Eigentlich ist es seit Jahren Thema, in den letzten Jahren erst recht, warum die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) die Gleismittenabstände in ihrem Netz vergrößern. Bei jedem neuen Stück zu sanierender Gleise. Systematisch. Und ab 2026 sollen da die ersten breiteren Straßenbahnen endlich auf Fahrt gehen. Auch wenn das Gleisnetz noch nicht überall von ihnen befahrbar ist. Was manche Leipziger dann auf einmal überrascht.
Also fragen sie nach, was da los ist. Und vermuten gleich mal, weil das heute irgendwie in der Luft liegt, verantwortungslosen Umgang mit Steuergeldern. Oder sind die LVB zu doof zum Straßenbahnkaufen?
Und so fragte Uwe Bärwinkel: „Mich interessiert, warum für die Stadt Leipzig neue Straßenbahnen angeschafft wurden, die nicht auf den bestehenden Gleisanlagen der LVB einsetzbar sind. Hat dieser Fehlkauf personelle oder finanzielle Konsequenzen für die Verantwortlichen?“
Eigentlich sollten die neuen Straßenbahnen schon 2025 rollen. Aber da gab es Lieferschwierigkeiten beim Herstellerkonsortium. Sodass bis dahin noch zwei wichtige Engstellen in der Prager Straße und auf der Zeppelinbrücke beseitigt werden können.
Dass dahinter ein inzwischen drei Jahrzehnte altes Umbauprogramm steckt, erklären die LVB in ihrer Antwort dann so ausführlich wie möglich.
„Die ab 2026 zur Verfügung stehenden breiteren Straßenbahnen sind kein Fehlkauf, sondern gehen auf eine Grundsatzentscheidung aus den 1990er Jahren zurück, in Leipzig breitere Straßenbahnen einzusetzen und dafür den Gleismittenabstand, welcher den Abstand zwischen den Gleisen der beiden Fahrtrichtungen beschreibt, zu verbreitern. Deshalb wird seit vielen Jahren das Straßenbahnnetz für diese breiteren Fahrzeuge vorbereitet. Auf den Linien 15 und 16 wird der Einsatz jetzt als erstes möglich.
Mit dem Abschluss der aktuell laufenden Baumaßnahmen Prager Straße und Zeppelinbrücke sind die Linien 15 und 16 vollständig ausgebaut – inkl. ausgewählter Umleitungsstrecken. Auf diesen Linien wird mit den neuen Straßenbahnen vom Typ NGT Plus, den ersten Fahrzeugen mit einer Wagenkastenbreite von 2,40 m, der Fahrgasteinsatz im Jahr 2026 beginnen und perspektivisch auf weitere Linien ausgedehnt. Mit dem Einsatz der breiteren Straßenbahnfahrzeuge gelingt es, mehr Fahrgäste zu befördern und damit einen nachhaltigen Beitrag zur Mobilitätswende der Stadt Leipzig zu leisten.“
Bei 15 und 16 wird es nicht bleiben
Weil die Bestellung der neuen, breiteren Straßenbahnen aber mit Verzögerungen im Netzumbau zu kollidieren drohte, bekamen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) 2023 extra ein Prioritätenprogramm für den Netzumbau verpasst, in dem die Beseitigung der Schmalstellen im Netz Vorrang bekam.
Die LVB waren bis dahin nicht untätig gewesen. Aber tatsächlich waren erst 75 Prozent des Gleisnetzes derart aufgeweitet worden. Die Zeit drängte also.
Und bei den Baustellen in der Prager Straße und auf der Zeppelinbrücke soll es nicht bleiben. Das Programm geht bis 2028 und soll auch noch auf anderen Linien – wie etwa der Linie 11 – ziemlich bald den Einsatz der breiteren Straßenbahnen möglich machen.
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Es gibt 12 Kommentare
Der Kostenvorteil wird sich im westlichen auf die in der Mitteilung zur gemeinsamen Beschaffung mit Görlitz und Zwickau genannten 27 Millionen Euro belaufen – hauptsächlich gesparte Entwicklungs- und Zulassungskosten.
