Der 4. September war jetzt wirklich erst einmal die letzte Ratsversammlung für Piraten-Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann. Und sie nutzte die letzten Tage, um ein paar ihr wichtigen Fragen loszuwerden. Eine ist eigentlich so naheliegend, dass man sich fragt, warum noch niemand danach gefragt hat. Denn: „Derzeit stellt die Stadt Leipzig entgeltfrei und auch gegen Entgelt Parkraum im Stadtgebiet zur Verfügung.“

Entgeltfrei. Das ist Autofahrern meist gar nicht bewusst. Sie stellen ihr Auto auf Straßen ab, die von Steuergeldern gebaut wurden. Und wenn sie nicht gerade in Innenstadtnähe in bewirtschafteten Parkzonen wohnen, kostet sie das Abstellen nichts. Was das Ergebnis hat, dass dieses preislose Gut einfach überall übernutzt wird. Manche nehmen ja auch gleich noch Gehwege, Kreuzungen und Fußwege als Parkplatz für ihr Fahrzeug in Anspruch – ohne dafür irgendetwas zu bezahlen. Es sei denn, es kommen ab und zu ein paar Politessen vorbei und verteilen Knöllchen.

So wenige Knöllchen, dass auch Leipzigs Autofahrer nur zu gern behaupten, sie würden mit diesen Ordnungsgeldern „regelrecht abgezockt“. Davon kann auch in Leipzig keine Rede sein. Die meisten Parkverstöße werden gar nicht geahndet.

Aber: „Wie viele Quadratmeter Fläche sind derzeit durch städtische Parkmöglichkeiten belegt?“ Und was sind diese Flächen – nach Bodenrichtwert bemessen – eigentlich wert? „Gemessen daran, dass ein durchschnittlicher Parkplatz etwa 12,5 qm benötigt: wie viel Wert ist das ,Grundstück‘ eines durchschnittlichen Parkplatzes?“

Das waren so die Fragen von Ute Elisabeth Gabelmann, die Leipzigs Baubürgermeisterin in der Ratsversammlung am 4. September eigentlich nicht beantworten konnte – eben weil das niemand irgendwo in der Leipziger Verwaltung registriert.

Die Auskunft von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau:

„Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,

ich darf die Fragen im Zusammenhang beantworten:

Welche Fläche im öffentlichen Straßenraum dem Parken zur Verfügung steht, kann mangels auswertbarer Daten nicht beantwortet werden. Hierzu müsste jeder einzelne Straßenzug und die Plätze der Stadt unter dieser Fragestellung erfasst werden. Dies ist leider nicht mit einem vertretbaren Aufwand zu leisten.

Auch die Bodenrichtwerte können nicht so einfach herangezogen werden, da sie sich auf (unterschiedlich) bebaubare Flächen und abgewickelte Grundstücksverkäufe beziehen, nicht jedoch auf öffentliches Straßenland. Angegeben werden kann, dass die durchschnittlichen Kaufpreise von Stellplätzen in Verbindung mit Wohneigentum 2018 für Stellplätze im Freien im Erstverkauf bei 12.900 Euro und im Wiederverkauf bei 7.500 Euro lagen. Für Tiefgaragenstellplätze waren es im Erstverkauf 22.850 Euro und im Wiederverkauf 12.000 Euro je Stellplatz.“

Das einzige, was die Stadt beziffern kann, sind die Einnahmen und Kosten der bisherigen Parkraumbewirtschaftung.

Diese Einnahmen sind gesunken – auch weil die Stadt insbesondere in der City viele zuvor bewirtschaftete Stellplätze umgewidmet hat – in Ladebuchten für den Einzelhandel, in Aufladeplätze für Elektroautos, aber auch zur Aufstellung von mehreren Fahrradbügeln.

