Viele Leipziger Radwege sind eine Zumutung. Nicht nur solche im inneren Stadtgebiet. Auch beliebte Radrouten, auf denen die Leipziger ins Grüne fahren, sind heruntergefahrene Schotterpisten, so wie wesentliche Abschnitte der Radwegeverbindung von der Rennbahn über die Neue Linie zum Wildpark und weiter zum Cospudener See. Bis März 2030, so beantragte die Linksfraktion im Stadtrat, sollte die Strecke endlich mal asphaltiert werden.

„Dieser Fuß-/Radweg ist die meistfrequentierte Verbindung zwischen Innenstadt und südlichem Leipziger Neuseenland“, stellte die Fraktion in ihrem Antrag fest. „Während nahezu alle Radwege im Bereich des Cospudener Sees und – mit Abstrichen – des Zwenkauer Sees Asphaltdecken besitzen, ist dies für die wichtigste Anbindung von Leipzig bisher nicht der Fall. Die durch den Radverkehr bedingte Staubentwicklung bei trockenem Wetter, die Verschmutzung von Fahrrädern und Radfahrern bei nassem Wetter sowie die gesundheitsschädlichen Erschütterungen durch den derzeit schlechten Belag sind keine Werbung für das Radfahren und die Fahrradstadt Leipzig.“

Und so beantragten die Linken: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, gemeinsam mit den zuständigen Behörden die Asphaltierung mit Termin 31.03.2020 zu veranlassen.“

Worauf das Umweltdezernat jetzt mit einem Alternativvorschlag reagierte, der erst einmal wie eine kalte Dusche wirkt: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigungsfähigkeit der Asphaltierung der genannten Fuß- und Radwegeverbindung besteht und das Ergebnis bis zum IV. Quartal 2019 dem Stadtrat vorzulegen.“

Was schon verblüfft: In jedem Werbepapier zum Leipziger Neuseenland wird auch der formidable Ausbau des Radwegenetzes gepriesen. Aber ausgerechnet für die am stärksten genutzte Route zum Cospudener See muss Leipzigs Verwaltung erst prüfen, ob sie die Piste asphaltieren darf? Ist das nur ein Arbeitsversäumnis?

Die Erklärung, dass nicht alle Wegabschnitte der Stadt gehören, erklärt nicht alles.

„Die von der Asphaltierung betroffenen Flächen befinden sich zu Teilen im Besitz des Freistaates Sachsen, sodass die dort umzusetzenden Maßnahmen insbesondere mit der Landestalsperrenverwaltung abzustimmen sind“, versucht sich das Umweltdezernat herauszureden. „Darüber hinaus sind umfängliche naturschutz- und wasserrechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Daher ist zunächst ein umfänglicher Abstimmungs- und Klärungsprozess erforderlich, erst dann kann über einen möglichen Investitionsbedarf entschieden werden.“

Und das 19 Jahre nach Freigabe des Cospudener Sees? Welche Abteilung hat da eigentlich 19 Jahre lang Urlaub gemacht?

In der Erläuterung des Sachverhalts wird die Sache nicht besser: „Teilbereiche der genannten Fuß- und Radwegeverbindung verlaufen entlang der Pleiße und der Weißen Elster und befinden sich im Eigentum des Freistaates Sachsen. Für den Abschnitt Rennbahnsteg bis Schleußiger Weg und den Abschnitt Schleußiger Weg bis Studentenbrücke ist die Landestalsperrenverwaltung verantwortlich. Daher bedarf es einer intensiven Abstimmung des weiteren Vorgehens und der weiteren Planungsschritte mit der Landestalsperrenverwaltung.“

Beide Wegabschnitte sind nicht erst seit diesem Jahr bis auf den Schotter abgefahren. In Teilen gehören sie sogar zum Elsterradweg, müssten allein deshalb schon im Fokus einer Stadtverwaltung stehen, die Wert auf den Erhalt eines sinnvollen Radwegenetzes und der gern zitierten touristischen Radrouten legt.

Aber augenscheinlich fand man hier perspektivische Prüfungen genauso wenig angebracht wie bei den regelrecht heruntergefahrenen Abschnitten an der Neuen Linie. Auch da liegt kein aktueller Arbeitsstand vor.

„Darüber hinaus verläuft die Strecke der Fuß- und Radwegeverbindung vollständig im Geltungsbereich von Schutzgebieten nach Naturschutzrecht, hier das Landschaftsschutzgebiet (LSG) ‚Leipziger Auwald‘ und das gleichnamige SPA-Vogelschutzgebiet sowie FFH-Gebiet ‚Leipziger Auensystem‘. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 der Rechtsverordnung zum LSG ‚Leipziger Auwald‘ bedarf das Anlegen, Verändern oder Umwidmen von Straßen, Wegen, Plätzen oder anderen Verkehrseinrichtungen der Erlaubnis der zuständigen Naturschutzbehörde“, meint das Dezernat, zu dem just diese Naturschutzbehörde gehört.