@Andre Lou
Höchste Taktfrequenz in Augsburg ist 7,5 Minuten – also 8 Bahnen stündlich je Richtung.
In Leipzig erreicht man den 5er-Takt durch Linienüberlagerung. Augsburg hat auch im Zentrum nur wenig Linienüberlagerung, sodass eine höhere Taktung notwendig ist.
Es gibt übrigens auch in Dresden viele nicht-sehr-breite Straßen. Dort gibt es nun aber einen echten Zuwachs an Kapazität durch die 2,65 m breiten neuen Bahnen.
Worin besteht denn eigentlich der Kostenvorteil des “Standards” von 2,40 m Breite, und wie hoch ist er im Vergleich zu 2,30 m?
Vorrangschaltungen darf man z.B. in der Prager Straße bewundern.
Dort steht man als Verkehrsteilnehmer, ob Auto oder Rad, an einigen benachbarten Ampeln manchmal ewig, bis einem die Kreuzung freigegeben wird.
Allerdings betrifft das dort auch sehr den Radverkehr. Da es an den Nachbarampeln (UND Radampeln!) genau so ist, wird dort eine wichtige Route stetig ausgebremst und den Nutzern gehörig die Lust am Radfahren genommen.
Ich tendiere auch eher zu einer besseren Taktung, da ich jetzt nicht der Experte für die Vor- und Nachteile der breiten Straßenbahnen bin, wie manch andere hier.
Allerdings hat Leipzig auch die Besonderheit, das sämtliche Linien um den Ring fahren müssen. Und der kann ja auch nur eine bestimmte Last an Bahnen aufnehmen.
Es wäre mal interessant zu wissen, wie es damals zu der Entscheidung kam.
So möchte ich meinen Senf auch noch zur lustigen Debatte um Sonder Größen und Effizienz beitragen. Immer größere Fahrzeuge bringen immer mehr Leute weg. Stimmt. Aber wenn man sich die Taktzeiten und die das ausgedünnte Netz ansieht, was Sol das bringen -außer extremer Mehraufwand, den aber die Bundes- und Landesgemeinschaft über absurde Fördermittelprogramme zu tragen verdonnert ist.
Besser wäre es gewesen, mehr, und dafür kleinere (also schon vorhandene) Trams einzusetzen. Ein blödes Beispiel nur am Rande: ébei innigen Besuchen kürzlich in Augsburg (ca. 350.000 Einwohner) verkehren auf einigen Linien die Straßenbahnen bis zu 12(!!) mal in der Stunde. Und sind dabei nicht leer. Jetzt höre ich schon die Querulanten rufen, dass es ja den großen Fachkräftemangel gibt im Land. Aber, soweit ich weiß, können auch Fahrer und Fahrerinnen nicht ernsthaft auskömmlich leben und das bei einem Job, wo oft genug die Schicht um 4 Uhr in der früh beginnt. Bei einer anständigen Bezahlung gäbe es mit Sicherheit mehr Interessenten für diese jobs. Und Geld für Personal muß da sein, wenn man sich die Gehälter der höheren Chargen ansieht. Fazit: nur kürzere Taktzeiten bewältigen die zu erwartenden Millionen von Umsteigern (vom Auto 😉 ). Und wenn die Autos dann weg sind braucht man ja auch keine eigenes Gleisbett, weil niemand den Verkehrsfluss der Öffis stört – so wie jetzt, wenn Radspuren die Autos auf die Gleise zwingen und so jegliche Fahrplantreue da absurdum geführt wird. Und weil ich gerade dabei bin, Ampelanlagen mit starren Steuerungen im24/7-Betrieb sorgen in der Heldenstadt auch in der Nacht für saftige Verspätungen bei Bus und Bahn.
Wo ist eigentlich die geniale Idee der Vorrangschaltung geblieben? Die gab‘s doch mal. War eine sinnvolle Sache. Wahrscheinlich mußte sie deshalb wieder abgeschafft werden.
Danke Autolobby
@EarlGrey
Mittlerweile sogar mehr als 24.000 Views.
