Auch Punkt IV.2 im neuen Energie- und Klimaschutzprogramm, das Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal im Juli vorgestellt hat, geht auf einen Stadtratsantrag zurück. In diesem Fall auf einen Haushaltsantrag, den die Grünen-Fraktion schon 2020 für den Haushalt 2021/2022 gestellt hatte. Der Punkt lautet: „Aufwertung öffentlicher Räume zu Stadtplätzen mit hoher Aufenthaltsfunktion (Stadtplatzprogramm)“. Man könnte ihn auch das Brartpfannenprogramm nennen.

Denn in den vergangenen Jahrzehnten hat Leipzig lauter Stadtplätze gebaut – oft nach den Vorstellungen diverser Architekten, die sich ihren geistreichen Entwurf auch noch als Kunstobjekt absegnen ließen –, die in der Realität nichts als große, steinerne Wüsten sind, ohne irgendeinen Nutzen und ohne Aufenthaltsqualität.

Obwohl der Eutritzscher Markt dabei die meiste Diskussionszeit im Stadtrat bekam, ist er nicht einmal das unrühmlichste Beispiel. Der Vorplatz des Bayerischen Bahnhofs, der Platz am Eingang zur Petersstraße, der Huygensplatz oder der Westplatz sind viel eindrücklichere Beispiele für eine Platzgestaltung, die weder dem Menschen einen würdigen Platz einräumt, noch die Folgen der im Klimawandel aufgeheizten Stadt in irgendeiner Weise berücksichtigt.

Wie sehen Begegnungsorte aus?

2021 hatte der Antrag der Grünen-Fraktion noch kein Glück und wurde nicht berücksichtigt. Auch weil der Doppelhaushalt 2021/2022 unter dem Eindruck der Corona-Einschnitte gefasst werden musste, die auch deutliche Mindereinnahmen für den Stadthaushalt drohen ließen.

Aber dass das Anliegen der Grünen berechtigt ist, zeigt nicht nur die Aufnahme in den Maßnahmenkatalog zum Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP). Auch wenn die Verwaltung die Bedeutung dieser Steinplätze als Bratpfannen in einer aufgeheizten Stadt noch nicht so recht fasst, wenn sie bei dieser Maßnahme schreibt:

„Die Aufwertung und Schaffung von Stadtplätzen wirkt sich positiv auf die doppelte Innenentwicklung aus. Ziel ist, u. a. durch Stadtplätze einen Ausgleich zur baulichen Verdichtung der Stadt zu schaffen. Weiterhin sollen Aufenthaltsräume entstehen, die als Begegnungsorte zum Zusammenhalt der Stadtgesellschaft beitragen. Im LeipzigGIS sollen die Standorte im Thema Baustellenkoordinierung dargestellt und so in die Steuerung städtischer Bauvorhaben eingeschlossen werden.“

In der Stellungnahme zum Haushaltsantrag der Grünen, die das Stadtplanungsamt jetzt erarbeitet hat, wird der klimatische Aspekt zumindest angesprochen:

„Stadtplätze sind Aufenthaltsorte und werden deshalb besonders sensibel hinsichtlich den klimatischen und ökologischen Gegebenheiten wahrgenommen. Da sie weit weniger den funktionalen verkehrlichen Anforderungen unterliegen, bieten sie entsprechende Freiräume, um durch klimatische und ökologische Qualitäten positiv auf ihre Umwelt einzuwirken. Das Stadtplatzprogramm legt die konzeptionellen Grundlagen, um geeignete Orte im Sinne der doppelten Innenentwicklung zu Stadtplätzen zu qualifizieren und so die Umweltqualitäten des Wohn- und Arbeitsumfeldes zu verbessern.“

Noch kein Platzumbau bis 2024

Aber während die Grünen-Fraktion schon im Jahr 2021 eine Umsetzung des Stadtplatzprogramms vorsah und dafür 1 Million Euro zum Umbau der Plätze pro Jahr vorschlug, vertröstet das Stadtplanungsamt noch einmal, denn es hat ja keine fertigen Pläne zum Umbau der langweiligen Plätze in der Schublade.

„Die Stadtverwaltung erarbeitet 2022 ein Stadtplatzprogramm unter Vornahme einer Priorisierung und legt es dem Stadtrat als Teil des Fußverkehrsentwicklungsplans zur Beschlussfassung vor. 2021/2022 besteht dafür kein zusätzlicher Mittelbedarf. Für 2023/2024 wird der Mittelbedarf in Höhe von 250.000 € im Gesamthaushalt eingeplant“, schlägt es in seiner Stellungnahme vor.

Laut EKSP verteilt sich die Summe auf beide Haushaltsjahre: 100.000 Euro für das Jahr 2023 und 150.000 Euro für das Jahr 2024. Das heißt: Umgebaut wird da noch gar nichts.

Erstmal die heißesten Kandidaten bestimmen

„Aus dem aktuellen Arbeitsprozess kann abgeschätzt werden, dass nach dem avisierten Beschluss des Stadtplatzprogramms Ende 2022 die ersten Projektvorbereitungen und Konzepte für die planerische Umsetzung in 2023/2024 beauftragt werden könnten“, betont das Stadtplanungsamt.

„Für 2023/2024 ist aus jetziger Sicht ein Budget von 250.000 € erforderlich. Aus diesem sollen ausschließlich Projektvorbereitungen bzw. Vorplanungen für die als prioritär identifizierten Stadtplätze des Stadtplatzprogramms finanziert werden. Die erforderlichen Mittel werden bei der Planaufstellung 2023/24 des Stadtplanungsamtes und Verkehrs- und Tiefbauamtes berücksichtigt.“

Und im Amt wird sogar schon daran gearbeitet:

„Das Stadtplatzprogramm wird derzeit im Stadtplanungsamt erarbeitet und soll 2022 dem Stadtrat vorgelegt werden. Für die Erarbeitung wurde im Stadtplanungsamt 1 VZÄ für Machbarkeitsstudien etc. (Phase Null) zusätzlich eingerichtet. In 2022 ist die Bearbeitung daher mit den vorhandenen Ressourcen möglich. Aus dem Programm, das die Verwaltung dem Stadtrat vorlegen wird, wird ersichtlich sein, welche Maßnahmen 2023/24 in die Projektvorbereitung bzw. Vorplanung gehen können und welcher Mehrbedarf dafür erforderlich ist (nach derzeitigem Kenntnisstand 250.000 €). Die Haushaltsmittel werden aus den zentralen Vorplanungsmitteln (VII-DS-01404) in Abhängigkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme bereitgestellt werden.“

Wie die Stadtplätze künftig aussehen werden, ist freilich noch offen. Denn während sich viele Leipziger einfach nach Plätzen sehnen, die mit Bäumen verschattet sind und Sitzbänke und vielleicht einen Brunnen haben, scheint das Stadtplanungsamt so eine Art Platz für alle Ansprüche draus machen zu wollen:

„Stadtplätze sind zentrale Orte der Begegnung und des Austauschs. Das Stadtplatzprogramm legt die konzeptionellen Grundlagen, um geeignete Orte im Sinne der doppelten Innenentwicklung zu Stadtplätzen zu qualifizieren und so auch das Kultur-, Sport- und Freiraumangebot im öffentlichen Raum zu verbessern.“

Darüber wird es dann wohl noch einige Diskussionen im Stadtrat geben. Und natürlich mit den Architekten, die die in der Sommerhitze brodelnden Steinwüsten am, Reißbrett entworfen haben.

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