Es war die SPD-Fraktion, die im Herbst ungeduldig wurde und mal nachfragte, wo denn nun die für 2015 zugesagte Netzplanung zum Radverkehr in Leipzig bleibe? Die ganze Stadt ist in Bewegung. Der Radverkehr nimmt sichtlich zu. Aber die konkreten Pläne für ein gut ausgebautes Radnetz in Leipzig fehlen. Im Dezember bekam die Fraktion ein paar Antworten. Die irgendwie nicht wirklich genau waren, findet der Radfahrerklub ADFC.

Der muss es ja wissen. Der ist ja eingebunden in das Projekt, das eigentlich 2015 schon dem Stadtrat vorgestellt werden sollte. Im Juli war man ja schon recht weit. Aber seitdem hat auch der ADFC nichts mehr von den Planern gehört. Und war entsprechend verblüfft über einige Antworten an die SPD-Fraktion. Denn irgendwie stocken wesentliche Arbeiten am Gesamtkonzept gerade.

“Die Antwort der Verwaltung kann der ADFC Leipzig, der darin mehrfach erwähnt wird, nur teilweise bestätigen”, teilt der Radfahrerverein deshalb nun mit. “Richtig ist, dass die gemeinsame Planung von ADFC und Stadtverwaltung zum Leipziger Radnetz weit fortgeschritten ist. Um allen Beteiligten eine möglichst anschauliche Abwägung und Fortschreibung zu ermöglichen, hat der ADFC umfangreiche webbasierte Kartengrundlagen erarbeitet. Die letzte Fassung ist vom Juli 2015. Obwohl noch etliche Details gemeinsam zu klären sind, hat der ADFC seitdem leider keine Rückmeldung erhalten.”

Denn das Hauptproblem in Leipzig ist nun einmal die Schaffung eines stringenten und auch sicheren Radnetzes. Erst dann wird aus dem Radverkehr keine störende Begleiterscheinung mehr in der Leipziger Radplanung, sondern ein eigenständiges Verkehrssystem. Der ADFC: “Mit einem verbindlichen Radverkehrsnetz können Maßnahmen priorisiert und Fördermittel effektiv eingesetzt werden. Wie wichtig die Netzplanung auch für einzelne Baumaßnahmen ist, zeigt die geplante Brücke zur S-Bahn-Station MDR.”

Diese Brücke wird ja gerade im Fachausschuss Planung und Bau behandelt. Die Stadt hatte dabei durchaus kurvige Vorstellungen und man merkte schon recht deutlich, dass Leipzigs Planer sich ein schnelles und sicheres Radnetz im Kopf nicht wirklich vorstellen können.

“Dieses Vorhaben wurde mit uns im Zuge der Netzplanung nicht diskutiert. Dabei sind die möglichen Querbeziehungen für den Radverkehr äußerst interessant“, führt dazu Dr. Christoph Waack, Vorsitzender des ADFC Leipzig, aus. Bei der vorgesehenen Errichtung direkt an der S-Bahn-Station würde die geplante Brücke im Verlauf dieses Radweges zum Beispiel ausschließlich als südlicher Ausgang zum MDR und zu den Tierkliniken dienen. Würde die Brücke aber in Verlängerung der Steinstraße errichtet, bekäme sie eine wichtige Netzfunktion für den Radverkehr, denn dann könnten Radfahrende von der Südvorstadt direkt zur Alten Messe gelangen und gleichzeitig wäre die S-Bahn-Station MDR gut angebunden.

Und – was augenscheinlich klassische Verkehrsplaner nicht so recht auf dem Radar haben: Als direkte Route wäre der Radweg auch attraktiv.

Bis dato gilt oft der Leitsatz: Radfahrer müssen sich in das für den motorisierten Verkehrsteilnehmer gebaute Netz einreihen und anpassen. Und sie müssen auch sämtliche damit verbundenen Störungen ertragen: zugeparkte Radstreifen, unübersichtliche Richtungsführungen, Einreihen an Ampelkreuzungen, wo sie mitten in den Abgasen der Fahrzeuge stehen, Ampelregelungen, die sogar Hauptrouten wie die Karl-Liebknecht-Straße ausbremsen. Usw. Wer in Leipzig Rad fährt, weiß, dass die Planer selten bis nie mit dem Rad unterwegs sind.

Eine wichtige Netzkategorie wurde bisher noch gar nicht untersucht, betont deshalb auch der ADFC: Radschnellwege über längere Distanzen, beispielsweise nach Markkleeberg oder Schkeuditz und Halle. Denn Radfahrer wollen eben nicht nur mal 300 Meter bis zum nächsten Supermarkt fahren. Attraktiv wird Radfahren nur, wenn man auch längere Distanzen sicher auf eigenen Routen zurücklegen kann und auf diese Weise auch schneller durchs Stadtgebiet kommt.

Hier würden sich weitgehend kreuzungsfreie Führungen entlang von Gewässern und (stillgelegten) Bahntrassen anbiete, so der ADFC. Aber zuletzt konnte man bei der Diskussion um den (autofreien) Clara-Zetkin-Park erleben, auf wie wenig Verständnis die Idee solcher eigenständigen Radspuren trifft. Ausgewachsene Autofahrer fanden es in der Diskussion auf einmal viel besser, sich hier – mitten im Fußgängergewimmel – einen Shared Space zu wünschen.

Logische Einschätzung des ADFC: Andere Regionen in Deutschland sind da viel weiter.

