Es ist ein schwarzhumoriger Kriminalroman. Stimmt. Kann aber passieren, das Buch steht nicht zwischen Marklund und Nesser im Krimi-Regal, sondern drüben, bei den Frauenbüchern. Der Verlag hat's rosa eingewickelt. Und der Sarg sieht auch recht niedlich aus. Obwohl: Hätte es nicht eigentlich eine Tiefkühltruhe sein sollen? Denn die braucht man nun mal zur Schnellentsorgung von Leichen.

In diesem Fall ist es Wolfgang, Annemies Ehemann, ein etwas übergewichtig gewordener Polizeikommissar, der sich daheim augenscheinlich wie ein verwöhnter Bubi mit der Ignoranz eines Machos benimmt. Benommen hat. Benommen haben wird. Ab Seite 20. Dann ist Wolfgangs kurzer Auftritt vorbei und Annemie hat ein Problem: eben diesen Wolfgang. Was stellt man mit dem Burschen an, wenn er auf so dämliche Weise Opfer seiner selbst geworden ist?

Brave Leute rufen dann die Polizei. Brave Hausfrauen haben ein Problem, denn sie wissen ja, wie die Polizei tickt. Erst recht, wenn der eigene Ex dort gearbeitet hat. Da droht ja wohl lebenslänglich, auch wenn Annemie wohl gar nichts dafür kann. Aber was nun? Wer ein schlechtes Gewissen hat, muss die Leiche loswerden.

Man merkt schon: Da kommt ein neuer Ton in die Leipziger Krimi-Landschaft – auch wenn man einige dieser schwarz-humorigen Geschichten aus den Kurzgeschichtensammlungen des fhl Verlages kennt, Giftmorde und dergleichen. Nur muss Annemie, die so lange die brave Hausfrau gespielt hat und den Haushalt fĂĽr gnädige 600 Euro im Monat schmiss, nun fix reagieren und improvisieren, Blutspuren und Pistole verschwinden lassen und die Schwiegermutter, die sich natĂĽrlich sofort meldet, vom entsorgten Schwiegersohn in der TiefkĂĽhltruhe ablenken. Das ist so ungefähr der Zeitpunkt, an dem der Krimi-Leser im Kopf umschalten muss, denn ab hier nimmt die Geschichte natĂĽrlich ein anders Tempo auf und wird im Grunde zur Komödie, reif fĂĽr eine quietschfidele Verfilmung mit Uwe Ochsenknecht und … naja, die weibliche Besetzung richtet sich dann eher nach den Vorlieben des Regisseurs. Der braucht eine anfangs recht eingeschĂĽchterte Kunstwissenschaftlerin, die dem erfolgreichen Oberkommissar die ganze Zeit emsig das Haus besorgt hat und die nun entdeckt, dass der Schnösel die ganze Zeit ein zweites Leben gefĂĽhrt hat mit einer scharfen Braut aus Rumänien.

Braucht man also noch eine fesche Dunkelhaarige, die die junge Geliebte genauso spielen kann wie die toughe und ebenso geheimnisvolle Heldin einer irgendwie kriminellen Geschichte. Eine kesse Schwiegermutter braucht man auch noch – die meisten Verheirateten wĂĽnschen sich ja eine und wundern sich, dass es doch wieder irgendwie nicht geklappt hat – aus liebenden MĂĽttern werden vom Kontrollwahn besessene Wächterinnen. Woran liegt’s? Manchmal auch daran, dass Frauen versuchen, eine Rolle zu spielen. Auch Schwiegermutter ist eine – und Annemie erlebt eine Ăśberraschung, als die beiden ĂĽber der geöffneten KĂĽhltruhe einmal Klartext reden.

So, wie es Annemie mit ihrer Freundin Dörte kann, die natürlich hilfsbereit sofort einspringt, als es um die Lösung der Wolfgang-Frage geht. Aber es braucht ein paar Seiten, da weiß man dann auch von Dörte, dass sie auch nur eine Rolle gespielt hat: die lebenserfahrene Busenfreundin.

So lernt man sich kennen, wenn’s hart auf frostig kommt. Aber da das erst kommt, als die Sache schon im Laufen ist und die drei mit dem schockgefrosteten Wolfgang längst in Italien sind, ist das auch egal. Wenn man erst mal drin steckt in der dubiosen Geschichte, in der es irgendwie um einen geklauten und zweimal gefälschten Picasso geht, kann man nicht einfach aussteigen. Da sind die Kriminellen wie das Finanzamt: Sie wollen Penunze sehen. Oder den bestellten Picasso.

