachsen sichtbar zu machen.“

Es geht doch nur um Zusammenarbeit im Rohstoffsektor

Das Rohstoff-Forum selbst beschreibt seine Rolle so:

„Das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum (DRRF) ist eine Dialogplattform im Bereich der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit im Rohstoffsektor beider Länder. Es wurde im Jahr 2006 von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und dem St. Petersburger Staatlichen Bergbauinstitut gegründet und ist eine Initiative des Vereins zur Förderung der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit im Rohstoffsektor e. V. (WTZ e. V.).

Die vom DRRF im jährlichen Wechsel in Deutschland und Russland veranstaltete Deutsch-Russische Rohstoff-Konferenz sowie die unterjährigen Facharbeitsgruppen bringen Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft beider Länder zusammen, um die Transformation der Rohstoff- und Energiebeziehungen beider Länder in Richtung nachhaltiger und klimafreundlicher Wertschöpfungsketten zu begleiten.“

Der WTZ e.V. hat dann natürlich dieselbe Adresse wie das Deutsch-Russische Rohstoff-Forum.

Zumindest könnte die Beschäftigung mit dem Thema etwas klarer machen, warum sächsische Politiker die Energiewende im Sachsen seit Jahren ausgebremst haben und sich immer wieder für russisches Erdgas und ein Ende der Sanktionen starkgemacht haben.

Eins jedenfalls scheint ganz und gar nicht geklappt zu haben: mit solchen Rohstofflieferungen haltbare Brücken zu bauen. Im Gegenteil: Deutschland hat sich damit erpressbar gemacht und seinen Ausstieg aus den fossilen Energien um wertvolle Jahre vertrödelt.

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