Bei der Partei DIE PARTEI weiß man nie wirklich: Ist das, was sie nun vorhat, ernst gemeint? Oder bitterernst? Oder nur ein bitterer Spaß? Am 24. März startete die kleine Partei mit dem großen Namen eine Petition. Ziel: die Umbenennung des Martin-Luther-Ringes. Und das ausgerechnet im 500. Jahr nach Luthers Thesenanschlag und direkt im Vorfeld des „Kirchentags auf dem Weg“, der ja bekanntlich auch in Leipzig stattfindet.

„Das Leben und Wirken Martin Luthers beschränkt sich nicht nur auf Reformation“, erklärte Thomas Kumbernuß, der Leipziger Partei-Sprecher. „So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Nationalsozialisten im November 1933, nur wenige Monate nach Machtübernahme, dem südwestlichen Teil des Leipziger Innenstadtringes den Namen ‚Martin-Luther-Ring“ gaben.  Diesen Namen zu ändern ist das Anliegen der eingereichten Petition, denn steht es der Stadt Leipzig, einem Hort für Toleranz und Menschlichkeit, nicht besser zu Gesicht, den südwestlichen Teil des Innenstadtrings nach einem der größten Denker unserer Zeit zu benennen, dem Politiker, Humanisten, Demokraten, Aufklärer und Journalisten Martin Sonneborn!“

Ganz so einfach ist das mit der „Umbenennung durch die Nazis“ nicht.

Denn auch 1933 brauchte es dazu noch einen Stadtratsbeschluss. Den es freilich ohne den 30. Januar 1933 möglicherweise nicht gegeben hätte.

Nach den Stadtverordnetenwahlen von 1932 hatte die SPD 24 Sitze, die KPD 17 in diesem 72-köpfigen Gremium, also sichtlich die Mehrheit. Die NSDAP saß mit 18 Abgeordneten drin, die bürgerlichen Parteien mit 16. Aber nach dem 30. Januar 1933 war ja alles anders – die KPD war verboten, ihre Funktionäre entweder verhaftet oder in der Illegalität. Wenig später geschah es der SPD genauso. Das dann ganz bestimmt nicht mehr demokratische Parlament, mit dem OBM Carl Goerdeler bis 1936 arbeitete, war deutlich von der NSDAP dominiert und die Nationalsozialisten versuchten bis zu Goerdelers provoziertem Rücktritt 1936 alles, ihm ihre Politik aufzuzwingen.

Und die Umbenennung des Rathausringes (der seit 1898 so hieß, weil hier das Neue Rathaus gebaut wurde) in Martin-Luther-Ring erfolgte auch nicht ganz anlasslos, sondern ganz offiziell aus Anlass seines 450. Geburtstages. Am 3. November 1933 wurde das so beschlossen, am 10. November so vollzogen, am Tag von Luthers Geburtstag.

Und während Luther in seinen Frühschriften das Judentum auch für seine Zeit ungewöhnlich positiv darstellte, sind es vor allem seine Spätschriften, die später von den deutschen Antisemiten als Munition in ihrer antisemitischen Argumentation verwendet wurden.

Die Partei DIE PARTEI meinte es mit ihrer Petition durchaus ernst. Diese ist online auf der Homepage der Stadt zu finden. Und eine ganze Anzahl Leipziger unterstützt die Umbenennung des südwestlichen Teils des Leipziger Innenstadtrings von Martin-Luther-Ring in Martin-Sonneborn-Ring, wie sich Thomas Kumbernuß, Kreisvorsitzender der Partei, jetzt freut, mitteilen zu können.

„Bereits mehr als 1.111 Menschen unterstützen unsere berechtigte Petition zur Umbenennung des südwestlichen Teils des Leipziger Innenstadtrings von ‚Martin-Luther-Ring‘ in ‚Martin-Sonneborn-Ring‘. Diesen, seinen bisherigen Namen, trägt der Martin-Luther-Ring erst seit November 1933, verliehen von jenen, die kurze Zeit vorher an die Macht kamen. Dass die damals Herrschenden diesen zentralen Ort nach einem (wenn nicht dem) bedeutenden Antijudaisten seiner Zeit und damit Vorreiter und Vordenker des Antisemitismus benannt haben, sei nicht verwunderlich, dass dies bis heute nicht geändert wurde, eher schon. Darum beschloss die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative den Buchstaben ‚I‘ im Namen Die PARTEI in den Vordergrund zu stellen und mittels weitsichtiger Petition den südwestlichen Teils des Leipziger Innenstadtrings nach dem großartigen Politiker, Humanisten, Demokraten, Aufklärer und Journalisten Martin Sonneborn zu benennen, dessen Wirken und Handeln ihn als leuchtendes Vorbild für Mitmenschlichkeit und ein zivilisiertes Miteinander kenn- und auszeichnen.”

Ein bisschen vorbeugend heißt es weiter: “Es soll Menschen geben, deren einziges Argument gegen die Umbenennung lautet, dass es keine Namensgebung von Straßen und Plätzen nach noch lebenden Personen geben darf, doch sollte der Stadtrat Leipzigs unserer umsichtigen Petition folgen, wäre es eine politische  Aufgabe, die dafür notwendigen rechtlichen Grundlagen zu schaffen! Außer, man steht der Umbenennung und deren Motiven von 1933 positiv gegenüber…“, so Kumbernuß.

Und weil man dem auch öffentlich noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen möchte, lädt Die PARTEI am kommenden Samstag, 27. Mai, zur Demonstration unter dem Motto „Wer Juden hasst, hat Luther verstanden!“ ein. Starker Tobak ganz bestimmt für alle, die sich zum Reformationsjubiläum noch einmal gründlich mit Luther beschäftigt haben. Der Mann ist nun einmal komplex und auch widersprüchlich.

Start für diese durchaus kontroverse Demonstration wird gegen 13:00 Uhr am Connewitzer Kreuz sein, die Route geht über die Karl-Liebknecht-Straße und den Wilhelm-Leuschner-Ring zum Neuen Rathaus, wo auch die Abschlusskundgebung am Martin-Luther-Ring stattfindet.

„Diese Demonstration soll darum nicht nur unsere phantastische Petition unterstützen, sie wird auch hoffentlich einen längst überfälligen Diskussionsprozess über das tatsächliche Handeln und Wirken Martin Luthers anstoßen, fernab seiner heutigen einseitigen Darstellung, betrachtet durch die Brille der Reformation! – Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“, meint Kumbernuß noch.

Der Verwaltungsstandpunkt zur Umbenennung steht übrigens noch aus.

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