„Weiterhin ist im Rahmen einer zu beauftragenden Vorprüfung zu prüfen, ob durch den Ausbau der vorhandenen Wege und/oder eine Nutzungsintensivierung eine unzulässige Beeinträchtigung der betroffenen Natura-2000-Gebiete zu erwarten ist. Die betroffenen Bereiche sind dem Außenbereich gemäß § 35 BauGB zuzuordnen, sodass die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung anzuwenden ist.“

Da dürften sich nicht nur Radfahrer verschaukelt fühlen. Ausgerechnet ihnen wird jetzt vorgerechnet, dass diese Wege alle durch Naturschutzgebiet führen. Das tun sie übrigens seit Unterschutzstellung 1961. Und wer sich ein bisschen erinnert weiß, dass sie vor zehn Jahren alle noch in einem deutlich besseren Zustand waren. Wer diese Wege in Ordnung bringt, verändert am Zustand des Naturschutzgebietes erst einmal nicht viel. Auf jeden Fall deutlich weniger als sämtliche Forstwirtschaftsarbeiten mit schwerem Gerät. Und von einer „Nutzungsintensivierung“ zu reden, ist 19 Jahre nach Eröffnung des Cospudener Sees auch in gewisser Weise fatal, denn die intensive Nutzung ist längst da – nur halt heute auf blankem Schotter und mit wehenden Staubfahnen.

Aber das war nicht die letzte Ausrede in dieser Stellungnahme: „Außerdem ist für die Asphaltierung der Uferwege entlang der Pleiße § 38 Wasserhaushaltsgesetz (WHO) sowie § 24 Sächsisches Wassergesetz zu beachten. In diesem Zusammenhang ist zu klären, inwieweit eine Befreiung der Unteren Wasserbehörde vom Verbot, bauliche Anlagen innerhalb eines 10 m breiten Gewässerrandstreifens zu errichten, erteilt werden kann.“

Diese baulichen Anlagen existieren schon, sogar offiziell und ausgeschildert. Die einzige Frage könnte sein, ob Asphalt – vom Wasserabfluss her gedacht – das richtige Deckenmaterial ist. Aber auch die Wege auf dem Luppedeich sind asphaltiert. Wahrscheinlich wäre die Landestalsperrenverwaltung die letzte Instanz, die hier ein Problem sähe.

Es zeichnen sich jetzt einige heftige Debatten in den beteiligten Ausschüssen ab, denn nicht nur die Linksfraktion zeigt zunehmende Unzufriedenheit mit der ausbremsenden Politik des Umweltdezernats.

Das schlägt jetzt erst einmal ein paar Trockenrunden vor: „Über die Ergebnisse dieser Abstimmungs- und Abwägungsprozesse wird bis zum IV. Quartal 2019 berichtet.“

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Es gibt 7 Kommentare

Komisch, zu den Fußball- und Tennisplätzen an der neuen Linie konnte man Asphalt einbringen. Achso, ich vergaß, da fahren ja auch Autos und keine doofen Radler zu ihrem Privatvergnügen.

Es wird Zeit, dass der Weg endlich asphaltiert wird. Es ist ein Trauerspiel, dass stets dort, wo schon ökologisch agiert wird (Fuß-/Radverkehr), stets noch mehr erwartet wird und an anderen Stellen ist es einfach shit egal (Autoverkehr). Die Neue Linie ist eine Hauptradroute, sie ist eine wichtige Route für den Fußverkehr und sie ist eine Sport-/ und Freizeitroute. Aktuell hat sie für niemanden (auch nicht für die Natur) eine Qualität.
Für die Kröten könnte man bspw. Tunnel bauen, was unter sandgeschlämmten Decken, unter Schotter etc. nicht möglich ist – zum Leidwesen der Kröten, die nun plattgefahren/getreten werden. Und wenn die Neue Linie dann mal Qualität hat, sparen wir uns auch den Ausbau anderer Straßen, auch andere Wege im Auenwald werden dann nicht mehr betreten. Die Neue Linie wird dann auch nicht mehr 10m breit ausgefahren, sondern nur im Bereich der Asphaltierun genutzt. Das sieht man auch schon im Rosenthal, wo der Bärlauch bis an den 2m breiten Asphaltweg heranwächst, während an deren Stellen der Naturweg teils 12m breit zerfahren ist. Und dann gibts da noch den Vorteil, dass die Bodenversiegelung geringer wird. Fahrradreifen verdichten den Boden sehr stark. Ist der Weg befestigt, hat sich das Problem für den Wasserhaushalt erledigt, zumal man unter Asphalt auch einen Wasserspeicher anlegen kann.
Bei allem muss man beachten, dass die Neue Linie kein Weg im Nirvana ist, sondern eine sehr, sehr wichtige Verkehrsachse in einem dicht besiedelten Gebiet ist. Sie muss also auch entsprechend gestaltet werden, damit die 5.000 Zufußgehenden und 12.000 Radfahrenden (an Spitzentagen) keine Schäden an der Natur anrichten – so wie es aktuell ist, tun sie das.

