Da haben sie nun eifrig gefochten und diskutiert zum Jahreswechsel 2014 /2015 - die Leipziger Ratsfraktionen, als es um den neuen Stadtentwicklungsplan Verkehr ging. Am "Modal Split" haben sie sich regelrecht wund gerieben. Ein Streit, der so hätte auch gar nicht stattfinden müssen, hätte Leipzig schon neue Zahlen gehabt. "Modal Split" - das ist die Verteilung der verschiedenen Verkehrsarten an den Wegen der Leipziger.

Das kann man nach Wegearten – zur Arbeit, zum Einkauf, in die Freizeit – aufdröseln. Das macht die jährliche Bürgerumfrage. Um die kümmern wir uns gleich nachher noch.

Man kann aber auch einen “Modal Split” abfragen, der generell über alle Verkehrs- und Zielarten gilt. Das ist der “Modal Split”, der im STEP Verkehr steht und über den so heiß gestritten wurde. Und man versteht diesen Streit – aber nicht, weil der motorisierte Individualverkehr dabei benachteiligt würde, sondern weil das eigentliche Problemkind der ÖPNV ist.

Und das hat jetzt die Befragung der TU Dresden, die das schon seit Jahren in Leipzig regelmäßig macht, bestätigt.

Auch wenn diesmal noch ein besonderer Schwerpunkt in dieser Erhebung im Rahmen des „Systems repräsentativer Verkehrsbefragungen“ (SrV) durch die Technische Universität Dresden gesetzt wurde: die Mobilität der Leipziger vor und nach der Inbetriebnahme des City-Tunnels.

Deshalb hat das Ganze auch so schrecklich lange gedauert. Und das bei einer Erhebung, die sowieso nur aller fünf Jahre stattfindet. Das ist für eine wachsende Stadt wie Leipzig fast eine Ewigkeit.

Und das Wichtigste als Erkenntnis: Der Anteil des Kfz-Verkehrs an den Wegen der Leipziger ist gegenüber 2008 weiter zurückgegangen.

Die zweite Erkenntnis: Die LVB haben davon überhaupt nichts gehabt – im Gegenteil, sie haben weiter an Boden verloren. Von 20 oder gar den verkündeten 25 Prozent aller Wege sind sie Lichtjahre weit entfernt.

Die Ergebnisse

Im Zeitraum zwischen den letzten Befragungen 2008 bis 2013 hatte Leipzig gleichzeitig einen Zuwachs von ca. 30.000 Einwohnern zu verzeichnen. Der leichte Rückgang des prozentualen MIV-Anteils ist daher im Straßennetz nicht spürbar, da ihm eine wachsende absolute Zahl mobiler Bürger gegenübersteht, betont das Planungsdezernat.

„Das sind insgesamt positive Ergebnisse“, kommentierte Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. „Der Anteil des MIV ging nach einem erstmaligen Rückgang 2008 auch 2013 weiter zurück. Mit einer Reduzierung um 1,3 Prozent fällt dieser zwar deutlich moderater aus als 2008 (-4,4 Prozent), insgesamt ist der Anteil des MIV seit 2003 jedoch von ehemals 44 auf nun 38,3 Prozent und damit bereits um fast 6 Prozentpunkte gesunken. Es zeigt sich aber auch deutlich, dass es bei weiter steigender Bevölkerungszahl umso wichtiger wird, auf eine weitere Steigerung des Anteils des Umweltverbundes entsprechend der Ratsbeschlüsse hinzuwirken, um die absolute Belastung des Straßennetzes, der Stadträume und der Bevölkerung nicht größer werden zu lassen. Aufschlussreich werden dahingehend sicher bereits die im nächsten Jahr erwarteten Ergebnisse der zweite Befragung sein, die zeigen werden, in welchem Maße der City-Tunnel das Mobilitätsverhalten beeinflusst.“

