Über 8.000 Unterschriften fand die Petition von VCD, Ökolöwe und BUND Leipzig im März, die die drei Verbände gegen die im August wieder einmal anstehenden Fahrpreiserhöhungen im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) angestrengt haben. Auch die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) gehören zum MDV. Auch hier wird's wieder teurer. Doch der Petitionsausschuss des Leipziger Stadtrats hält die Petition nicht für abhilfefähig.

Der Leipziger Stadtrat hatte eigentlich schon vor drei Jahren ein neues Finanzierungskonzept für den ÖPNV in Leipzig vom MDV verlangt. Was der MDV aber im Sommer 2014 vorgelegt hatte, war nicht mehr als ein Gutachten, das bestätigte, dass die Kosten des Nahverkehrs immer weiter steigen – und immer mehr von diesen Kosten bei den Nutzern landen, während Bund, Land und Stadt eifrig sparen. Doch vor 2016 stellt auch Leipzigs OBM keine andere Finanzierung der LVB in Aussicht.

Doch was soll bis dahin passieren? – Einen Fahrpreisstopp hatten die drei Umweltverbände gefordert: „Die Petition spricht sich gegen weitere Steigerungen der Fahrpreise und die Aussetzung der für den 01.08.2015 geplanten Preiserhöhung aus. Stattdessen soll bis zum 30.06.2015 der Entwurf eines neuen ÖPNV-Finanzierungskonzeptes erstellt werden, wobei es in keinem Falle zu einer Reduzierung des derzeitigen Angebotes im ÖPNV kommen soll.“

Der Petitionsausschuss hat das Dilemma durchaus wahrgenommen: „Grundsätzlich ist auch der Stadt Leipzig sehr an einem attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gelegen. Dafür braucht es zwingend ein vertragliches Konzept zur Finanzierung. Hierzu ist die Stadt bereits seit Anfang 2014 gemeinsam mit den anderen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen im Rahmen des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) in der Erarbeitung eines Konzeptes zur zukünftigen Finanzierung des ÖPNV im MDV-Gebiet tätig.

Nach intensiven und umfangreichen Abstimmungen, Analysen und Bewertungen liegt seit November 2014 eine Studie zur Finanzierungsstruktur und -prognose für den ÖPNV für den gesamten Verbundraum vor. Diese wurde bereits u. a. am 14.10.2014 im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau und in zusammengefasster Form im Verwaltungsausschuss am 07.01.2015 konkret vorgestellt.“

Doch die Studie ist nicht das vom Stadtrat verlangte Konzept. Trotzdem geben sich die im Petitionsausschuss versammelten Stadträte mit dem Stand der Dinge erst einmal zufrieden.

„Die Studie belegt, dass der Finanzierungsbedarf für den ÖPNV allgemein in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen wird. Neben Aussagen für den gesamten MDV-Raum wurden in einem separaten Steckbrief auch gezielt erste aussagekräftige Kennwerte für das Gebiet der Stadt Leipzig erarbeitet. Die Studie zeigt neben den bereits zur Geltung kommenden Möglichkeiten wie der Erhöhung der Produktivität, moderate Tariferhöhungen, der Gewinnung neuer Fahrgäste und der Einnahme öffentlicher Mittel aus Bund, Ländern und Kommunen auch ergänzend Alternativen zur Finanzierung des ÖPNV in einem Maßnahmenmix auf.“

Tut die Studie nicht wirklich. Sie erwähnt nur lauter Möglichkeiten, mit denen man Geld einholen könnte. Es ist schon erstaunlich, dass die fünf Mitglieder des Ausschusses das für eine gute Arbeitsgrundlage halten.

„Mit dem Strategieprozess bezüglich der künftigen Finanzierung des ÖPNV im MDV wurde bereits eine gute Basis für ein Konzept eines finanzierbaren ÖPNV geschaffen“, schreiben sie in ihrer Begründung der Ablehnung. „Diese Grundlage sowie die in dieser Analyse grundsätzlich dargelegten Finanzierungsoptionen gilt es, ggf. im Zusammenhang mit weiteren Ideen, in den kommenden Jahren u. a. unter Berücksichtigung alternativer Finanzierungsformen und der Einbindung der Politik sowie weiterer Stakeholder speziell für die Stadt Leipzig zu konkretisieren sowie ein abgestimmtes und vertragliches Finanzierungskonzept für die Stadt Leipzig zu schaffen. Hierfür wurden bereits Arbeitsgruppen gebildet.“

Motto also: Es wird ja gearbeitet. Aber mit schnellen Lösungen ist nicht zu rechnen.

