Der engagierte Einsatz ihrer Verteidigung half letztlich nicht: Das Amtsgericht Leipzig verdonnerte zwei junge Männer am Donnerstag zu Geldstrafen von 1.800 bzw. 600 Euro. Sie sollen sich einer Polizeimaßnahme im Rahmen der Proteste gegen eine Konferenz des neurechten Compact-Magazins im vergangenen Jahr gewaltsam widersetzt haben.

Amtsrichter Marcus Pirk, der zuletzt durch harte Urteile gegen zwei mutmaßliche Angreifer bei den Ausschreitungen in Connewitz von sich reden machte, ließ keine Zweifel an der Schuld von Martin S. (22) und Robert R. (25). Laut Anklageschrift gehörten die jungen Männer zu einer Gruppe, die Teilnehmern einer Veranstaltung des rechtsextremen Compact-Magazins am 25. November 2017 am Alten Messegelände den Weg versperren wollte.

Als Polizeikräfte die Demonstranten zurückdrängten, habe Martin S. einem Beamten gegen das Bein getreten und sich gegen seine anschließende Festnahme gewehrt. Robert R. habe Martin S. zudem vergeblich festzuhalten versucht. Letztlich jedoch wurden beide zum Polizeiwagen geführt.

Beide Studenten schwiegen sich zu den Vorwürfen der Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte komplett aus und verfolgten den Prozess ohne Regung. Stattdessen nahmen ihre Strafverteidiger Daniel Werner und Rita Belter zunächst die beiden als Zeugen geladenen Ordnungshüter ins Visier. Sowohl der getretene Polizist Philipp S. (27) als auch sein Kollege Jens S. (34) sahen sich bohrenden Detailfragen zum Einsatz ausgesetzt.

Nach Sichtung des Polizeivideos brachte Rechtsanwältin Belter, die den jüngeren Angeklagten vertrat, noch eine Videosequenz aus privater Quelle in die Verhandlung ein, aus der hervorginge, dass der wegen des Trittes Festgenommene nicht ihr Klient sei.

Ihr Verteidiger-Kollege überraschte dann mit einem weiteren Beweisantrag: Eine Pressemitteilung von Demo-Beobachtern sowie eine E-Mail des Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann (Linke) würden die Rechtswidrigkeit der Polizeimaßnahme belegen, denn zum Zeitpunkt der Intervention liefen noch Gespräche über eine Verlegung des Versammlungsortes. Folglich sei das Handeln der Beamten illegitim gewesen und Widerstand dagegen nicht strafbar.

Amtsrichter Pirk schmetterte den Antrag als „nicht relevant für die Wahrheitsfindung“ zurück und erteilte dem Argument des Verteidigers auch in seiner Urteilsbegründung eine harsche Abfuhr: „Ich wüsste nicht, dass die Polizei nicht mehr befugt ist, gegen Gewalttaten vorzugehen.“ Während den Videos laut Pirk kein Beweiswert zukam, hielt er die Aussagen der Polizeibeamten für glaubhaft. Beide hätten den Ablauf des tumultartigen Geschehens schlüssig und ohne Belastungseifer dargelegt.

Gegen die nicht vorbestraften Angeklagten hielt er Geldstrafen mit Möglichkeit einer Ratenzahlung allerdings für ausreichend. Die Staatsanwaltschaft hatte für den älteren Angeklagten sechs Monate auf Bewährung und für den jüngeren 900 Euro Geldstrafe gefordert. Beide Verteidiger sahen die Schuld ihrer Mandanten dagegen als nicht erwiesen und wollten auf Freisprüche hinaus.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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