Die Resultate des SrV-Befragungsteils 2013 zeigen, dass sich das Mobilitätsverhalten der Leipzigerinnen und Leipziger weiter, wenn auch langsam, in die Richtung bewegt, die der vom Stadtrat beschlossene Stadtentwicklungsplan „Verkehr und öffentlicher Raum“ anvisiert. So steigen der Anteil des Fußgänger- und der des Radverkehrs, während der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) um weitere 1,3 Prozentpunkte zurückgeht. Dass gleichzeitig auch der Anteil des ÖPNV zurückging, ist mit den erheblichen Einschränkungen im Befragungsjahr 2013 bei S-Bahn (Nicht-Betrieb der Linie 1) und Nahverkehrszügen begründet, Straßenbahn und Bus allein weisen 2013 auch ein geringes Plus in der Nutzung aus.

Die Details

Der motorisierte Individualverkehr (MiV) nahm anteilmäßig von 39,6 Prozent im Jahr 2008 auf 38,3 Prozent ab. Das war – wie man sich erinnert – der Hauptkritikpunkt der CDU, dass nun im STEP Verkehr zu lesen sei, dass Leipzig diesen Anteil sogar auf 25 Prozent senken will. Die CDU-Fraktion interpretierte das als Versuch, den Autoverkehr nun mit eingreifenden Maßnahmen auszubremsen.

Aber das eigentlich Prekäre ist: Über seine Verkehrsmittelwahl entscheidet noch immer jeder Leipziger selbst. Die Stadt redet zwar gern davon, sie wolle den Autofahrern “Angebote machen”. Aber Fakt ist, es sind zwei ganz simple Dinge, die über das Umsteigen entscheiden: der Preis und die Einfachheit.

Und wenn man Autofahrer zur Nutzung von Straßenbahn, Bus und S-Bahn bewegen will, muss der Preis stimmen und die Nutzung muss simpel sein. Die schlichte Wahrheit ist: Beides ist nicht der Fall. Jahr für Jahr haben die LVB ihre Preise saftig erhöht, der Ticketdschungel im MDV ist Legende.

Und gerade die Entwicklung zwischen 2008 und 2013 zeigt: So bekommt Leipzig die Autofahrer nicht in die Straßenbahnen.

Die ÖPNV-Politik der vergangenen sieben Jahre war kontraproduktiv

Zwar sinkt der Anteil der Autonutzer leicht (was natürlich die Frage aufwirft: Hätte er bei einer vernünftigen ÖPNV-Politik nicht viel stärker sinken können?), aber auch die LVB haben happig an Anteil verloren – und zwar noch stärker als der Pkw-Verkehr: Der ÖPNV-Anteil sank (trotz City-Tunnel) von 18,8 auf 17,1 Prozent. Das ist, wenn man es ehrlich betrachtet, eine saftige Ohrfeige für alle, die in Leipzig ÖPNV-Politik zu verantworten haben.

Und da es nicht nur um Nutzerfreundlichkeit geht, sondern auch um den Preis der Mobilität, ist eigentlich logisch, dass die barrierefreien und preiswerten Verkehrsarten Zugewinne erzielten: Den deutlichsten Zuwachs erlebten die zu Fuß zurückgelegten Wege von 27,3 auf 29,3 Prozent. Und zugelegt hat auch der Radverkehr, der stieg von 14,4 auf 15,2 Prozent.

Der Vergleich mit dem für 2025 geplanten “Modal Split”

Es erweist sich also komplett als Utopie, den Anteil des ÖPNV bis 2025 auf 25 Prozent hochpuschen zu wollen. Dazu reichen die Investitionen in die LVB nicht hinten und nicht vorne. Und alle Pläne, die das Leipziger Verkehrsunternehmen in der Schublade haben, bilden nicht ansatzweise die Basis für so einen Zuwachs. Denn Fakt ist: Die LVB müssten in den nächsten zehn Jahren ihren Fuhrpark und ihre Transportkapazitäten um ein Drittel ausweiten, müssten Takte verdichten, Bahnen länger fahren lassen, neue Strecken in Betrieb nehmen und dutzende Punkte, an denen die Straßenbahn im Streckennetz ausgebremst wird, beseitigen. Das ist mit dem gegenwärtigen System gar nicht zu stemmen.

