Vielleicht braucht es wirklich eine Anweisung. Oder einen Stadtratsbeschluss. Denn 2011 hat Leipzigs Verkehrs- und Tiefbauamt etwas begonnen, was deutschlandweit für ein kleines Aufsehen sorgte: Es montierte erstmals auch Ampelmädchen an Leipziger Lichtsignalanlagen. Bis dahin dominierte stadtweit das bekannte Ampelmännchen aus DDR-Zeiten, das seit 1994 in Leipzig auch ganz offiziell die Ampelweisungen gibt.

Kurz nach 1990 gab es ja die hübsche deutsch-deutsche Diskussion: Wer hat das schönere Ampelmännchen? Gewonnen hat eindeutig der Osten. Das Männchen sieht knuffig aus, ein bisschen sehr verspielt. Aber das kommt durch den dicken Kopf und den dicken Bauch. Und die wurden so, weil sich dadurch die Leuchtfläche vergrößert. Das Norm-Ampelwesen aus dem Westen war dagegen schlank und nicht so gut zu sehen.

Es war eher nicht der ostalgische Reiz, sondern die hohe Funktionalität, die dem Ost-Ampelmännchen auch in Leipzig das Überleben sicherte.

Aber etwas fehlte. Eigentlich fehlte sogar vieles. Heute gibt es ja eine bunte Vielfalt von Ampelfiguren in ganz Deutschland. In Mainz haben die Mainzelmännchen die Ampeln erobert, auch Ampelmännchen mit Fahrrad wurden schon gesichtet und seit 2017 dürfen in Plauen die Vater-und-Sohn-Figuren von Erich Ohser alias e. o. plauen bestimmen, wann die Leute über die Straße dürfen.

Aber Leipzig fiel 2011 deshalb auf, weil Leipzigs Leuchtanlagenbetreuer zum ersten Mal auch ein weibliches Pendant montierten und damit natürlich darauf aufmerksam machten, dass jeder zweite Verkehrsteilnehmer weiblichen Geschlechts ist. Das bezopfte Mädchen war der Anmutung des Ampelmännchens angepasst und schreitet genauso hurtig über die Straße. Und der Fußgänger und die Fußgängerin in Leipzig durften ja vielleicht zu Recht erwarten, dass fortan im Leipziger Fußverkehr auch ampelseitig Gleichberechtigung einzog, dass also einer mit Männchen bestückten Ampel wieder eine mit Mädchen folgte.

Aber irgendwie ist das so nicht gekommen.

Gab es denn keine freundliche Direktive der Baubürgermeisterin, das einfach so zu machen?

Gab es leider nicht.

„In Leipzig werden seit 1994 die Lichtsignalanlagen mit den vormals in der DDR üblichen Sinnbildern für stehende und schreitende Fußgänger ausgerüstet. Die erste Lichtsignalanlage mit Ampel-Mädchen in Leipzig wurde auf Eigeninitiative von Mitarbeitern vermutlich nach dem Vorbild der Stadt Zwickau, die bereits seit 2004 vereinzelt solche Sinnbilder verwendet, ausgerüstet. Es gibt in dieser Sache keine Direktive, weder für die eine noch die andere Lösung“, teilt uns auf Nachfrage das Verkehrs- und Tiefbauamt mit.

Und da wir natürlich nachfragend sind und unbedingt wissen wollten: „Wird das in nächster Zeit geändert oder soll es bei der männlichen Dominanz im Ampelwesen bleiben?“, bekamen wir die eigentlich enttäuschende Antwort: „Eine Direktive, in einem bestimmten Umfang Ampel-Mädchen einzusetzen, ist derzeit nicht geplant.“

Ja, müssen wir das jetzt extra beantragen, damit die Gleichberechtigung tatsächlich Einzug halten kann im Leipziger Ampelwesen?

Denn die Idee war ja richtig – und sie wurde anderswo in der Republik mit großem „Hallo!“ begrüßt. Frauen laufen nun einmal genauso oft wie Männer zu Fuß und freuen sich genauso, wenn das „Go!“ eben mal nicht von einem Mann mit Hut kommt, sondern von einem Mädchen mit Zöpfen.

Aber irgendwie scheint das in der Leuchtwerkstatt mit harten Bandagen ausgefochten zu werden. Und meistens gewinnt der Meister, der lieber Ampelmännchen als Schablone benutzt.

Es ist nicht bei der einen Montage im Jahr 2011 geblieben. Stimmt.

Ampel-Mädchen an der Kurt-Eisner-Straße. Foto: Ralf Julke
Ampel-Mädchen an der Kurt-Eisner-Straße. Foto: Ralf Julke

„Die erste ‚Mädchen-Ampel‘ wurde bereits im Jahr 2011 installiert, das bisher letzte im März 2016. Derzeit sind an 6 Lichtsignalanlagen im Stadtgebiet die Ampel-Mädchen eingesetzt”, teilt uns das Verkehrs- und Tiefbauamt mit.

Das hier sind die Kreuzungen, an denen man die bezopften Mädchen in rot stehen und in grün wetzen sieht:

– Leinestraße / Bornaische Straße
– Eisenbahnstraße / Hermann-Liebmann-Straße
– Kurt-Eisner-Straße / Arthur-Hoffmann-Straße
– Zschochersche Straße / Weißenfelser Straße
– Semmelweißstraße zwischen Altenburger Straße und Straße des 18. Oktober

„Die Montage der Ampel-Mädchen wurde seitdem noch nicht fortgesetzt“, bestätigt das Verkehrs- und Tiefbauamt.

Natürlich haben wir auch noch ein bisschen weiter gefragt. Denn es laufen ja nicht nur Jungs und Mädchen durch die Stadt, sondern auch Pärchen, Kinder, ganze Familien. Da böte sich ja noch eine größere Spielbreite an.

Aber auch so eine Erweiterung der Signalbilder ist nicht geplant, bedauert das VTA: „Nein. Es gibt keine Pläne, andere Sinnbilder zu verwenden, die zudem auch nicht im Belieben der Stadt stehen, sondern vom Sächsischen Verkehrsministerium genehmigt sein müssen.“

Was man ja versteht. Die Signalzeichen müssen funktionieren und gut erkennbar sein.

Aber das Ampelmädchen erfüllt ja seine Sache gut. Vielleicht muss sich jetzt nur eine gut durchmischte Stadtratsfraktion finden, die einen netten Antrag stellt im Stadtrat, damit die Baubürgermeisterin einfach mal eine freundliche Direktive für die Beleuchtungsabteilung schreibt und die dann emsig Mädchen zum Leuchten bringt. Bis in der Stadt das Gefühl einzieht, dass sie wirklich zur Hälfte weiblich ist.

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Es gibt 2 Kommentare

In der Möckernschen Straße, Ecke Menkestr. ist oder war doch auch eine Ampelfrau. Ist die jetzt nicht mehr?

Also in Trier sind die da sogar noch mutiger..
Wobei, Sachsens Grüne könnten das falsch verstehen und die arme Frau Baubürgermeister wegen der CDU, wieder in den ‘Zeitungen’.. 😉
“Pünktlich zum Karl-Marx-Jubiläumsjahr bekommt der berühmteste Sohn der Stadt ein ganz besonderes Plätzchen in Trier. Am Montag wurde dort nämlich die erste Karl-Marx-Fußgängerampel in Betrieb genommen.”
Also ‘Mädchen’ wären schon mal toll..
https://www.swr.de/swraktuell/rp/trier/200-karl-marx-schmueckt-trierer-ampeln/-/id=1672/did=21364544/nid=1672/2qs19y/index.html

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