Der vom Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) erstellte Nationalatlas ist ein Beispiel dafür, wie man die Veränderung eines Landes wie der Bundesrepublik sichtbar machen kann. In immer wieder neuen thematischen Karten wird hier sichtbar gemacht, wie sich Phänomene ändern. Aktuell: die Inlandfliegerei. Eigentlich ein ökologischer Wahnsinn. Aber manche Menschen können gar nicht schnell genug irgendwo sein. Lauter wichtige Leute.

Aber wenn selbst diese Lufthopperei von wichtigen Leuten beflügelt wird, dann ist auch logisch, dass sich das Rumgefliege auf die großen Flughäfen beschränkt: Hamburg, Frankfurt, München, Berlin. Kleinere Flughäfen – und in dieser Liga spielt bei Inlandsflügen auch der Flughafen Leipzig/Halle, der Flughafen Dresden sowieso – haben dabei eigentlich keine Chancen, versuchen aber trotzdem auch das Segment irgendwie vorzuhalten, wie die Analyse des Göttinger Geographen Dr. Tobias Behnen zeigt, die das Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig jetzt in seinem Webangebot „Nationalatlas aktuell“ veröffentlicht hat.

Im Unterschied zum internationalen Personenluftverkehr, wo es seit Jahren immer neue Zuwächse bei den Passagierzahlen gibt, sieht es im innerdeutschen Luftverkehr eher schwankend aus. Von 1991 bis 2008 waren hier die Passagierzahlen von 14,2 auf 24,7 Millionen gestiegen, danach aber begann ein langsamer Rückgang. 2015 waren es dann noch 23,1 Millionen Inland-Passagiere. „Gerade bei kleineren Flughäfen wurden viele Hoffnungen enttäuscht“, sagt Dr. Tobias Behnen von der Universität Göttingen. Der Geograph beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Luftverkehr.

Spitzenreiter bei den Inlandsflügen sind nach den Ergebnissen der Studie die geographisch eher am Rand gelegenen Flughäfen München und Berlin-Tegel. Sie bieten viele gut nachgefragte, hochfrequent bediente Verbindungen zu deutschen Zielen. Zudem nutzen jährlich fast zwei Millionen Fluggäste die Strecke zwischen den beiden Standorten.

Alles in allem, so Behnen, sei die Marktsituation jedoch „komplex“. So zeigten sich für den Zeitraum 2011 bis 2015 deutliche Rückgänge für Flughäfen jeder Größenordnung. Besonders stark ist der Schwund bei den Passagierzahlen an kleineren, peripher gelegenen Standorten wie Münster/Osnabrück (-33 %), Saarbrücken (-31 %), Karlsruhe/Baden-Baden (-38 %) oder Nürnberg (-29 %). Aber auch Dresden verzeichnete – auf eh schon sehr niedrigem Niveau – einen Rückgang von 12 Prozent. In Leipzig waren es -2 Prozent.

Eine Ursache für die wirtschaftlichen Probleme der Regionalflughäfen sieht Behnen in der marktbeherrschenden Stellung des Lufthansa-Konzerns: „Die kleineren Flughäfen wünschen sich oft eine Tagesrandverbindung nach Frankfurt am Main oder München, aber die Lufthansa hat kein Interesse, und andere geeignete Fluggesellschaften gibt es nur sehr wenige.“

Oder mal so formuliert: Andere Fluggesellschaften sehen in solchen Verbindungen kein profitables Unternehmen. Eigentlich ein sicheres Zeichen dafür, dass der Traum von solchen Flugverbindungen auf keinen wirtschaftlichen Füßen steht, sondern meistens nur in den Köpfen weltfremder Lokalpolitiker vor sich hingärt, die nur zu bereit sind, so einen Zuschussflughafen noch mit weiteren Millionengeldern zu pampern, wenn sie nur die geringste Hoffnung haben, hier eine verirrte Fluglinie begrüßen zu dürfen. Eklatantester Fall aus Leipzigs Umgebung war ja der thüringische Zuschussflughafen in Altenburg-Nobitz.

Auch anderen kleineren Flughäfen sei es trotz großer Erwartungen nicht gelungen, Fluggesellschaften anzusiedeln, die innerdeutsche Strecken regelmäßig bedienen. Als Beispiele nennt Behnen die Regionalflughäfen Erfurt-Weimar, Kassel, Lübeck oder Magdeburg-Cochstedt. Da hat man mit Erfurt-Weimar und Cochstedt gleich noch zwei ostdeutsche Geldvernichtungs-Projekte.

Der natürliche Gegenspieler solcher Inlandsflüge ist ja nun einmal die Bahn. Und selbst in den deutschen Provinzen hat man mitbekommen, dass sich viele Großprojekte der Deutschen Einheit seit 20 Jahren auf schnelle ICE-Verbindungen zwischen Ost und West, Süd und Nord konzentriert haben. Einige dieser Strecken sind mittlerweile in Dienst gegangen und können mit ihrer hohen Taktfrequenz und den gefahrenen Geschwindigkeiten den Kerosinverbrennern deutlich Konkurrenz machen. Ganz zu schweigen davon, dass die Züge auf Hauptbahnhöfen einrollen und nicht weit ab in der Pampa, wo man dann noch einen Buszubringer braucht, um in die nächste Großstadt zu kommen.

Die Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahn haben – so sieht es auch Behnen – dazu beigetragen, dass Flugverbindungen reduziert oder eingestellt werden mussten. Eine wichtige Rolle spiele dabei der Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens, der mit dem Angebot „Lufthansa Express Rail“ optimal in Wert gesetzt werde. In dem Prinzip, ICE-Züge mit einer Flugnummer zu versehen und den Gepäcktransport zu garantieren, sieht der Göttinger Geograph erhebliches Zukunftspotenzial. Neben dem unmittelbaren Vorteil, dass bei Zugverspätungen die Fluggesellschaft für die Weiterbeförderung sorgt, würde die Verlagerung des innerdeutschen Flugverkehrs auf die Schiene zudem die Belastungen durch Emissionen und Fluglärm mindern.

Pech für Leipzig/Halle: Hier konnte eine so optimale Verbindung zwischen Flugangebot und sinnvoll vertakteten ICE nicht hergestellt werden. Man hat schlicht aneinander vorbei geplant und am Ende nur eher so eine Seitenrandverbindung hinbekommen. Das ist für Wirtschaftsleute, die schnelle und direkte Verbindungen brauchen, kein echtes Angebot.

Behnen hat zu Inlandsflügen irgendwie auch noch eine emotionale Beziehung: „In peripheren Regionen erleichtern sie den Zugang zu Metropolen und Märkten und unterstützen so durchaus das Nachhaltigkeitsziel der sozialen Gleichheit.“

Das muss dann wohl eine ganz spezielle Göttinger Sicht auf das Thema sein, denn sichtlich schaffen gute ICE-Verbindungen so eine nachhaltige Anbindung von Randlagen besser als Flugzeuge – ganz davon zu schweigen, dass sie deutlich mehr Ziele einbinden als die Ein-Ziel-Flieger in der Luft. Auch so betrachtet kann die Inlandsfliegerei nicht wirklich nachhaltig sein.

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