Den Fußverkehr sehen die Planer 2025 bei 30 Prozent. Das kann sogar schon viel schneller so kommen, obwohl bezweifelt werden darf, dass die Leipziger freiwillig zu Fuß gehen. Mit 29,3 Prozent ist der Wert schon fast erreicht. Ein guter Teil des Zuwachses beim Fußverkehr resultiert aus den Verlusten der LVB: Wer sich die teuren Tickets nicht mehr leisten kann, läuft die Kurzstrecke eben doch lieber zu Fuß.

Im Radverkehr bestätigt sich der Trend, dass immer mehr Leipziger das Rad nicht nur in der Freizeit, sondern auch auf dem Weg zur Arbeit nutzen. 20 Prozent versprechen sich die Planer 2025 im Radwegeanteil – da fehlen zwar noch knapp 5 Prozent. Aber auch die holt man nur auf, wenn das Radwegesystem endlich verbessert, sicherer und nutzerfreundlicher wird.

Fazit

Gerade was das Thema ÖPNV betrifft ist diese Erhebung des Leipziger “Modal Split” eine Warnlampe: Das Rumgeeier der letzten Jahre mit Fahrpreiserhöhungen und fehlenden Investitions- und Fördermitteln hat vor allem die Straßenbahn nicht zum Alternativ-Verkehrsmittel der 1. Wahl gemacht. Sie rangiert eindeutig erst auf Rang 3.

Jetzt ist nur die Frage: Wird auf den politischen Entscheidungsebenen weiter herumgeeiert und verschoben und beschwichtigt? Oder dringt die Botschaft so langam durch: Weniger Pkw-Verkehr gibt es nur, wenn es im ÖPNV endlich einen Quantensprung gibt.

Die SrV-Erhebung für 2013.

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Es gibt 2 Kommentare

Also ich würde ja auch lieber die Zahlen nach Fertigstellung des Citytunnels haben wollen, bevor ich einen “Sinkflug” der ÖPNV-Nutzung konstatieren würde, aber Fakt bleibt, dass das Ziel, den ÖPNV wirklich nach vorn zu bringen, nicht wirklich konsequent verfolgt wird. Sonst gäbe es nicht diese ständigen kontraproduktiven Fahrpreiserhöhungen und den riesigen Investitionsstau bei den LVB. Der ÖPNV kann ruhig noch viel stärker gefördert und privilegiert werden. Die tägliche Erfahrung zeigt, dass der MIV immer noch viel zu attraktiv ist. Verglichen mit anderen Großstädten in D herrschen hier für Autofahrer geradezu paradiesische Zustände. Wo sonst ist das Auto nach wie vor für viele de facto das schnellste (und bequemste) innerstädtische Verkehrsmittel (Lindenau-Taucha inkl. Fußmärsche: mit der Bahn 75 Minuten (wenn keine Verspätung), Fahrrad 40 Minuten, Auto 25-30 Minuten)!?

“… aber auch die LVB haben happig an Anteil verloren – und zwar noch stärker als der Pkw-Verkehr: Der ÖPNV-Anteil sank (trotz City-Tunnel) von 18,8 auf 17,1 Prozent.”
Das ist nicht richtig: der ÖPNV insgesamt ist um diesen Wert gesunken. Aufgeteilt auf S-Bahn/Nahverkehrszüge einerseits und LVB (Straßenbahn, Busse) andererseits, zeigt sich, dass der Wert aus dem starken Verlust ersterer herrührt, die LVB dagegen zumnindest leicht zugelegt hat. Grund: im jetzt ausgewerteten Befragungsjahr 2013 – und also VOR Inbetriebnahme des City-Tunnels – war die Linie 1 der S-Bahn eingestellt und die Nahverkehrszüge eingeschränkt. Die Werte und Veränderungen NACH Inbetriebnahme des City-Tunnels wurden mit einer zusätzlichen Erhebung von Mitte 2014 bis Mitte 2015 erhoben, deren Ergebnisse 2016 vorliegen sollen. Steht auch alles so in der Auswertung SrV 2013 drin.

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