Selbst in die Mini-Serie des Buchverlags für die Frau hat sich das Coronavirus jetzt vorgekämpft. Freilich nur als Verhinderer, denn in den ewig langen Lockdowns, in denen sämtliche Bars, Cafés und Restaurants geschlossen bleiben mussten, haben viele Menschen erst so richtig gemerkt, wie sehr ihnen selbst das belangloseste Geplauder mit Freunden und Bekannten bei einem Mixgetränk am Tresen fehlt. Natürlich ist das zum Heulen.

Und das kann auch nicht durch wilde Chats oder Videokonferenzen mit digitalem Zuprosten ersetzt werden. Das weiß jede/r, die jetzt mit Öffnung der Freisitze erstmals wieder draußen war und gemerkt hat, wie gut es einem tut, wieder unter Menschen zu sein.Menschen!

Sind das nicht diese fürchterlichen …?

Natürlich. Manchmal kann man auch zu viel von ihnen haben. Aber man muss ja nicht über Fußball reden oder teure Karren oder anderen überflüssigen Kram einer Prahl- und Protz-Gesellschaft. Man kann sich auch über die bunten Mixturen im Glas unterhalten und wie sie gemacht werden. Und wenn man das Ungesagte in Ute Schefflers kleinem Buch mitliest, merkt man, dass sie in diesen langen Monaten ohne Besuch in ihrer Lieblingsbar trotzdem des Öfteren nach der Arbeit gedacht hat: und nun? Wie feiere ich After-Work, wenn ich nicht zu Luigi darf?

Wenn ich aber einfach mal runterkommen will und mit meinen Lieben bei einem netten Gläschen in den Abendhimmel schauen möchte?

Also hat sie sich umgeschaut. Denn wie man ordentliche Getränke mixt, weiß sie ja, kennt auch das ganze professionelle Zubehör, das sich manche Leute tatsächlich zugelegt haben, um ihre Partygäste professionell mit Chrushen und Shaken zu beeindrucken. Aber normalerweise hat man das ganze Profi-Inventar eines echten Barmixers nicht zu Hause.

Aber das ist kein Problem, zeigt Ute Scheffler: Praktisch für jedes edelstahlglänzende Utensil aus der Profibar gibt es in einer gut ausgestatteten Küche Ersatz. Man kann sich sein Eis genauso selber herstellen wie man irgendwo im Regal garantiert noch ein Gläschen findet, auf dem die Maßeinheit aufgedruckt ist.

Stößel und Löffel mit langem Stiel wird man da auch noch finden. Es hindert einen also nichts daran, sich selbst ein paar erfrischende Mischgetränke zum Ausklingen des Tages zu mixen. Es sei denn, man hat alle Zutaten beim Einkauf in der Kaufhalle vergessen. Dann muss man entweder noch einmal los oder plant die Sache dann doch lieber für den nächsten Tag oder das Wochenende.

Und noch etwas schreibt Ute Scheffler zur Beruhigung: Man muss sich sein buntes Getränk nicht unbedingt mit Alkohol zubereiten. Zu den beliebtesten Cocktails gibt es längst schon professionelle Alternativen, die genauso aussehen, genauso gut schmecken und trotzdem null Promille haben.

Das sind die Mocktails, die es in guten Bars auch auf der Getränkekarte gibt, weil einfach jede Menge Leute (nicht nur weiblichen Geschlechts) immer öfter nach einer alkoholfreien Variante fragen. Man will ja oft einfach nur locker werden, ohne sich einen Schwips zu holen.

Und die im Titel mit erwähnten Poptails sind dann quasi Cocktails zum Lutschen, ein Trend aus Amerika, wo man schon vor einiger Zeit ausprobiert hat, wie das schmeckt, wenn man sein buntes Getränk einfach mal in eine Eis-am-Stiel-Form kippt und gefrieren lässt. Immerhin keine so dumme Idee, wenn wir jetzt wieder in eine Serie von Sommertagen hineingeraten.

Natürlich ist das Geschmackssache, genauso wie die durchaus etwas weniger geläufigen Cocktails, die Ute Scheffler vorstellt, in denen durchaus nicht so übliche Zutaten wie Lavendel, Espresso und Rhabarber, Feigen, Himbeere und Glühweingewürz vorkommen.

Wer immer nur das Übliche schüttelt und rührt, dürfte verblüfft sein, dass es in der Welt mehr gibt als das, was der Herr Bond so trinkt. Es darf dabei trotzdem auch englisch werden wie mit Gin Gin oder English Mint, vegetarisch mit frischen Kräutern und Radieschen oder richtig scharf mit Chill me.

Bei den Mocktails kommen dann auch solche Dinge wie Schlagsahne, Eistee und Rosmarinzweige ins Spiel. Wer sich drauf einlässt, merkt natürlich, dass Ute Schefflers Einladung in die Mixed-Welt vor allem eine Entdeckung der Geschmacksabenteuer ist, die mit Früchten aller Art, Kaffee und/oder selbst hergestellten Sirups möglich sind. Gern mit Zitronen- oder Gurkenscheibe, mal mit Kokoscreme oder Zimtpulver. Es kommt ja nur auf die Gelegenheit, die Lust auf etwas Spritziges und die Vorräte an, die man hinten im Gewürzregal noch findet. Oder auch nicht.

Und so nebenbei lernt man, dass man auch überraschende Besuche (die es jetzt ja auch wieder öfter geben wird) nicht enttäuschen muss, weil man ausgerechnet jetzt keinen Sekt im Kühlschrank hat. Hat man rechtzeitig geübt und das, was einen an dieser Rezeptauswahl neugierig gemacht hat, auch schon mal gemixt und für lecker befunden, dürften auch die mäkligsten Besucher vielleicht ein bisschen lächeln und auch mal ein Kompliment fallen lassen, vielleicht auch nur ein kleines.

Denn wir sind ja im Lockdown allesamt noch missmutiger und grimmiger geworden, als wir vorher schon waren. Dem deutschen Seelenzustand hat das lange Zuhausebleibenmüssen ganz bestimmt nicht gutgetan. Und manche laufen jetzt mit fürchterlich zerknautschter Miene draußen herum, weil sie vergessen haben, dass sie keine Maske mehr aufhaben.

Nutzen wir also die kleinen Gelegenheiten für kleine anerkennende Gesten. Darf sich ruhig auch mal der immer frustrierte Kollege oder die immer gestresste Freundin im Business-Kostüm gemeint fühlen, wenn man nicht nur Cheers sagt, sondern auch ein bisschen Freude zeigt, dass es diese anderen Menschen noch gibt.

Dass sie sich in diesem ewigen Lockdown nicht einfach in Luft aufgelöst haben wie der Mango-Mojito. Wo ist mein Mango-Mojito hin? – Mango ist alle. Aber dafür ist noch Vanilleeis da für einen Snowball. – Jetzt? Mitten im Sommer? – Warum nicht. – Wer so steif ist wie Agent 007, hat sowieso keine Freude im Leben.

Ute Scheffler Cocktails Mocktails Poptails, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2021, 5 Euro.

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