In gedeckten Farben hat die Londoner Grafikerin Isabel Greenberg die Geschichte Jane Austens (1775–1817) illustriert, die die international renommierte Austen-Expertin Janine Barchas hier zur Graphic Novel verdichtet hat. Gedeckte Farben für ein Leben jenseits des Rampenlichts. Denn so berühmt wie heute war Jane Austen zu Lebzeiten nicht. Wurde sie aber, auch wenn ihre Bücher mit der kryptischen Verfasserangabe „by a Lady“ veröffentlicht wurden. Im Dezember jährt sich Austens Geburtstag zum 250. Mal.
Und die Austen-Erinnerungsstätten – wie das Jane-Austen-Museum in Chawton – werden schon lange überlaufen sein. Die Engländer lieben ihre berühmten Autorinnen. Und dass eine kluge Pfarrerstochter hinter Büchern wie „Emma“, „Stolz und Vorurteil“, „Mansfield Park“ oder „Die Abtei von Northanger“ steckte, das sprach sich schon zu ihren Lebzeiten herum. Die Personen in ihren Büchern erlebten all das, was ihr selbst nicht gegeben war.
Oder doch? Das weiß kein Mensch. Denn vieles von dem, was dann zum Stoff ihrer Romane wurde, kann in jener Zeit in Bath geschehen sein, wo sich Jane, ihre Eltern und ihre Schwester Cassandra von 1801 bis 1806 aufhielten. Raus aus dem provinziellen Steventon, wo Jane 1775 geboren wurde, rein ins quirlige Bath, wo auch der Heiratsmarkt blühte.
Nur wissen wir eben über diese Zeit so gut wie nichts. Das merkt auch Janine Barchas extra an: Cassandra hat alle Briefe aus diese Zeit verbrannt. Und man ahnt, wie sich Jane-Austen-Biografen ärgern. Wohl berechtigt. Denn die Briefe würden wahrscheinlich die Spuren legen zu den Vorbildern für etliche von Janes literarischen Gestalten.
Der Spiegel einer ganzen Gesellschaftschichte
Aber Janine Barchas ist sich trotzdem sicher, dass wir genug über Jane Austens Leben wissen. Sie hat einige wesentliche Kapitel daraus in leichte, fast verträumte Bilderfolgen gepackt. Kapitel wie das zu den Jahren 1796 und 1797, in denen Jane längst begonnen hat zu schreiben und auch den Mut hat, ihr erstes Werk an einen Verlag zu verkaufen – auch wenn das Buch dann doch nicht erscheint und Jahre später an die Autorin zurückgeht, die daraus dann den Welterfolg „Stolz und Vorurteil“ machen wird. Verleger haben manchmal auch kein Gefühl für die Erfolgsaussichten eines Buches.
Und eine so gute Zeit, als Autorin bekannt zu werden, war es auch noch nicht. Auch nicht in England. Es sollte noch 14 Jahre dauern, bis Jane Austens Bücher dann tatsächlich erschienen und beim lesefreudigen Publikum auch deshalb einschlugen, weil sie den Zustand einer ganzen Gesellschaftsschicht wie keine andere Autorin genau beschrieb.
Und das mit einem klugen Witz, der sich bis in die Dialoge hinein erleben lässt, die all ihre Bücher geradezu zu Vorlagen für Verfilmungen machen. Und die kessen Heldinnen, die sich im Behaupten gegen Eltern, Dorfbewohner und dreiste Bewerber erfolgreich zeigen, zu Vorbildern bis heute machen. Heldinnen, in denen ein gehöriges Stück der klugen und belenenen Jane stecken.
Nur war Klugheit eben keine gute Pfründe auf dem vom Geld bestimmten Heiratsmarkt ihrer Zeit. Da erging es Jane genau wie ihrer klugen Schwerster Cassie, mit der sie letztlich ihr Leben teilte und sich dann ganz der Literatur widmete. Die farbenfrohen Seiten der Graphic Novel gehören ganz und gar den Szenen, in denen Janes Fantasie abschweift und in die Welt ihrer literarischen Heldinnen abtaucht.
Wenn es schon hier in einem lange von Armut geprägten Leben keinen Spaß mit den Snobismen der Menschen gibt, dann eben in Büchern. Auch wenn eine lange Durststrecke blieb, bis sich die Verleger tatsächlich entschlossen, ihre Bücher zu veröffentlichen.
Die Fantasien einer Pfarrerstochter
Aber irgendwie kennen das ja auch andere Menschen: Das Leben, das man so lebt, erscheint nicht ganz so farbenfroh wie das der geliebten Heldinnen und Helden aus den Büchern. Die Gespräche sind nicht so geistvoll und witzig, und so herrlich schlagfertig wie die jungen Damen in Austens Büchern ist man sowieso nicht. Nie im Leben.
Aber genau das macht diese Bücher ja zu einer Bereicherung. Sie zeigen, was in unserem Kopf abgehen kann, wenn wir auf die Vorurteile, den Stolz, die falschen Konventionen verzichten und die Menschen um uns herausfordern, sich nicht wie Aufziehautomaten zu verhalten, sondern eben wie richtige lebendige Menschen. Die in einer heiratswilligen Pfarrerstochter nicht nur die Versorgung für das geplante Heim sehen, sondern das witzige, lebensfrohe Menschenkind, das sie nun einmal ist. Da muss Janine Barchas gar nicht erst betonen, welche Rolle Jane Austen für das Selbstbewusstsein ganzer Frauengenerationen gespielt hat.
Das letzte und wichtigste Kapitel „Erfolgreiche Autorin“ lässt sie natürlich auch nicht weg. Hier geht es um die Jahre 1809 bis 1817, die mit dem Umzug nach Chawton einhergehen, wo ihr Bruder Edward ihr und Cassie ein kleines Landhaus zur Verfügung gestellt hat. Es ist jenes heute so beliebte Museum. Und mit diesem Umzug begann auch ihre Zeit als gedruckte und viel gelesene Autorin.
Dass man dabei immer noch in der Zeit der Napoleonischen Kriege war, wird am Rande deutlich. Die letzten Jahre waren dann überschattet von Napoleons Niederlage bei Waterloo und dem Ausbruch des Vulkans Tambora auf den fernen Sundainseln, der so gewaltig war, dass er das Jahr 1816 in Europa zum Jahr ohne Sommer werden ließ.
1817 starb Jane Austen, gerade 42 Jahre alt. Aber da begann ihr Ruhm gerade. Wurde sie zu einer Autorin, die ein ganzes literarisches Zeitalter prägte. Aber in dieser Graphic Novel geht es eben einmal nicht um ihre Romane, sondern um sie selbst. Die vielleicht ein weniger glanzvolles Leben leben konnte, als sie es sich selbst gewünscht hat. Wer weiß das schon?
Vielleicht sah sie das alles ganz anders und war froh, keinen sturen Stoffel hatte heiraten zu müssen und dafür richtig Zeit zum Erzählen von Geschichten, die bis heute in den Köpfen ihrer Leserinnen und Leser immer wieder aufs Neue lebendig werden.
Zeit für einen Geburtstagskuchen. Und eine Lesestunde mit Jane Austen und einer Tasse Tea.
Janine Barchas, Isabel Greenberg „Jane Austen. Ihr Leben als Graphic Novel“ Penguin Verlag, München 2025, 25 Euro.
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