Insofern ist verständlich, dass die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung sanken:

2016 2.646.317,44 €

2017 2.581.929,62 €

2018 2.472.860,26 €

Gegenrechnen ließen sich die Koste für diese Bewirtschaftung: „Die Instandhaltung und Wartung der Parkplätze erfolgt aus dem allgemeinen Budget für die Straßenunterhaltung und wird nicht gesondert erfasst. Für die Unterhaltung der ca. 135 Parkscheinautomaten im Stadtgebiet werden jährlich ca. 230.000,00 € benötigt. Für den altersbedingten Ersatz von Automaten stehen jährlich 65.000,00 € zur Verfügung.“

***

Aber warum sollte man die Werte nicht berechnen können, die sich Ute Elisabeth Gabelmann gewünscht hat? Ganz konservativ?

Ausgehend einfach von den Pkw in Privatbesitz – wobei wir an diese Stelle auch noch mit Augenzwinkern bemerken, dass die Zahl der privaten Pkw in Leipzig 2017 erstmals gesunken ist. Vorher kannte die Zahl nur den Trend nach oben, stieg zum Beispiel von 2015 zu 2016 von 197.130 auf 200.486. Aber 2017 sank sie zum ersten Mal (während die Zahl von Firmen-Pkw weiter stieg) – auf 198.137.

Was eben bei einem stetigen Bevölkerungswachstum heißt: Gerade junge Leipziger fahren immer seltener mit dem Pkw. Sie bevorzugen umweltfreundlichere Verkehrsarten.

Da anzunehmen ist, dass etliche dieser privaten Pkw tatsächlich in Tiefgaragen und auf Hinterhofstellplätzen abgestellt werden, ist es vielleicht gar nicht so daneben, von rund 150.000 Pkw auszugehen, die im öffentliche Straßenraum abgestellt werden. Nicht alle brauchen 12,5 Quadratmeter Fläche und auch nicht in allen Straßen sind solche Normstellplätze aufgetragen. Seien wir also ein bisschen kulant und rechnen mit 10 Quadratmeter Parkfläche pro Auto. Was – mit 150.000 Fahrzeugen multipliziert – dann 1,5 Millionen Quadratmeter stets zugeparktem öffentlichem Straßenraum ergibt.

Klingt viel. Im Vergleich zum Leipziger Stadtgebiet von 297,8 Millionen Quadratmetern sind das freilich nur 0,5 Prozent. Aber ins Stadtgebiet müssen ja auch noch Wohnungen, Parks, Auenwald und Flüsse passen. Nehmen wir also die offiziell ausgewiesene Verkehrsfläche von 36 Millionen Quadratmetern. Da sieht das dann schon etwas anders aus, dann sind über 4 Prozent des Verkehrsraums (zu dem auch Fuß- und Radwege und parkplatzfreie Autobahnen gehören) zugeparkt. Und zwar dauerhaft. Denn wenn das Auto bewegt wird, nimmt es die Stellfläche ja am Zielort wieder ein.

Aber welchen Wert haben die 1,5 Millionen Quadratmeter? Wenn man einen eher durchschnittlichen Bodenrichtwert (der eher für Baugrundstücke außerhalb der City gilt) nimmt, also beispielsweise 200 Euro pro Quadratmeter, käme man auf 300 Millionen Euro. Natürlich ist das zu billig. Das wären pro Stellplatz ja nur 2.000 Euro. Weshalb Dorothee Dubrau ja auch die Preise für vermietete Stellplätze nannte, die mindestens sechs Mal höher liegen. Da aber der öffentliche Parkraum in der Regel nichts kostet, ist natürlich verständlich, warum die meisten Leipziger sich keinen Tief- oder Hochgaragenstellplatz kaufen und lieber versuchen, in einem eh schon verstopften Straßenraum doch noch eine Lücke für ihr Auto zu finden.

Kleine Einschränkung zum Schluss: Wahrscheinlich ist die Zahl von 198.137 Privat-Pkw in Leipzig zu niedrig. Ein Blick auf die Autoschilder zeigt, dass wohl eher jedes fünfte Auto nicht in Leipzig registriert ist.

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Es gibt 2 Kommentare

Anmerkung:
“Ein Blick auf die Autoschilder” ist trügerisch!
In meinem privaten Umfeld sind Menschen aus anderen Großstädten hierher gezogen und haben ihr Nummernschild behalten. Das ist sogar günstiger als Neuregistrierung. Insofern gibt dieser Blick nicht das wieder, was man zu allererst denkt.

