Wer fleißig mit Leipzigs Straßenbahnen fährt, kennt die vielen Stellen, an denen die Bahn einfach nur in der Gegend herumsteht, weil sie kein Freifahrtsignal bekommt. Von Geschwindigkeit oder Bevorrechtigung kann keine Rede sein. Und das hat Folgen. Denn auf Strecken, auf denen die Straßenbahnen immer wieder steckenbleiben, kann man auch keine Taktzeiten verdichten. Das ÖPNV-System bleibt unattraktiv und nicht wettbewerbsfähig.

In den 1990er Jahren kamen Bundesverkehrsminister auf die glorreiche Idee, man könnte die Straßenbahnen in Deutschland beschleunigen, wenn man sie überall auf separierte Gleise verlegt und zur Stadtbahn macht. Was dann zu einigen sehr obskuren Geschwindigkeitsvergleichen zwischen verschiedenen Großstädten in Deutschland führte.

Denn scheinbar war die Straßenbahn überall dort schneller, wo Städte rücksichtslos auf das Modell Stadtbahn gesetzt haben.

Freie Fahrt für die Bimmel

Es nutzt nur den Fahrgästen im Alltagsverkehr nicht die Bohne. Die Haltestellenabstände sind so groß, dass ganze Quartiere unterwegs überhaupt keinen sinnvollen ÖPNV-Anschluss haben. Die Bahnen werden nicht voll genug, um Taktverdichtungen zu rechtfertigen. Das System entfaltet keine Sogwirkung.

Weshalb die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) nach den Abenteuern auf den Straßenbahnlinien 15 und 16 die Schnapsidee „Stadtbahn“ beerdigt haben. Auch wenn das den Verzicht auf wertvolle „Stadtbahn“-Fördermittel vom Bund zur Folge hatte.

Aber Straßenbahnen entfalten ihre Stärke erst, wenn sie möglichst alle innerstädtischen Quartiere auch mit fußläufig gut erreichbaren Haltestellen erschließen. Und wenn sie dann im Verkehrssystem möglichst freie Fahrt bekommen – also flott unterwegs sind und nicht an jeder Ampel ewig halten müssen.

Und darum geht es in einem Punkt im Maßnahmenplan, der im Stadtrat schon mehrmals diskutiert wurde. Aber jetzt wird er erstmals auch mit Geld im nächsten Doppelhaushalt 2023/2024 untersetzt: Punkt IV.17 „ÖPNV-Beschleunigung“

Bessere Verkehrssteuerung

Das kann jetzt endlich vorwärtsgehen, weil die Verkehrstechnik in Leipzig sowieso erneuert wird.

„Mit der Erneuerung der Verkehrstechnik an Knotenpunkten und der Überarbeitung der LSA-Programme ergeben sich notwendige Spielräume, den ÖPNV im Verkehrsfluss weitreichender zu bevorrechtigen“, heißt es unter diesem Maßnahmenpunkt.

„Damit können Busse und Straßenbahnen diese Kreuzungen schneller passieren, sodass die Fahrtzeit abschnittsweise reduziert werden kann und die Fahrgäste ihre Ziele schneller erreichen können.“

Was dann zur Folge haben kann: „Die Maßnahme fördert die Attraktivität des ÖPNV und bietet somit Anreize für Bürgerinnen und Bürger, den ÖPNV vermehrt zu nutzen.“

So ganz am Horizont schwebt da der noch nicht ausformulierte Gedanke, dass ein wirklich flüssiges ÖPNV-System eigentlich die priorisierte Verkehrsart in der Stadt sein sollte und Straßenbahn und Busse barrierefrei und in dichten Takten für jedermann gut nutzbar sein sollten.

Aber so weit ist Leipzig noch nicht. Und fertige Pläne, wie man den Fluss für den ÖPNV wirklich verbessern kann, gibt es auch noch nicht.

Ziel: Zehn Sofortmaßnahmen

Dafür braucht es – so steht es in diesem Punkt des Maßnahmenplans zu EKSP – erst einmal ein Steuerungsgremium zur ÖV-Beschleunigung, das noch eingerichtet werden muss. Womit all die Diskussionen der letzten Jahre sich als ziemlicher Wind erweisen. Man hat da und dort ein bisschen an den Ampelschaltungen gewerkelt, aber ein richtiges Beschleunigungskonzept nicht mal skizziert.

Also geht es beim Urschleim los, bei der „Evaluierung bestehender Prozesse und Erarbeitung von neuen Ansätzen zur ÖV-Beschleunigung“, der dann die „Erarbeitung und Umsetzung eines Arbeitsplans“ folgen soll. Und erst dann wird es für die geduldigen Nutzer der LVB-Fahrzeuge auch greifbar. Denn dann soll es „10 Sofortmaßnahmen zur Beschleunigung des ÖPNV“ geben.

Und erstmals hat die Stadt dafür auch richtig Geld für den Doppelhaushalt 2023/2024 beantragt: 300.000 Euro für das Jahr 2023 und 400.000 Euro für 2024.

Und man ahnt schon, dass ein Hauptschwerpunkt die Radialen sein werden, auf denen jetzt die Straßenbahnen oft noch im Schneckentempo Richtung Innenstadt fahren. Denn hier sollen ja als Erstes die Taktzeiten verdichtet werden, was aber nur Sinn ergibt, wenn Straßenbahnen zügig und ohne permanente Wartezeiten an Ampeln und Kreuzungen vorankommen.

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Die Ampelschaltungen beschleunigen, damit sie dann im Mischverkehr hinter den Autoschlangen in den neuen 30er-Zonen hinterhertingeln können.

Und das angedachte Steuerungsgremium klingt für mich eher nach “Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann bilde einen Arbeitskreis”.

Und so schlecht sind separierte Gleise nicht, man kann sie auch wohnnah verbauen. Dafür müsste sich die Stadt aber auf Grund der meist engen Straßen entscheiden, ob es nun doch der Radweg oder lieber separater und damit staufreier ÖPNV sein soll. Beides zusammen wird es realistisch betrachtet (bis auf wenige Ausnahmen) nicht geben können.
Als Ausgleich könnte man Nebenstraßen zu einem sinnvollen Fahrradstraßen-Netz umgestalten.

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