Mir geht’s nicht um Trendsport, wenngleich es gut ist, dass so viele Leute Rad fahren.
Rad, nicht E-Rad. Bei einem normal befahrenen Weg hält sich der Staub auch sicher in Grenzen.

Im Übrigen ist der hinterher Fahrende auch immer der Angeschmierte, wenn Spar- oder Trendradler keine Schutzbleche dran haben. Der bekommt nämlich die ganze Suppe ab…

Ähm ja, Staub… ist natürlich heftig und unzumutbar. Ob der tatsächlich sein muß? Wenn man durch´s NSG und FFH Gebiet fahren will, vermutlich doch? Und mal ehrlich, man kann es auch übertreiben. Wer keine Schutzbleche am Fahrrad hat, tja, der wird eben vollgespritzt. Ich bin vor 30 Jahren auch bei Regen durch den Auwald gefahren und sah nicht aus wie die Sau.
Vielleicht geht es ja nauch gar nicht um die Radfahrer sondern um Trendsport? Skaten geht auf einem geschlemmten Weg natürlich nicht so gut.
Da muß man aber langsam anfangen zu fragen: Geht´s noch? In welcher dekadenten Wohlstandsgesellschaft leben wir eigentlich? Natur als nette Umrahmung unseres rücksichtslosen Lebensstils?

http://ffh-vp-info.de/FFHVP/Art.jsp?m=2,1,1,3&button_ueber=true&wg=3&wid=14

https://www.spektrum.de/news/gruener-strassenbelag-soll-asphalt-umweltfreundlicher-machen/1339661

Interessante Thematik.

Ich verstehe die Bedenken, Asphalt aus einem NSG zu verbannen. Aus vielerlei Gründen.
Und mitten im Wald würde ich das auch ganz und gar nicht gut finden.

Andererseits sehe ich, dass diese Strecke für den nachhaltigen Verkehr wirklich wichtig und relevant ist.
Diese abgefahrene Staubpiste zu fahren macht kein Vergnügen.
Woanders werden jeweils 4 Spuren hin & zurück mit Asphalt begossen und Schneisen durch die Natur geschlagen; für wesentlich geringfügigere Effizienz.

Eine Reparatur dieses Weges sollte aber wiederum eine Weile Bestand haben – also was tun?

Die o.g. Bedenken bez. Rennradautobahn teile ich ausdrücklich; meine Beobachtungen im Lene-Voigt-Park hatte ich ja bereits geschildert.
Dort auch Asphalt (gut zu fahren), aber diverse hirndefekte Radelraser sorgen dort für Gefährlichkeit und fahren obendrein auch noch den Rasen und die Wegecken kaputt. Dieses Verhalten schädigt das Ansehen aller Radfahrer…

“Die einzige Frage könnte sein, ob Asphalt – vom Wasserabfluss her gedacht – das richtige Deckenmaterial ist.”
Mal abgesehen davon, daß es kein “touristischer” Radweg ist, spielt es schon eine Rolle, welche Tiere in einem Naturschutzgebiet den Radweg queren und ob Asphalt der richtige Belag ist.

Das sollte schon noch etwas differenzierter besprochen werden.
Einerseits: die Stadt Leipzig (ASG) hat mehrfach durch Anzeigen aus der Bürgerschaft zur Kenntnis bekommen, dass z.B. neben der Neuen Linie im LSG, an anderen Stellen sogar im NSG, illegale Mountainbikestrecken formidabel mit Werkzeug und Werbung bei Youtube angelegt und genutzt werden. Und sie hat, wie so oft, einfach komplett nicht darauf reagiert. Auf einer der Flächen, an der Neuen Linie (kurz vor Wolfswinkel), ist zwischen den Bäumen komplett alles Grün totgefahren, der Boden verdichten und von Schutzgebiet kann keine Rede sein. Hier sitzen dann die alternativen Muttis lesend auf dem toten Boden, während Junior sich lautstark kommunizierend im Offroadfahren übt.
Andereseits: Asphaltwege im NSG? Das dürfte nicht genehmigungsfähig sein, dafür gibt es genug Argumente und Präzedenzfälle. Und: es gibt sicher auch was dazwischen, was zwar den Zustand verbessert aber auch verhindert, dass die Neue Linie zur Rennradautobahn wird und zur hohen Nutzungsfrequenz auch noch erhöhtes Risiko (vor allem für Fußgänger und fahrende Kinder) durch hohes Tempo dazukommt. Genau dieses Ergebnis hat nämlich die Rundumasphaltierung um den Cosi gebracht.
Also haben wir mal wieder ein vollmundiges Versprechen (der Stadt) – ohne Realitätsprüfung. Da jetzt einfach mal so Öffentlichkeitsdruck zu erzeugen, finde ich zumindest schwierig. Es ist dann wie beim Diesel: die Lügner und Betrüger geraten in Vergessenheit, und diejenigen, die den Finger auf die Wunde legen und geltendes Recht einklagen, werden der ausgemachte Feind der Nation.

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