Auch beim touristisch orientierten SachsenNetzRad gibt es aus Sicht des ADFC Abweichungen in der Streckenführung, die mit den Ansprüchen an ein landesweites „Premiumnetz“ nicht vereinbar sind. Der ADFC drängt deshalb auf eine Überarbeitung in Abstimmung mit den angrenzenden Landkreisen.

„Eine Streckenoptimierung ist jetzt sinnvoll, bevor das SachsenNetzRad, wie aktuell im ganzen Freistaat Sachsen geplant, neu beschildert und ausgebaut wird“, meint Heiko Rudolf, Mitglied der AG Verkehr des ADFC Leipzig.

Hier gelte es, die Routen ins Leipziger Umland so anzupassen, dass man sich auf eine hohe radtouristische Qualität, unabhängig von der Witterung, verlassen kann. Gut ausgebaute und umwegarme Strecken abseits großer Straßen sind attraktiv: die Bahnradwege nach Lützen oder entlang der Mulde zwischen Grimma und Wurzen machen es vor. In Leipziger Parkanlagen und im Auwald würden solche Hauptrouten auch den Alltagsradverkehr bündeln und dadurch sensible Räume und Wege schonen.

Erst wenn man das so konsequent denkt, bekommt man auch eine Vorstellung davon, wie ein vernünftiges und logisches Leipziger Radnetz aussehen könnte.

“Mit der Optimierung des SachsenNetzRad kann eine hohe Sichtbarkeit des Radverkehrs im touristischen Bereich auch für die Stadt Leipzig erzielt werden. Das SachsenNetzRad dient jedoch nicht dazu, im Zickzack möglichst viele Sehenswürdigkeiten der Stadt abzufahren. Dafür sind lokale thematische Routen wie das NotenRad oder zahlreiche Tourenangebote verschiedener Reiseführer besser geeignet“, fasst Dr. Christoph Waack die zukünftige Aufgabe eines qualifizierten überregionalen Radnetzes zusammen.

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Es gibt 4 Kommentare

>weil ein 46-Jähriger sie beim Öffnen der Autotür übersehen hatte

Jedenfalls hat der Autofahrer schuldhaft nicht richtig geguckt. Man kann dieses Tuer-Radfahrer-Problem naemlich vermeiden. Ja, das geht. Erst nur gucken, dann die Tuer ganz wenig aufmachen und nochmals gucken. Dann kann auch nichts passieren.

Gelenkprobleme halten ein Leben lang. Die arme Radfahrerin.

Steht in der LVZ wirklich das Wort “übersehen”?
Das waere sehr typisch fuer dieses Autokaesblatt. Diese Journaille schreibt immer so Zeugs wie “Radfahrer missachtet rote Ampel” und “Autofahrer uebersieht rote Ampel”. 😛

Radfahren auf Kraftfahrstraßen birgt hohes Konfliktpotential, bei dem immer der Radfahrer verliert …

Ganz aktuell aus der LVZ:

Eine 32-jährige Radlerin hat sich am Montagnachmittag in Leipzig-Gohlis schwere Verletzungen bei einem Unfall zugezogen. Die Frau stürzte gegen 14.30 Uhr in der Georg-Schumann-Straße, weil ein 46-Jähriger sie beim Öffnen der Autotür übersehen hatte.

Die Radfahrerin musste mit schweren Kopfverletzungen in einen Klinik gebracht werden, teilte die Polizei mit. Zwei Zeugen hatten die Rettungskräfte alarmiert. Gegen den Autofahrer laufen nun Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung.

und ich frage mich seit Jahren:

Warum keine Fahrrad-Highways in den Parallelstraßen zu den großen Kraftfahrstraßen (Magistralen):
Zschochersche Straße, Dieskaustraße, KarLi, KarlHeine, Eisenbahn, GeorgSchumann, …. ?

Als aktiver Radfahrer würde ich es äußerst begrüßen, nicht auf – durch einen Strich getrennten – Radfahrstreifen im Automief radfahren zu müssen.

Radfahren hat für mich eine ökologische und gesundheitliche Komponente. Durch die körperliche Mehrbelastung nimmt der Körper Schadstoffe der Abgasluft viel intensiver auf! Radfahren direkt neben Autos ist also alles andere als gesund. Anders als Autofahrerkabinen habe ich keinen Staubfilter.

leipzig.de:
“Im Radverkehrsentwicklungsplan werden drei messbare Ziele zur Förderung des Radverkehrs festgelegt. Dabei geht es um die Erhöhung des Radverkehrsanteils an den täglichen Wegen von 14,4 % in 2008 auf 20 % bis 2020 , um die Verbesserung der Verkehrssicherheit und um die Steigerung der Attraktivität des Systems Radverkehr aus Nutzersicht.”

Leipzig lag 2013 erst bei 15.2%: knapp 1% in 5 Jahren!
Dessau hat bereits 22%…

– Wöchentlich ärgere ich mich, dass ich nur mit Hinder- und Ärgernissen durch die Stadt radeln kann (Ost-West).
– Das Rad in der Bahn mitzunehmen kostet zu den 2.50EU noch extra!
– Einfallslose Markierungen auf “Vorher-Auto-Straßen” lassen tief blicken.

Ich schaue immer skeptisch auf solche Extreminstitutionen wie den ADFC, aber scheinbar geht es sonst nicht anders!

Ich empfehle die SrV 2013 zum Lesen. Googlebar.

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