Wahrscheinlich hätte die SPD-Fraktion mutiger sein sollen, als sie im Juni den Antrag stellte: „Der Oberbürgermeister prüft, wie auch mit Blick auf Fördermittelbindungen oder Urheberrechte nach Architekturwettbewerben, sichergestellt werden kann, dass kommunale Freiflächen und Plätze entsprechend sich ändernder Anforderungen (Nutzungsart, -verhalten und -intensität) zeitnah angepasst werden können.“ Denn so formuliert, war es eine Steilvorlage für die Bedenkenträger im Stadtplanungsamt.

Das hat jetzt Stellung genommen zum SPD-Antrag, der ja schon eine Reihe Vorstöße in der Ratsversammlung zu Vorläufern hatte. Denn mittlerweile sind es nicht mehr nur die Stadtbezirksbeiräte, die sich über planerisch völlig verkorkste Stadtplätze ärgern, die aber nicht mehr geändert werden dürfen, weil die Stadt den beauftragen Architekturbüros ein Urheberrecht zugesteht.

Die Stellungnahme des Stadtplanungsamtes.

Was im Angesicht dieser Plätze massive Zweifel aufwirft, denn die sie sind auf den ersten Blick steingewordene Einfallslosigkeit und lassen nicht einmal einmal die „geistige Schöpfung“ ahnen, die das deutsche Urheberrecht zur Mindestbedingung für einen Urheberschutz macht. Aber genau mit dieser Finte macht die Stadt Plätze, die eigentlich wechselnden Nutzungen unterliegen müssten, zu Kunstwerken, die nicht mehr angerührt werden dürfen.

„Das urbane Leben ist mit vielfältigen Veränderungen verbunden. Aufgrund sich ändernder Bevölkerungsstrukturen wie auch der zunehmenden Verdichtung in der Stadt ändern sich auch der Bedarf an Grün- und Freiflächen sowie deren Nutzung. Anpassungen bei Zuschnitt, Ausstattung und Struktur bereits vorhandener Grün- und Freiflächen können deshalb für die Stadtverwaltung notwendig werden, um die Lebensqualität in der Stadt zu sichern und zu erhöhen. Allerdings sind solche Veränderungen aufgrund von rechtlichen Vorgaben (bspw. Fördermittelbindung oder Urheberrechte nach Architektenwettbewerben) mitunter erst nach vielen Jahren möglich“, stellte die SPD-Fraktion deshalb fest, nachdem mehrere dieser Stadtplätze in die Kritik geraten sind.

„Die Stadtverwaltung soll deshalb prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, bei Platz- und Freiraumgestaltungen schneller reagieren zu können, um diese Flächen an die Bedarfe der Bevölkerung anzupassen.“

Huygensplatz & Co.

Als herausragendes Beispiel, „wie Platzgestaltungen künftig nicht mehr realisiert werden sollten“, nannte die SPD-Fraktion den 2013 umgestalteten Huygensplatz. „Aufgrund eines Architektenwettbewerbs und der damit verbundenen Urheberrechte der beteiligten Architekten, kann dieser Platz für viele Jahre nicht mehr umgestaltet werden, selbst wenn die Stadt auf sich ändernde Nutzungen oder das steigende Bedürfnis nach mehr Grün im urbanen Raum reagieren möchte.“

Wie problematisch das ist, wenn die Stadt hier Plätze mit Urheberrecht baut, gesteht das Stadtplanungsamt sogar zu:

„Der Wunsch nach mehr Flexibilität im Umgang mit öffentlichen Räumen ist grundsätzlich nachvollziehbar. Aus Verwaltersicht ist der Zeitpunkt der Flexibilisierung entscheidend: Änderungen im Nachhinein sind teuer, zeitaufwändig und ggf. rechtlich nicht möglich. Änderungen, die im Planungsprozess berücksichtigt werden können, verbrauchen dagegen weniger Ressourcen.

Die Verwaltung wird daher prüfen, ob es für Verträge, die im Laufe des Planungsprozesses mit Dritten zu schließen sind, juristisch belastbare Regelungen geben kann, die einen flexibleren Umgang mit den Anforderungen des Urheberrechts und den Fördermittelbindefristen erlauben. Nach aktueller Einschätzung ist mit einem Prüfergebnis Anfang 2023 zu rechnen.“

Das Urheberrecht ist aber gar nicht für öffentliche Straßen und Plätze gedacht, weshalb es dort auch keinen einzigen Passus dazu gibt, wie mit Plätzen, die nach Architekturentwürfen gestaltet wurden, umgegangen werden darf.

Die Prüfung, warum die Stadt so sehr auf dem Urheberrecht beharrt, dürfte spannend werden.

Denn in der Folge wird jeder Versuch, an den missglückten Platzgestaltungen etwas zu ändern, teuer, wie das Stadtplanungsamt ausführt:

„Sollte in ganz wenigen Einzelfällen im Nachhinein ein Umbau angestrebt werden, ist es unerlässlich, sich mit den projektspezifischen Bewilligungsbescheiden und dem Umfang des Urheberrechts auseinanderzusetzen. Zudem empfiehlt es sich, im Konsens mit dem Fördermittelgeber und dem Inhaber des Urheberrechts nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen, die als fördermittelunschädlich und umsetzbar angesehen wird.

Sollte dies nicht erfolgreich sein, muss die Stadt Leipzig abwägen, ob sie gegebenenfalls eine Rückzahlung von Fördermitteln und/oder einen Rechtsstreit über die Verletzung des Urheberrechts eingehen will. Auch das kann im Einzelfall angezeigt sein.“

Noch müssen sich die diversen Ausschüsse des Stadtrates mit dem SPD-Antrag beschäftigen. Aber wenn nur eine Seite bei diesem Prozess die Sache bis zu Ende denkt, dürften Stadtplatzgestaltungen künftig nur noch an Architekturbüros gehen, die nicht auf einem Urheberrecht beharren und Stadtplätze auch bei ihrer Reißtischarbeit als etwas begreifen, was sich immer wieder ändern kann, wenn sich die Stadt verändert.

Nichts hat in einer lebendigen Stadt weniger Sinn als ein zum Kunstwerk erklärter Platz, den niemand nutzen kann.

Das Stadtplanungsamt schlägt nun vor: „Der Oberbürgermeister prüft, inwieweit eine flexiblere Vertragsgestaltung zum Urheberrecht und den Fördermittelbindefristen mit Dritten möglich ist. Die Ergebnisse der juristischen Prüfung werden im II. Quartal 2023 vorgelegt.“

Vielleicht ergibt die juristische Prüfung aber auch, dass ein Urheberrecht auf 08/15-Stadtplätze ein Konstrukt ist, das rechtlich gar nicht haltbar ist.

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