„Nach gegenwärtigem Stand werden sich die Gremien frühestens 2016, ggf. aufgrund der Komplexität sowie damit zusammenhängender umfanglicher Rechtsprüfungen auch erst 2017 intensiv mit der Finanzierung des ÖPNV in der Stadt Leipzig befassen können. (…) Insofern ist der Beschlusspunkt 1 der Petition, bis zum 30.06.2015 den Entwurf eines neuen ÖPNV-Finanzierungskonzeptes zu erstellen und diesen im 3. Quartal 2015 der Öffentlichkeit zur Diskussion zu stellen und das Konzept noch in 2015 einer Beschlussfassung zuzuführen, in Bezug auf die zeitlichen Aspekte nicht umsetzbar.

Wie bereits beschrieben, wird damit gerechnet, dass den Gremien Ende 2016 bzw. in 2017 ein endabgestimmtes und rundes Finanzierungskonzept vorgestellt werden kann. Im Zuge eines funktionierenden und ‚gesunden‘ Maßnahmenmixes zur künftigen Finanzierung des ÖPNV ist kurzfristig schwer vorstellbar, dass auf Tarifanpassungen zukünftig verzichtet werden kann.“

Womit dann schon einmal die Tariferhöhungen für 2016 und 2017 angekündigt sind. Denn wenn das neue Konzept 2017 erst vorgestellt wird, wird es nicht vor 2018 umgesetzt. Zumindest geht der Petitionsausschuss darauf ein, wo es eigentlich klemmt und wie es sogar schnell geändert werden könnte. Denn dass die Fahrgäste der LVB mit den jährlichen Preissteigerungen den Laden gerettet haben, das wissen sie selbst.

Und dann wird’s aber rechtlich ein bisschen skurril, wenn der Ausschuss erklärt: „Der Verzicht auf eine Preiserhöhung zum 01.08.2015 wäre zudem rechtlich sehr problematisch. Gemäß Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sind die mit den Verkehrsleistungen beauftragten Verkehrsunternehmen verpflichtet, die vertraglich vereinbarten Leistungen in vollem Umfang zu erbringen, was jedoch ohne Preisanpassung nicht finanzierbar ist. Insofern ist der am 04.12.2014 durch die Gesellschafterversammlung des MDV gefasste Beschluss einer Tariferhöhung zum 01.08.2015 bindend, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Verkehrsunternehmen weiterhin sicherzustellen.“

Tatsächlich könnte dieselbe Absicherung durch eine Erhöhung des Gesellschafterzuschusses erfolgen, just jener 45 Millionen Euro, die die Stadt Leipzig seit 2009 einfach gedeckelt hat. Es war schon damals fragwürdig, die Kostensteigerungen allein den Fahrgästen aufzubürden, während die Stadt meint, 45 Millionen Euro ihrerseits würden völlig reichen.

Das steckt nämlich auch im nächsten Satz: „Grundsätzlich ist im Gesellschaftsvertrag des MDV geregelt, dass die Gesellschafterversammlung mit mindestens 30 von Hundert der Stimmen der nicht einnahmeberechtigten Aufgabenträger-Gesellschafter eine geringere Tarifanpassung festlegen kann, jedoch nur, wenn die Aufgabenträger, welche mit ihren Stimmrechten einen solchen Beschluss herbeiführen, den Verbundunternehmen und den einnahmeberechtigten Aufgabenträger-Gesellschaftern die sich hieraus ergebenden Einnahmeausfälle ausgleichen.“

Das heißt, Leipzig könnte durchaus beschließen, die Tarife nicht anzuheben – müsste aber in gleicher Höhe den Zuschuss an die LVB erhöhen. Rechtlich wäre das möglich.

Auch die Größenordnung kann der Petitionsausschuss benennen: 3 Millionen Euro. Der Zuschuss der Stadt Leipzig an die LVB müsste also nicht bei 45 Millionen Euro liegen, was eindeutig zu wenig ist. Es müssten mittlerweile eher 55 Millionen sein – grob geschätzt. Die Antwort zeigt aber auch, dass die Fahrgäste in Leipzig Jahr für Jahr die volle Kostensteigerung von 3 Millionen Euro auferlegt bekommen, während die Stadt die gedeckelten 45 Millionen Euro Zuschuss als Errungenschaft feiert.

Und da wird es jetzt spannend. Denn die fünf Stadträte aus dem Petitionsausschuss finden, dass es unzumutbar sei, den Stadthaushalt zusätzlich zu belasten.

„Eine, wie im Beschlusspunkt 3 der Petition geforderte, Aussetzung der Tariferhöhung in 2015 ist somit nicht ohne Weiteres umsetzbar und abzulehnen, da sie die Stadt Leipzig vor eine nicht zu bewältigende finanzielle Herausforderung stellen würde. Dies würde in der Konsequenz dazu führen, dass in anderen Bereichen finanzielle Mittel in enormen Größenordnungen eingespart werden müssten. Darüber hinaus setzt die erhobene Forderung eine grundlegend neue verkehrspolitische Willensbildung voraus.“

Aber darum geht es doch die ganze Zeit. Oder?

Die Begründung des Petitionsausschusses in voller Länge.

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