Und da man eh schon in Italien ist und auch die Entsorgung des aufgetauten Wolfgang nicht so richtig geklappt hat, darf die Geschichte ruhig noch eine scharfe Wendung nehmen und Annemie in Italien alles finden, was sie mit Wolfgang nicht hatte: Anerkennung, Liebe und Abenteuer.

Nur der Leser aus den anderen Krimi-Metiers grübelt die ganze Zeit mit und hat so am Ende das dumme Gefühl, dass Wolfgang eigentlich eine arme Sau war, der im Grunde Opfer einer polizeilichen Verführung geworden ist. Und Annemie? Lernt sie was fürs Leben? Das könnte man so sagen. Jedenfalls dürfte sie (wenn sie von der richtigen Schauspielerin besetzt wird) durchaus ein Vorbild für viele vergrämte Hausfrauen sein, die glauben, wenn sie dem Gespons das Haus in Ordnung halten, die Socken nachtragen und das Essen zubereiten, sie hätten ihr Leben im Griff. Spätestens, wenn sich der gnädige Geldverdiener ein neues Parfüm zulegt, dürfte klar sein, dass dem nie wirklich so gewesen ist.

Cathrin Moeller, die tatsächlich mit “Mann und Hund in einem Haus (fast am See) bei Leipzig” lebt und 2011 den Schritt gewagt hat, sich schreibend zu betätigen, versichert freilich, dass ihr Mann zwar tatsächlich Polizist ist – mit dem geschilderten Wolfgang aber nichts gemein habe. “Wolfgang muss weg” ist ihr Erstling. Und es ist – auf die flotte Art – ein Plädoyer fĂĽr einen selbstbewussteren Umgang miteinander. Nicht einschĂĽchtern lassen, wenn selbstgewisse Machos einen klein reden, und vor allem nicht abhängig machen lassen. Man bemerkt es nur so nebenbei, dass die Autorin hier eigentlich Hand anlegt an das noch immer gefeierte Bild der gut versorgten Hausfrau, an Ehegattensplitting und falsche Idyllen. Und so falsch liegt sie ja nicht: Die meisten Familiendramen beginnen genau so, wenn gut verdienende Männer merken, dass ihnen diese Sultan-Arrangements doch nicht alle WĂĽnsche erfĂĽllen, und sie anfangen, Wege auszuknobeln, wie sie aus der selbstorganisierten Verstrickung herauskommen. Oft genug kommt dann eine gemeuchelte und entsorgte Hausfrau dabei heraus. (Die Nachbarn zu den neugierigen Reportern: “Die waren immer so freundlich. Man hat gar nichts gemerkt. Und er war immer so nett. So was hätten wir ihm niemals zugetraut.” – Man kennt ja alle die SprĂĽche, die dem eifrigen Zeitungsleser nur eins verraten: Auch wenn Nachbarn sich täglich fleiĂźig ausspionieren, wissen sie in Wirklichkeit gar nichts ĂĽber die stillen Tragödien im Nachbarhaus.)

Deswegen muss man nicht alles, was Annemie und ihre Mitverschworenen tun, auf die kriminalistische Goldwaage legen. Die Geschichte würde auch ohne Picasso und einen gefrosteten Polizeikommissar funktionieren. Nur: Was hätte Wolfgang eigentlich noch beizutragen gehabt zu der Geschichte, außer einer Menge völlig sinnlosen Ärger? Dann hätte sich das Problem natürlich trotzdem gestellt, aber auf eine noch viel brisantere Weise und mit derselben Aufgabe: Wolfgang muss weg.

Enttäuschte Ehefrauen wissen, was das für Dramen ergibt, denn gerade die Ungezogensten wollen selbst dann nicht loslassen, wenn sie selbst schon längst seitengesprungen und fremdgegangen sind.

Aber vielleicht bleibt die Autorin ja dran am Thema und beschäftigt sich weiter mit der durchaus berechtigten Frage: Wie wird man Machos eigentlich wieder los?

Cathrin Moeller Wolfgang muss weg, MIRA Taschenbuch (HarperCollins Germany), Hamburg 2015, 9,99 Euro.

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