“Fragen über Fragen. Antworten hat keinen Sinn. Ich habe eine Oper geschrieben, da ist alles logisch drin” – schrieb schon der 2011 verstorbene Georg Kreisler.
Die Tragweite von Entscheidungen wird nur selten erfasst, denn die Auswirkungen merkt man meist erst Jahrzehnte später. Denk mal an den Atomausstieg. Seit den späten 1970er Jahren hat er die Republik beschäftigt und tatsächlich umgesetzt wurde er erst gut 4 Jahrzehnte später – also mindestens 40.000 Meinungsänderungen des Foodbloggers Maggus Söder später. Ob Diesel-Dieters CDU-Freunde von heute damals auch dabei waren, ist eher ungewiss. Seit jeher dabei ist nur Sabine Heymann und Claus-Uwe Rotkegel. Ob sich diese noch an die Entscheidungen von damals erinnern und ob diese die damalige Entscheidung mit ihrer Tragweite hätten auch einschätzen können, ist mindestens fraglich.
In Hinblick auf die Mobilitätsstrategie würde ich auch vermuten, dass man zwar mal dafür war, dann aber plötzlich dagegen agierte, weil man die Tragweite der Entscheidung der eigenen Wählerschaft nicht zumuten will bzw. merkt, dass Entscheidungen zum Wohle aller bei CDU-Wählys nicht gut ankommen und dann wieder mehr die Ego-Strategie fährt.
@Urs
Und ja, Thomas Dienberg wird die Entscheidung von damals heute nicht verstehen. Er war damals noch Architekt in Niedersachsen und nicht Verkehrsingenieur in Sachsen. Er hat sich sicherlich nicht mit den Förderinstrumenten der Kohl-Ära beschäftigt und kennt auch nicht die fatale Situation für die Öffis der 1990er in der ehemaligen Ost-Zone. Unvorstellbar aber wahr: Der Gleiszustand war damals noch erheblich schlechter. Die Netzreform 2001 war notwendig, weil ein erheblicher Teil des Netzes absehbar nicht mehr befahrbar sein würde. Man musste also jeden Strohhalm greifen, der zur Finanzierung der Öffis beitrug – und die zahlreichen schlechten Entscheidungen der LVB-Geschäftsführung kompensierte. Die Änderung des Gleismittenabstandes sicherte immerhin ca. 50% der Modernisierungskosten bei gleichzeitiger Verbesserung des ÖPNV-Systems und perspektivisch günstigerem Einkauf neuer Straßenbahnen.
Ein Gleismittenabstand von 3,00m wäre übrigens besser gewesen. Dann hätte man irgendwann auch bombierte Bahnen mit einer Breite von 2,65m einsetzen können – jedenfalls im Großteil des Straßenbahnnetzes. Das Liniennetz müsste man hierzu allerdings überarbeiten. Der Widerstand der 1990er und 2000er gegen die 2,65m breiten Bahnen würde es schon heute so nicht mehr geben.
Ist Diesel-Dieter aka Uwe Bärwinkel jetzt schlauer?
Warum “interessiert” ihn das erst jetzt, wo der Beschluss doch schon 30 Jahre alt ist?
Warum haben das ihm seine CDU-Freunde nicht erklärt? Waren die damals am Beschluss nicht beteiligt?
Ist Dieter/ Uwe jetzt enttäuscht, weil keine Köpfe rollen?
Köpfe könnten doch auch mal in der CDU rollen?
Und warum hat dieser Beitrag eigentlich 19687 Views?
Herr Fiebig, weder wurde die Zepplinbrücke grundhaft saniert noch die Gleise in der Prager Straße entlang von Völkerschlachtdenkmal und Friedhof. Das sind die verblieben schmalen Abschnitte auf der Linie 15. Der betreffende Abschnitt der Prager Straße wurde bereits ca. 1986 in den heutigen Maßen ausgebaut. Lediglich der Haltestellenbereich Südfriedhof wurde zwischenzeitlich barrierefrei nahe am Bestand angepasst. Am Knoten Naunhofer Str./Prager Str./Friedhofsweg waren die Schienen in neuem Maß schon wieder reparaturbedürftig.
