Unter dem Dreiklang „Energiekrise: Inflation, Rezession, Wohlstandsverlust“ stellten die deutschen Wirtschaftsinstitute am Donnerstag, dem 29. September, ihre jüngste Konjunkturprognose für die Bundesrepublik vor. Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) veröffentlichte auch eine Einschätzung der Lage in Ostdeutschland. Und sie zeigt, wie gut die Wirtschaft ins Jahr 2022 gestartet ist – bis die rasant steigenden Gaspreise den Lebensnerv trafen.

Denn auch die ostdeutsche Wirtschaft ist auf stets verfügbare, preiswerte Energie angewiesen. Reihenweise veröffentlichen ostdeutsche Wirtschaftsverbände in den vergangenen Tagen Forderungen, auf die Gasumlage zu verzichten und stattdessen einen richtigen Gaspreisdeckel einzuführen. Denn das, was derzeit an den Börsen an Gaspreisen aufgeführt wird, ist nicht mehr bezahlbar. Das würde die Produktion in allen Bereichen derart verteuern, dass an eine kostendeckende Produktion nicht mehr zu denken wäre.

Wobei zu berücksichtigen ist, dass die am Donnerstag, dem 29. September, verkündete Gaspreisbremse in der Konjunkturbetrachtung noch nicht berücksichtigt wurde.

Absturz in die Rezession

Die Energiekrise stürzt die deutsche Wirtschaft in eine Rezession, fasst das IWH zusammen, was die Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2022 ergab. Das betrifft auch die Konjunktur in Ostdeutschland. In diesem Jahr wird die ostdeutsche Produktion laut Prognose des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) mit 1,5 % etwas stärker expandieren als in Deutschland insgesamt.

Für das kommende Jahr dürfte der Rückgang in Ostdeutschland mit 0,1 % weniger deutlich ausfallen als im Westen (Deutschland: ‒0,4 %). Für das Jahr 2024 wird ein Zuwachs von 1,7 % prognostiziert (Deutschland: 1,9 %).

Gaspreis frisst Kaufkraft

Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose konstatiert in ihrem Herbstgutachten, dass die krisenhafte Zuspitzung auf den Gasmärkten zu einem massiven gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftentzug führt und die deutsche Wirtschaft in die Rezession drückt. Das trifft auch für die ostdeutsche Wirtschaft zu.

Dabei war die Konjunktur in Ostdeutschland im ersten Halbjahr 2022 noch recht kräftig: Hier lag die Produktion um reichlich 3 % höher als ein Jahr zuvor, in Deutschland insgesamt waren es nur 2,6 %.

„Dabei kam der ostdeutschen Wirtschaft zugute, dass das Gewicht des schwächelnden Verarbeitenden Gewerbes geringer ist als im Westen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).

Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in Ostdeutschland werden von der schrittweisen Angleichung des ostdeutschen Rentenwerts an den westdeutschen gestützt, weshalb die Ostrenten jährlich um etwa einen ¾ Prozentpunkt stärker steigen. Ferner spielt der im Jahr 2022 besonders starke Anstieg des Mindestlohns im Osten eine größere Rolle, weil hier ein deutlich größerer Teil der Arbeitnehmerschaft davon betroffen ist als im Westen. Dabei halten sich aufgrund der derzeit günstigen Arbeitsmarktlage die negativen Beschäftigungseffekte des Mindestlohnanstiegs bislang in engen Grenzen, so das IWH.

„Darüber hinaus haben möglicherweise auch einige der viel beachteten industriellen Großprojekte in Ostdeutschland, etwa die Tesla-Fabrik in Grünheide oder neue Chipfabriken in Dresden, bereits gesamtwirtschaftlich messbare Effekte“, ergänzt Holtemöller.

Privater Konsum wird wohl deutlich zurückgehen

Diese stützenden Effekte seien freilich gering im Vergleich mit den zu erwartenden Kaufkraftverlusten aufgrund der stark steigenden Energiepreise. Ebenso wie in Deutschland insgesamt werden auch in Ostdeutschland privater Konsum und Produktion im Winterhalbjahr schrumpfen.

Große Unterschiede in der Belastung von Haushalten und Unternehmen sind nicht zu sehen: Erdgas hat als Heizmittel in Ost und West etwa dieselbe Bedeutung, und die besonders energie- und gasintensiven Wirtschaftszweige des Verarbeitenden Gewerbes haben in Ost- und Westdeutschland in etwa das gleiche Gewicht.

Alles in allem werde die ostdeutsche Produktion im Jahr 2022 mit 1,5 % wohl etwas stärker expandieren als in Deutschland insgesamt (1,4 %). Für das Jahr 2023 dürfte der Rückgang in Ostdeutschland mit 0,1 % weniger deutlich ausfallen als im Westen (Deutschland: ‒0,4 %), nicht zuletzt, weil der größere Anteil der Wertschöpfung durch öffentliche Dienstleister im Osten die Produktion in der Krise stützt.

Für das Jahr 2024 wird ein Zuwachs von 1,7 % prognostiziert (Deutschland: 1,9 %). Die ostdeutsche Arbeitslosenquote nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit könnte von 6,8 % im Jahr 2022 auf 7,1 % im nächsten Jahr steigen, um im Jahr 2024 wieder auf 6,8 % zurückzufallen.

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