Beim Huygensplatz in Möckern, der erst 2013 nach einem Architektenwettbewerb umgestaltet wurde, wurde es im im Februar zu einem unangenehmen Erwachen, als ein paar simple Änderungswünsche aus dem Stadtbezirksbeirat Nord sich als nicht umsetzbar erwiesen, weil auf dem Platz ein künstlerisches Urheberrecht liegt, wie die Verwaltung mitteilte. Blockieren jetzt Urheberrechte wichtige Anpassungen im Leipziger Stadtraum? Die SPD-Fraktion kann es nicht fassen.

Wobei das Thema nicht neu ist. Schon seit 1998 sorgt es für Diskussionen. Damals war es die Fertigstellung des neu gestalteten Augustusplatzes mit der darunter liegenden Tiefgarage. Als besonders ärgerlich wurden die Glaszylinder der Notausgangstreppen der Tiefgarage und die Stahlgestelle empfunden, die den Platz zur Goethestraße hin abgrenzen.

Ändern aber konnte die Stadt daran nichts – auch hier liegt ein Urheberrechtsschutz auf dem Platz. Die Stadt hat sich selbst die Hände gebunden.

Und dieselben Diskussionen dürften auch bei anderen Stadtgestaltungen auftauchen, gerade dort, wo gepflasterte Platzflächen dominieren, die so überhaupt nicht zu den Klimaschutzplänen und den Hitzeproblemen der Stadt passen.

Wenn hier die einst siegreichen Architekturbüros ihr Veto einlegen können, wenn dringend erforderliche Anpassungen notwendig werden, wird die Sache seltsam.

Plätze sind doch zum Leben da

„Das urbane Leben ist mit vielfältigen Veränderungen verbunden. Aufgrund sich ändernder Bevölkerungsstrukturen wie auch der zunehmenden Verdichtung in der Stadt ändern sich auch der Bedarf an Grün- und Freiflächen sowie deren Nutzung. Anpassungen bei Zuschnitt, Ausstattung und Struktur bereits vorhandener Grün- und Freiflächen können deshalb für die Stadtverwaltung notwendig werden, um die Lebensqualität in der Stadt zu sichern und zu erhöhen“, stellt die SPD-Fraktion jetzt in einem Antrag fest, mit dem die Verwaltung zur Prüfung dieser Urheberrechte aufgefordert wird.

„Allerdings sind solche Veränderungen aufgrund von rechtlichen Vorgaben (bspw. Fördermittelbindung oder Urheberrechte nach Architektenwettbewerben) mitunter erst nach vielen Jahren möglich. Die Stadtverwaltung soll deshalb prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, bei Platz- und Freiraumgestaltungen schneller reagieren zu können, um diese Flächen an die Bedarfe der Bevölkerung anzupassen.“

Das kam dann als Platzbezeichnung 2014 nicht in die engere Wahl. Foto: Ralf Julke
Das kam dann als Platzbezeichnung 2014 nicht in die engere Wahl. Foto: Ralf Julke

Und besonders augenfällig ist das nun einmal beim Huygensplatz vor der Arbeitsagentur, wo es an Aufenthaltsqualität völlig fehlt.

„Der bis 2013 umgestaltete Huygensplatz ist ein Beispiel dafür, wie Platzgestaltungen künftig nicht mehr realisiert werden sollten. Aufgrund eines Architektenwettbewerbs und der damit verbundenen Urheberrechte der beteiligten Architekten, kann dieser Platz für viele Jahre nicht mehr umgestaltet werden, selbst wenn die Stadt auf sich ändernde Nutzungen oder das steigende Bedürfnis nach mehr Grün im urbanen Raum reagieren möchte“, so die SPD-Fraktion.

Dass der Platz architektonisch verunglückt war, machte schon 2014 eine Kunstaktion auf dem Platz deutlich, bei der provisorische Bänke aus Euro-Paletten die fehlenden Bänke ersetzten und wenigstens temporär Aufenthaltsqualität erzeugen sollten. Die organisierte Namenssuche für den Platz brachte dann viele sehr spöttische Bezeichnungen zutage, die im Grunde nur von einem erzählten: Mit diesem Platz konnten sich nicht einmal die Anwohner identifizieren.

Da haben Verwaltung und preisgekrönte Architekten das Thema Stadtplatz so gründlich verfehlt, wie es nur möglich war.

Und so beantragt die SPD-Fraktion jetzt: „Der Oberbürgermeister prüft, wie auch mit Blick auf Fördermittelbindungen oder Urheberrechte nach Architekturwettbewerben, sichergestellt werden kann, dass kommunale Freiflächen und Plätze entsprechend sich ändernder Anforderungen (Nutzungsart, -verhalten und -intensität) zeitnah angepasst werden können.“

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Es gibt 3 Kommentare

Wer nicht glaubt, dass es fähige Planer für solche Plätze braucht, der fahre mal nach Westdeutschland in eine mittelgroße Provinzstadt, um zu sehen was passiert, wenn den Stadtmöblierern und Stellplatzmarkierern freie Bahn gelassen wird. Es braucht eine gewisse Qualifikation, um einen Platz zu planen, auch wenn das Laien vielleicht nicht einleuchten mag.

