Man kann eigentlich an jeder Stelle ziehen und zupfen und bekommt doch nur ein Bundesunternehmen in lauter Bredouillen zu sehen, die in drei Jahrzehnten aufgehäuft wurden. 400 der 9.400 fahrplanmäßigen Fernzugverbindungen (IC/ICE) zwischen Leipzig und Dresden sind im vergangenen Jahr (2018) ausgefallen. So geht es aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor.

Zugausfälle und Verspätungen prägen heute, 25 Jahre nach der Umwandlung der Behörde Bahn zum selbstständig agierenden Unternehmen das mediale Bild der Bahn. Das hat Gründe. Auch in einem falschen Mobilitätsdenken der deutschen Politik seit über 30 Jahren. Bis 1993 war die Bahn zwar hochgradig ineffizient und erwirtschaftete Milliardenverluste – aber sie war pünktlich. Und sie bediente über 5.400 Kilometer Streckennetz mehr als heute.

Verluste schreibt die Bahn noch immer. Doch jetzt fällt ihr der Zwiespalt der Politik auf die Füße, die die Bahn gern als Zuschussposten losgeworden wäre und stattdessen lieber Gewinne abgeschöpft hätte. Aber man macht ein zuvor monopolistisches Unternehmen nicht profitabel, wenn man immer mehr Konkurrenz auf den Markt bringt – zuletzt mit der Öffnung des Fernbusmarktes in Deutschland.

Unterm Spardruck wurden nicht nur „unrentable“ Strecken stillgelegt, verschwanden die beliebten Interregios und wurde die Fahrzeuganschaffung genauso aufs Notwendigste beschränkt wie die Vorhaltung von Streckenreserven, man versuchte auch beim Personal zu sparen, sodass heute tausende Lokführer fehlen.

Statt das Bahnsystem wirklich nachhaltig zu stärken, konzentrierte man sich jahrelang auf Prestigestreckenausbau und Prestigebahnhöfe.

Dass Mängel am Fahrzeugpark mittlerweile ein Drittel der Ausfälle allein auf der Strecke Dresden – Leipzig bedingen, findet der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete und Obmann im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages, Torsten Herbst, höchst bedenklich.

„Jeden Tag mindestens ein ausgefallener Fernzug ist ein absolut unvertretbarer Zustand“, sagt er zum Befund der Bundestagsanfrage. „Dies zeigt leider deutlich, dass die vielen Versuche der Deutschen Bahn, endlich pünktlicher und serviceorientierter zu werden, gescheitert sind.

Seit Jahren agieren die roten und schwarzen Verkehrsminister in Bund und Land mit Hinblick auf die Deutsche Bahn aktionistisch und planlos. Das Ergebnis ist auch im Freistaat deutlich sichtbar: Während die Bahn früher als Garant für Pünktlichkeit und Verlässlichkeit stand, gilt eine Anreise im Zug heute gemeinhin als Entschuldigung für eine verspätete Ankunft.“

Er sieht die Probleme der Bahn eher in der jüngeren Vergangenheit, weniger im falschen Denken deutscher Bundesregierungen über die Mobilität der Zukunft. Die Unternehmensgründung der DB 1994 stand vor allem unter dem düsteren Szenario einer Zukunft mit immer mehr Pkw und dramatischen Fahrgastverlust, gegen die das alte Staatsunternehmen scheinbar nicht hätte bestehen können.

Doch 24 Jahre später ist klar, dass die einseitige Autopolitik gerade in westdeutschen Städten zum Dauerstau und zu verstopften Zubringern in die Innenstädte geführt hat. Während die oft nicht weiter ausgebauten Schienensysteme ebenso überlastet sind, obwohl die meisten Pendler nur zu gern bereit wären, auf das Auto zu verzichten, wenn sie mit der Bahn pünktlich zum Arbeitsplatz kommen könnten.

Es ist diese schizophrene Politik, die den wichtigen Ausbau des Systems Bahn über 20 Jahre aufs falsche Gleis gebracht haben. Im Jahr 2019 ist natürlich vieles schon zu spät – die Nachwuchsgewinnung ist ein Riesenproblem, Ausweichstrecken fehlen, innerstädtische Netze lassen sich nur noch unter enormem Aufwand erweitern.

„Es kann nicht sein, dass für einen Großteil der Ausfälle und Verspätungen fehlende oder defekte Züge verantwortlich sind. Zusammen mit der unzureichenden WLAN-Bereitstellung und oft ungenauen Verspätungsinformationen ist dies für viele Bahnkunden auf der Verbindung Leipzig-Dresden ein echtes Ärgernis“, findet Torsten Herbst.

„Jetzt ist das Bahnmanagement gefordert, die unhaltbaren Zustände abzustellen. Auch muss die Bundesregierung mit der DB schärfere Zielvereinbarungen für eine höhere Pünktlichkeit abschließen, an denen sich der Bahn-Vorstand messen lassen muss. Wenn diese Ziele des Eigentümers nicht erfüllt werden, muss es final auch personelle Konsequenzen im DB-Vorstand geben.“

Womit er wahrscheinlich völlig danebenliegt. Denn mit Schluderei haben die geballten Probleme eher nichts zu tun – dafür eine Menge mit den falschen Vorstellungen einer sparwütigen Politik, die das System Bahn nie wirklich als zentralen Baustein einer verlässlichen Mobilität der Zukunft betrachtet hat. Und das geht eben auch beim Service weiter, der in all den Jahren deutlich zurückgeschraubt wurde.

In Leipzig macht derzeit die Nachricht die Runde, die Bahn wolle ihre Schalterhalle im Leipziger Hauptbahnhof ins Untergeschoss verlegen, mehr in die Nähe der S-Bahn-Haltestelle im Hauptbahnhof. Schon in der Vergangenheit konnte man beobachten, wie die Schalterbesetzung deutlich ausgedünnt wurde und die Bahn regelrecht Druck auf die Fahrgäste ausübte, ihre Fahrkarten nur noch am Automaten zu kaufen. In diesem Zusammenhang darf man wohl auch die geplante Verlegung und Verkleinerung der Schalterhalle verstehen, die dann wohl eher das Format der schon existierenden Abellio-Servicestelle annehmen wird.

„Im Vordergrund von Veränderungen kann nur eine Verbesserung des Services stehen, im Besonderen bei den Bedingungen für mobilitätseingeschränkte und ältere Fahrgäste“, kommentiert Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Leipziger Stadtrat, diese Pläne. „Für die Stärkung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs spielt der Service eine entscheidende Rolle. Für unsere Fraktion wäre ein zusätzlicher Service mit Schalter im Untergeschoss das richtige Signal, wir sind aber keineswegs einverstanden mit der Verlegung der bestehenden Schalterhalle.“

Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der FDP.

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