Der neue Radverkehrsentwicklungsplan liegt noch nicht vor. Aber der Energie- und Klimaschutzplan (EKSP), den die Stadt im Juli vorgelegt hat, trifft schon einige Vorfestlegungen, was 2023/2024 beim Ausbau des Radnetzes passieren soll. Denn die Gelder müssen ja im Doppelhaushalt 2023/2024 mit beschlossen werden. Und ein funktionierendes Radnetz entscheidet mit, ob Leipzig klimafreundlich wird.

Wie schwer es vielen Zeitgenossen fällt, sich überhaupt eine Stadt mit einer anderen Mobilität und anderen Prioritäten vorzustellen, zeigen ja auch die Diskussionen zu den anderen Beiträgen zum Maßnahmenprogramm zum EKSP.

Man sieht ein System, das ganz und gar auf die klimaschädlichsten aller Verkehrsarten zugeschnitten ist, kann sich aber den Prozess nicht vorstellen, wie sich das binnen weniger Jahre ändern soll.

Was auch daran liegt, dass der Umbauprozess schon vor Jahren eigentlich begonnen werden sollte und so auch vom Stadtrat beschlossen worden war. Der alte Radverkehrsentwicklungsplan wurde 2012 beschlossen und hätte bis 2020 umgesetzt werden sollen. Aber 2020 konnte der ADFC Leipzig vorrechnen, dass nur ein Viertel der Maßnahmen umgesetzt wurde.

Fehlende Planer, fehlende Gelder, massiver Widerstand

Gründe gab es mehrere – fehlende Gelder und fehlendes Personal z. B. Wobei die Sache mit dem Personal schon eine gewisse Stufe der Peinlichkeit erreichte, weil die Verwaltung den Ratsfraktionen viel zu spät eingestand, dass es auch für den Radverkehr viel zu wenige Planer gab.

Da musste der Stadtrat also erst einmal mehr Personal für die Radverkehrsplanung beschließen, damit der Stillstand im Radwegebau überhaupt erst einmal gelöst wurde. Vom Gegenwind einer vom Autofahren geradezu besessenen Lobby, die in Leipzig immer sehr viel Medienecho bekam, ganz zu schweigen.

Das jahrelange Ausbremsen des Radverkehrs hatte schon eine gewisse Methode. Was von den tausenden Vorschlägen aus der Bürgerbeteiligung im neuen Radverkehrsplan zu finden sein wird, werden wir jetzt 2023 erst sehen.

Aber auch ohne neue Maßnahmen hat das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) genug zu tun und hat entsprechend auch schon einmal Investitionskosten für den „Radverkehrsentwicklungsplan 2030+“ ins EKSP geschrieben: 773.000 Euro sowie 2.037.250 Euro für Investitionen im Jahr 2024 und 973.000 Euro sowie 800.000 Euro für Investitionen im Jahr 2024.

„Nach Bearbeitungsstart Ende 2021 soll gemäß Zeitplan der RVEP 2030+ Ende 2023 im Stadtrat beschlossen werden. Im Anschluss wird die Umsetzung und das Monitoring der Maßnahmen sowie die Evaluierung des RVEP gesichert“, heißt es dazu.

Dass es dabei um eine Umverteilung des Verkehrsraums geht, ist der Stadtverwaltung sehr wohl bewusst, wenn sie schreibt: „Eine Verbesserung der Infrastrukturen des Radverkehrs sowie die Steigerung der Zufriedenheit mit den Radverkehrsbedingungen erhöht den Anteil von Fahrradfahrenden und mindert die Bedeutung des privaten Pkw bei der Verkehrsmittelwahl.“

Mehr Abstellanlagen und ein paar Fahrradstraßen

Die oben genannten Gelder sind nicht die einzigen, die 2023/2024 ins Radnetz fließen sollen.

Für die Ausweitung von Radabstellanlagen sollen 2023 150.000 Euro bereitgestellt werden, dazu noch 200.000 Euro für Investitionen, 2024 dann weitere 100.000 Euro.

„Die Maßnahme beinhaltet eine Erhöhung der Anzahl von Abstellmöglichkeiten insb. im Umfeld des Hauptbahnhofs und an wichtigen Knoten des ÖPNV sowie die Erweiterung der Fahrradabstellmöglichkeiten an wichtigen Quell- und Zielpunkten des Radverkehrs sowohl im Bestand als auch an neuen Standorten“, erläutert der Maßnahmenplan.