Wie es abläuft, wenn man Verwaltung und freier WIrtschaft ihren Lauf lässt, braucht ja insbesondere hier in diesem Medium nicht weiter betont werden.

Es hat durchaus seinen Sinn, eine einmal beschlossene Planung nicht bei der nächstbesten Gelegenheit und nichtígem Anlaß über den Haufen zu werfen – auch wenn man die ursprüngliche Planung durchaus hinterfragen kann.

Warum es für einen solchen Platz überhaupt einen Architekten braucht, ist fraglich. Und dann kommt auch noch eine solche Steinwüste heraus.
Wir beschäftigen doch genug fähige Planer, die diesen Platz nicht nur so, sondern sicherlich noch besser hinbekommen hätten.
Vielleicht lernt die Stadtverwaltung nun endlich daraus.
Ansonsten stehen wir beim Leuschner Platz und auch beim Stasi-Bau in ein paar Jahren vor dem gleichen Dilemma, wenn sich “preisgekrönte” Architekten auf unsere Kosten austoben können.

Falls dieser Pflasterplatz mit Steinquadern und Baumreihe ein eigenständiges Werk persönlicher geistiger Schöpfung darstellt, also “besonders originell, individuell und innovativ ist” – dann würde der Platz dem Urheberrecht des Architekten unterliegen.
Bei einem Kunstwerk ist es egal, ob Nachfolgende es für hässlich befinden.
Da der Entwurf ja in einem Wettbewerb für gut befunden wurde und im Vertrag wohl kein Änderungsrecht vereinbart wurde,
kommt man mit “Ästhetik” wohl nicht weiter.

(Wobei der Architektenentwurf in der baulichen Umsetzung massivst durch das VTA geändert wurde? Platzbegrenzung etc.)

Wesentlich ist deshalb wohl nur eine (wirtschaftliche) Nutzungsänderung. Die Pflasterung war ja für das Befahren mit Wochenmarkts-Verkaufswagen vorgesehen.
Ob die Granitblöcke den Aufenthalt unangenehm gestalten sollten, weiß ich nicht.

Die Stadt als Eigentümer ist dem Schutz des Eigentums seiner Bürger verpflichtet.
“Bei der Abwägung zwischen der Kunstfreiheit des Urhebers nach Art.5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem Eigentum des Auftraggebers nach Art. 14 GG müsse daher nach folgenden Prinzipien eine praktische Konkordanz hergestellt werden:
(1) Dem Urheber erkennt der BGH ein grundsätzliches Interesse an der Fortexistenz seines Werkes zu. Dies gilt insbesondere, wenn von diesem nur ein Werkexemplar vorliegt.

(2) Der Eigentümer muss jedoch wirtschaftlich vernünftige Nutzungsänderungen vornehmen können.
Die Rechte des Urhebers stehen hinter diesen zurück.

Der BGH hat diese Grundsätze mittlerweile in zwei Folgefällen bestätigt: BGH, Urt. v. 21.2.2019 –I ZR 99/17 –PHParadise; 21.2.2019 –I ZR 15/18 –Minigolfanlage.”
Quelle: S.34
https://oechsler.jura.uni-mainz.de/files/2021/08/Skript_Urheberrecht-2021-1.pdf

GG14 (2): Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Also, wenn die Bürger sich da ein soziales Zentrum mit Grünflächen, Bänken, Spielplatz, Entsorgungsmöglichkeiten usw. wünschen, das auch noch in Zeiten der Erhitzung des Stadtklimas einen natürlichen Grün-Kühl-Effekt erfüllt –
wird wohl jedes Gericht einem uneinsichtigen Stein-Architekten – den Abtransport “seiner” Granitquader nach Bezahlung zugestehen.

Zu den BGH-Urteilen von 2019 zu KUNST(!)-Werken:
“Der Umbau (Rückbau) einer Museumsinstallation mit dem Ziel, die Räume für andere Kunstdarbietungen zu nutzen, war vor dem BGH daher stärker als das Recht der Künstlerin, den Erhalt ihres Werkes zu fordern. Verdankt sich die Vernichtung eines Werkes dagegen ausschließlich einem veränderten Geschmack – zum Beispiel, weil der neue Museumsdirektor die Entscheidung seines Vorgängers für falsch hält, er die Arbeit nicht liebt und sie bloß deshalb zerstören will – wird in aller Regel das Interesse des Künstlers am Erhalt des Werkes stärker sein als die Geschmacksentscheidung des Museumsdirektors in diesem Beispiel. Damit betritt der BGH Neuland.”
lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-urteile-9817-9917-14-urhg-kaputte-zerstoerte-kunst-urheber/

PS: Und für sein Renommee hat der Architekt ja noch seinen Entwurf.
Und kann damit mal schauen, ob es vor ihm schon Pflasterplätze gab oder andere einfach irgendwo seine Pflaster-Idee urheberrechtsverletzend nachgebaut haben^^

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