Anmerkung 2:
Danke Tio für den Beitrag. Viele gute Gedanken.
Vor allem das Teilen von Autos hat Zukunft – finde ich.
Leider muss das gefördert werden. Carsharing-Unternehmen müssten viel mehr Standorte mit mehr Fahrzeugen zur Verfügung haben. Doch der Zug scheint abgefahren: woher bekommen?
Warum kann nicht die Stadt Leipzig selbst ein solches Unternehmen starten, führen und betreiben? Nicht nur mit Leuten aus der Verwaltung (es soll ja was werden), aber als politisch gewollte Idee und Umsetzung mit einem Unternehmen.

Ein paar Gedanken:

Ein Stellplatz auf dem Supermarktparkplatz (ohne Fahrgasse) ist normalerweise 5 m lang und zwischen 2,50 m und 2,70 m breit (12,5 m² bis 13,5 m²), längs entlang der Straße 2,00 m mal 5,75 m (beengt, rückwärts einparken = 11,5 m²) bzw. 2,00 m mal 6,75 m (Hauptstraße, vorwärtseinparken = 13,5 m²). In Parkhäusern und Tiefgaragen kann man als Daumenwert zwischen 25 m² bis 27 m² rechnen (anteilige Fahrgasse, gilt auch für Parkplätze (z. B. Supermarkt)) und für kleine Tiefgaragen mit Rampen auch 30 m² und mehr Flächenbedarf je Stellplatz. Auch auf privaten Grundstücken sind oftmals zusätzliche Flächen für die Erreichbarkeit der Stellplätze versiegelt. D. h. eine Flächenannahme von 12,5 m² ist tendenziell viel zu gering zur Abschätzung des Flächenbedarfs für Parken.

Weiter gibt es Annahmen, dass zum Funktionieren des Systems „Pkw“ je Fahrzeug 5 bis 6 Stellplätze erforderlich sind (durchschnittlich stehen private Kraftfahrzeuge über 95 % der Zeit (über 23 Stunden am Tag) auf Parkplätzen). Anzustreben wäre natürlich eine effizientere Nutzung dieser Flächen, allerdings fehlt heute in der Regel der Preis als Regulativ. Schwierig ist es den Preis für etwas zu bestimmen, was bisher noch keinen angemessenen Preis hatte und deswegen noch nicht „gehandelt“ wurde. Folgende Prinzipien können die Zielrichtung für diesen Preis beschreiben:
1. Das Parken auf Gehwegen und Radverkehrsanlagen ist tabu.
2. Das Parken im öffentlichen Raum (z. B. am Straßenrand) muss teurer sein als die Kosten für das Parken in einer Tiefgarage in vergleichbarer Lage.
3. Bei Stundentarifen muss die erste Parkstunde teurer sein als die Einzel-Hin- und Rückfahrt im ÖPNV für 1,2 Personen (durchschnittlicher Besetzungsgrad im MIV).
4. Die Parkgebühren sollten sich an den Bodenpreisen orientieren und können damit den Wert des öffentlichen Raums ausdrücken (z. B. ist der Bodenpreis innerhalb des Promenadenring ca. 10 mal so hoch wie auf der anderen Ringseite, außerhalb der Innenstadt).
5. Perspektivisch wären Parkwochen- oder -monatskarten am Parkscheinautoamten denkbar („Kauf eines Parkrechts“ in einem bestimmten Gebiet).
6. Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung sollten wie in Wien zur Finanzierung des ÖPNV genutzt werden.
7. Parkraumbewirtschaftung sollte zur Leitung des Verkehrs genutzt werden dürfen (Steuerung von Angebot und Nachfrage usw.).

Anzunehmen ist, dass geteilte Fahrzeugnutzungen unter den oben genannten Rahmenbedingungen zunehmen und damit der vorhandene, begrenzte öffentliche Raum effizienter genutzt wird, Flächen für neue Nutzungen (z. B. Straßenbäume o. ä.) freiwerden und die Lebensqualität im verdichteten urbanen Raum steigt. Abzwägen ist also Lebensqualität in Straßen für alle versus Flächen zum Abstellen von privaten Kraftfahrzeugen für Einzelne.

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