„Ein neuer Aspekt ist die Errichtung von Abstellanlagen für Lastenräder im öffentlichen Raum. Andererseits beinhaltet die Maßnahme auch qualitative Verbesserungen bestehender Fahrradabstellanlagen.“

Und zur Verbesserung der Bedingungen für Radfahrer trägt auch die Ausweisung weiterer Fahrradstraßen bei: „Die Ausweisung von Fahrradstraßen erfolgt im Rahmen der Umsetzung des Radverkehrsentwicklungsplan 2030+, welchem das Hauptnetz Rad zugrunde liegt. Ziel ist, die Qualität und den Verkehrsfluss für den Radverkehr zu verbessern und die Sichtbarkeit der Radfahrenden zu erhöhen.“

Welche Straßen die Stadt dafür in den Jahren 2023/2024 freilich vorsieht, hat man in diesem Maßnahmenpunkt noch nicht aufgeschrieben. Das wird dann erst im Radverkehrsentwicklungsplan 2030+ stehen. Wobei die Summe von 50.000 Euro im Jahr sehr gering und nicht sehr ambitioniert aussieht.

Was dann wohl eher nur nach neuen Straßenabschnitten aussieht, die eher den motorisierten Verkehr nicht stören und die vor allen Dingen auch kein durchgehendes System von Fahrradstraßen ergeben.

Obwohl die Planer so langsam zu verstehen scheinen, dass Radfahren eben nicht nur ein Freizeitvergnügen ist, sondern eine echte Alternative zum motorisierten Verkehr, wenn man auch im Alltag als Radfahrer sicher und schnell vorankommt.

Schneckentempo bei Radschnellwegen

Aber da findet man ja dann auch noch Maßnahme IV.6 „Realisierung von Radschnellverbindungen“.

Radschnellwege sind seit 2016 Thema in Sachsen und eine Bestätigung dafür, wie unendlich viel Zeit sich die Behörden nehmen, so ein Thema überhaupt einmal umzusetzen. Für die Radschnellwegverbindung nach Halle gibt es noch nicht einmal ein Startjahr. Und deren Fortsetzung im Leipziger Stadtgebiet wird genauso noch Jahre ins Land gehen sehen, bis überhaupt einmal eigenständige Trassen für die Radfahrer bis ins Zentrum existieren.

Dass Leipzig bei den Radschnellwegen überhaupt noch nicht viel weiter ist als 2016, macht der Text zu dieser Klimaschutzmaßnahme deutlich:

„Die Maßnahme beinhaltet die Erstellung von Machbarkeitsstudien, die Planung und folgende Realisierung erster Abschnitte an den fünf Radschnellverbindungen, der vom Freistaat Sachsen identifizierten Korridore für Radschnellverbindungen (soweit entsprechende Machbarkeitsstudien zu einem positiven Prüfergebnis kommen). Dies erhöht die Attraktivität des Fahrrads bei der Verkehrsmittelwahl entlang der Korridore stark. Mit der Schaffung von Radschnellwegen werden die Stadt-Umland-Verkehre und der Pendler/-innenverkehr adressiert, die heute stark vom MIV dominiert sind.“

Und in Trippelschritten soll es auch weitergehen: „Erstellung von Machbarkeitsstudien für 4 Radschnellverbindungen, Abstimmung mit Stadtumlandgemeinden zur gemeinsamen Realisierung der positiv geprüften Radschnellverbindungen, Planung von (Teil-)Abschnitten auf dem Leipziger Stadtgebiet, Sukzessive Realisierung von (Teil-)Abschnitten.“

Und dass im Leipziger Rathaus niemand damit rechnet, dass 2023 oder 2024 auch nur irgendwo der Spaten angesetzt wird, zeigen die veranschlagten Summen: 100.000 Euro/Jahr für die Planungen sowie winzige 10.000 Euro/Jahr für Investitionen. Davon kann man keine Radschnellwege bauen. Nicht mal die Teilstücke, die im Stadtgebiet – etwa am Bayerischen Bahnhof oder am Eutritzscher Freiladebahnhof – sowieso geplant sind.

Und es verheißt auch nichts Gutes für den Radverkehrsentwicklungsplan, den wir nun für Ende 2023 mit fast vier Jahren Verspätung versprochen bekommen.

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