Schon vor einer Weile hatte ich von Thomas Dienberg gelesen, daß selbst er das Festhalten der Fahrzeugverbreiterung von 2,20m über 2,30m (geht anscheinend ohne besondere Abstandsaufweitung) hinzu 2,40m nicht recht verstehen kann. Der Nutzen hinsichtlich der Fahrzeugkapazitäten ist minim, zumal es der jüngeren Generation an Verhaltensmaßregeln beim Einsteigen in Öffis völlig gebricht: die Majorität dieser Generation bleibt gleich an der Tür stehen und rührt sich nicht weiter. Da kann man die Wagenkästen wie im einschlägigen Ostfriesenwitz verbreitern wie man will. Daß es dem ADFC sehr wohlig beim Gedanken wird, daß Straßénbahnplatzbedarf gut in Stellung gegen den gehaßten MIV gebracht werden kann, wundert mich nicht. Dabei möchte ich nebenher zu bedenken geben, daß zum MIV im Grunde motorisierte Gefährte aller Art zu schlagen wären, in Sonderheit elektrifizierte Velos und Trottis. Wieso, möchte ich fragen, sind derlei Renner eigentlich für Radwege zugelassen?
Jedenfalls hat die Wagenkastenverbreiterung keinen sinnvollen Nutzen und folgt Zielen, deren Gehalt bei näherem Hinsehen markant zusammenschnurzelt. Die legendären 25% Kapazitätsgewinn traut sich hoffentlich niemand mehr anzuführen, zu absurd ist diese Hausnummer. Nur in den Fördermittelvergabebüros glaubt man stur an den Segensreichtum der gemachten Prämissen zur Wagenkastenverbreiterung, nicht zuletzt braucht es ja auch ein Etikett, nach dem sich Fördermittelantragsteller strecken können, sollen und dann auch müssen. Und die früher oft zur Förderbedingung gemachten separaten Gleiskörper sind oft genug dauerhaft ärgerlich. Zum Beispiel ist es nervig, die Kollonadenstraße stadtauswärts zu radeln und dann in die Gustav-Mahler-Straße (am alten Westplatz) zu wollen, wo man die Friedrich-Ebert-Straße überqueren muß. Geht im Grunde nicht, man muß schieben. Verstreicht eigentlich irgendwann so eine Förderbedingung irgendwann, so daß von so einer punktuell mißglückten Gleiskörperseparierung wieder abgewichen werden kann, ohne eine Mittelrückzahlung zu riskieren?
Die Prager Str. ist doch in großen Teilen nach 1990 erneuert wurden, auch jetzt erneut betroffene Abschnitte.
Warum wird jetzt die meiner Meinung nach super Straße wieder gesperrt?
Hat da jemand eine Antwort für mich?
“ohne Zusatzkosten” darüber kann man streiten.
Der Anlass für die breiteren Bahnen ist auch die Fördermittelpolitik des Bundes und des Freistaates. Hätte man die Gleise mit 2,56m Gleismittenabstand wieder eingebaut, hätte man sicherlich keine Fördermittel bekommen. Heißt: Das Netz hätte mit Eigenmitteln erhalten werden müssen. Das war weder damals noch heute finanziell für die LVB zu stemmen. Daher hat man auch in anderen Städten entschieden auf den nächst größeren Gleismittenabstand umzubauen – also die 2,80m für 2,40m breite Straßenbahnen. Auch in Berlin und Potsdam wird es perspektivisch die 2,40m breiten Bahnen geben. Dresden hat breitere Straßenräume und baut daher mit Fördermitteln seit den 1990ern für 2,65m breite Bahnen um.
Und wieder einmal fehlt die Betonung eines ganz wichtigen Aspekts: Die Aufweitung des Mittenabstandes erfolgte nicht als separates Projekt, sondern wurde fast überall bei ohnehin nötigen Gleiserneuerungen und damit ohne große Zusatzkosten umgesetzt. Deshalb hat das auch 3 Jahrzehnte gedauert, bis die ersten Linien durchgängig fertiggestellt sind bzw. sein werden.