Für FreikäuferDen Vorschlag findet man auch im Hitschfeld Büro für strategische Beratung in Leipzig gut. Am 4. Oktober haben 15 führende Energie- und Klimaschutzexperten der Bundesrepublik in einer gemeinsamen Erklärung dazu aufgerufen, den ökonomischen Rahmen der Energiewende neu auszurichten und dabei einen stärkeren Fokus auf die Vermeidung von CO2 zu legen. Nicht ganz zufällig, stellt das Büro Hitschfeld fest. Nichts ist so drängend derzeit wie die Klimapolitik.

Deutschland hat sich zwar so leidlich halbherzige Klimaschutzziele gestellt. Aber die stehen allesamt nur auf dem Papier. Wirkliche Initiative, den Klimawandel mit echten Leitplanken zu versehen und die Deutschen dazu zu animieren, selbst etwas zu tun für ein besseres Klima, haben die letzten Regierungen nicht gezeigt.

Und dabei geht es auch bei diesem Thema – wie das Büro Hitschfeld in vielen Einzelbefragungen nachwies – vor allem um Motivation. Die Deutschen halten den Klimawandel nach wie vor für das drängendste Thema der Zeit – und sie stehen mehrheitlich auch hinter der Energiewende. Doch wenn es um die konkrete Umsetzung geht, werden sie von der Politik im Stich gelassen. Politik muss nicht durch Restriktionen regieren. Auch das haben die Hitschfeld-Studien ja gezeigt. Wenn die Rahmensetzung transparent und nachvollziehbar ist und die Umsetzung im Alltag ohne Barrieren möglich, dann sind die Bundesbürger sehr wohl bereit zu einer Veränderung in ihren Handlungen.

Aber wie das so ist: Das Meiste regelt „der Markt“. Und „der Markt“ nimmt immer den schnellsten und bequemsten Weg, den, der zum schnellen Reibach führt. „Der Markt“ ist schlicht unfähig, langfristig zu denken und die Folgekosten seines Handelns einzupreisen.

Wer „dem Markt“ die Richtungsentscheidungen überlässt, bekommt eine zerstörte Welt.

Und das, obwohl Menschen längst berechnen können, was da alles auf uns zurollt. Und das alles ist nur scheinbar übermächtig, weil wir „dem Markt“ und seinen blinden Akteuren die Entscheidungen überlassen haben. Und auch all jenen, die seit über 30 Jahren gegen den Staat gewettert haben – er möge sich bloß nicht einmischen.

Dabei kommt aber Murks heraus.

Denn der Staat und die Politik sind die einzigen Instrumente, die wir haben, um auch die langfristigen Folgen nicht nur zu erkennen, sondern mit klaren Regularien gegenzusteuern, damit die Katastrophen eben nicht eintreten. Der Staat und seine Fähigkeit zum Steuern (Regelsetzen) sind die einzigen Werkzeuge, mit denen wir das gestalten können.

Und die Mahnung kommt zur rechen Zeit: Die jetzt neu zu bildende Bundesregierung hat die Aufgabe, diese Regeln zu setzen – und auf europäischer Ebene dafür zu sorgen, dass die anderen mitmachen.

Das Diskussionspapier für einen grundlegenden Kurswechsel in der Klima- und Energiepolitik findet Hitschfeld wichtig und bedenkenswert.

„Im Kern geht es den Experten darum, das Thema Klimaschutz wieder auf der politischen Tagesordnung zu verankern und damit die Voraussetzung für die Überwindung des Stillstands in der deutschen Klimapolitik zu schaffen“, stellt Hitschfeld fest. „Nicht zufällig kommt dieser Vorschlag deshalb jetzt, unmittelbar vor den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch. Die Autoren regen an, das inzwischen hochkomplexe System von Umlagen, Steuern, Abgaben und einem suboptimalen CO2–Emissionshandel radikal zu vereinfachen und die angestrebte Lenkungswirkung – vor allen Dingen – durch eine stärkere CO2-Bepreisung zu erreichen.“

Denn wenn das CO2-Aufkommen für die Herstellung eines Produkts schon bei der Kaufentscheidung berücksichtigt werden kann und den Preis beeinflusst, dann entscheidet tatsächlich der Kunde darüber, in welche Richtung sich unsere Wirtschaft entwickelt.

Vier Punkte findet Hitschfeld bei dem Ansatz einer sorgfältigen Prüfung wert:

– Er verfolgt das Ziel, die deutschen Klimaschutzziele (doch noch) zu erreichen,

– Er ist in den europäischen Kontext eingebettet (insbesondere zu den aktuellen Vorschlägen Frankreichs anschlussfähig),

– Er ist aufkommensneutral, d. h. führt nicht zu Mehrbelastungen und

– er reduziert die Komplexität des aktuellen Klima- und Energie-, Steuern- und Abgabensystems.

Natürlich ist das für Vertreter der alten, „schmutzigen“ Industrien ein Warnsignal. Sie haben in den vergangenen 12 Jahren mehrfach Erfolg damit gehabt, die deutschen Klimaschutzbemühungen auszubremsen und auszuhebeln, meist mit dem Argument der Arbeitsplätze, obwohl das einzige Ziel war, die alten Marktanteile unbedingt zu behalten und ganz bestimmt nicht den neuen, klimafreundlicheren Industrien zu überlassen.

„Der von den Autoren verfolgte, marktwirtschaftliche Ansatz wird rasch auf die (Braun-)Kohleverstromung wirken, deren Wirtschaftlichkeit durch die angestrebten, höheren CO2-Preise sinken würde“, stellt Hitschfeld logischerweise fest. „Lenkungswirkung auf das Verhalten von Eigentümern und Investoren dürfte der Vorschlag deshalb schon deutlich vor seiner möglichen Realisierung entfalten.“

Und da steckt dann auch ein Appell drin an die bislang so beratungsresistenten Ministerpräsidenten in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt: „Gerade für die mitteldeutschen Kohleländer kommt es deshalb jetzt darauf an, sich nicht in einer Fundamentalopposition gegen eine wirksame Klimapolitik zu verschleißen, sondern das vorhandene Zeitfenster für eine wirksame, auf die endogenen Potenziale der betroffenen Regionen abgestellte Strukturpolitik zu nutzen.“

Sachsens Regierung verwahrt sich ja bislang gegen diesen notwendigen, politisch gestalteten Strukturwandel. Im mitteldeutschen Braunkohlerevier gibt es zumindest zaghafte Ansätze für einen gestalteten Wandel, gesteuert über das Projekt „Innovation im Revier“ im Rahmen der Metropolregion Mitteldeutschland. Denn Zukunftsstrukturen muss man entwickeln, bevor die Entwicklung die Region überrollt.

Und die neue Bundesregierung ist zum Handeln verdammt. Viel zu lange hat Angela Merkel versucht, die Themen einfach auszusitzen, ohne die politischen Rahmensetzungen für die eigenen Zielvorgaben zu schaffen.

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